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nmz-archiv
nmz 2005/05 | Seite 32
54. Jahrgang | Mai
Jugend musiziert
Ein Spiel, ein Beratungsgespräch und ein Bett
Beim Bundeswettbewerb “Jugend musiziert“ blickt man
dem Massenansturm gelassen entgegen
Was macht man, wenn man sich zur Teilnahme am Bundeswettbewerb
“Jugend musiziert“ qualifiziert hat? Na, man fährt
überglücklich zum Wettbewerbsort und spielt vor, man ist
ja offiziell eingeladen. Pech nur, wenn man vor Ort ein Bett für
die Nacht sucht. Dann wird es einem wahrscheinlich so ergehen, wie
einstmals einem berühmten Ehepaar im Nahen Osten: kein Platz
in der Herberge. Nirgends. Wie kommt man also an ein Nachtquartier?
Wie viele Teilnehmer sich tatsächlich auf den Weg zum Bundeswettbewerb
“Jugend musiziert“ machen, wird in wenigen Tagen über
viele Kanäle berichtet werden: Erneut ist der aktuelle Bundeswettbewerb
der teilnehmerstärkste in seiner Geschichte. Nach jüngster
Zählung werden zwischen dem 11. und 19. Mai 1.982 Musikerinnen
und Musiker in Erlangen, Fürth und Nürnberg erwartet.
Alle werden sie kommen, aber nicht alle gleichzeitig, sondern sukzessive,
sich orientierend am Zeitpunkt des eigenen Wertungsspiels.
Um einmal deutlich zu machen, wie viele Überlegungen der Anreise-
und Abreiseprozedur und dem Aufenthalt von fast 2.000 jungen Leuten
vorausgehen, exerzieren wir dies der Einfachheit halber an einem
Beispiel durch: Die Harfenistin Sabine Saitenspiel hat sich über
einen der 16 Landeswettbewerbe für den Bundeswettbewerb qualifiziert.
Im Jargon der Wettbewerbsorganisatoren ist sie eine so genannte
„Weiterleitung“. Sabine ist 16 Jahre alt, also wird
sie der Altersgruppe V zugeordnet.
So wie die Nachricht von der Weiterleitung von Sabine Saitenspiel
treffen nun im Laufe von rund drei Wochen die Weiterleitungen für
alle Wertungskategorien aus allen Bundesländern in der Bundesgeschäftsstelle
ein. Erst wenn man die gesamte Anzahl der Teilnehmer pro Kategorie
und Altersgruppe weiß, kann man an die Gestaltung des exakten
Zeitplans gehen.
In einem nächsten Schritt unterteilen die Wettbewerbsmacher
den Wertungstag in Wertungseinheiten, die Juryberatungs-Pausen nicht
zu vergessen, und bald steht also fest, dass Sabine Saitenspiel
am 14. Mai um 10.30 Uhr in der Meistersingerhalle Nürnberg
ihr Vorspiel vor der Jury hat.
Sabine Saitenspiel erhält daraufhin von der Bundesgeschäftsstelle
“Jugend musiziert“ einen Brief, der ihr nicht nur den
Zeitpunkt ihres Wertungsspiels mitteilt, sondern darüber hinaus
um die Beantwortung einer Reihe von Fragen bittet, die ihren Aufenthalt
beim Bundeswettbewerb betreffen.
Sabines Aufgabe ist es nun, bezogen auf ihr Wertungsspiel den Tag
ihrer Ankunft und den Tag ihrer Abreise festzulegen, dazu die Auskunft,
ob sie die Teilnehmerverpflegung nutzen möchte – sie
kann zwischen vegetarischer und fleischhaltiger Kost wählen
–, und schließlich die Meldung, welche Konzerte des
Bundeswettbewerbs sie zu besuchen wünscht. Alle diese Daten
meldet sie per Post an die Wettbewerbsleitung zurück. Dort
werden sie in die Datenbank der Bundesgeschäftsstelle „Jugend
musiziert“ eingepflegt und auf dieser Basis ein „Teilnehmerausweis“
ausgedruckt, den Sabine per Post erhält.
„Wer hat in meinem Bettchen geschlafen?“
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Bundeswettbewerb “Jugend
musiziert“ 2005 werden insgesamt elf Quartiere in Erlangen,
Fürth und Nürnberg zur Verfügung gestellt, das sind
671 Betten. Um alle 1.982 Teilnehmer unterzubringen wird also jedes
Bett im Laufe der Wettbewerbstage dreimal vermietet. Durchschnittlich
bleibt ein “Jugend musiziert“-Teilnehmer drei Tage am
Wetttbewerbsort, es herrscht also während der neun Wettbewerbstage
ein ständiges An- und Abreisen. Das Thema Unterbringung ist
damit eine der größten Herausforderungen für die
Organisatoren, und dass es mitunter kleinere Irrtümer gibt,
ist einfach nicht auszuschließen. Umso wichtiger, dass „Jugend
musiziert“ für jedes Quartier versierte Hausbetreuer
vorsieht, die 24 Stunden vor Ort und ansprechbar sind und in ihrem
Mikrokosmos zu improvisieren beherrschen.
Und: “Jugend musiziert“ wäre nicht “Jugend
musiziert“, wenn es nicht auch Rücksicht auf die Unterbringungs-Wünsche
der Teilnehmer nähme. Das Quartier-Formular enthält selbstverständlich
die Rubrik „Ich möchte nach Möglichkeit gemeinsam
untergebracht werden mit…“
Aug’ in Aug’ mit dem JuMu-Mitarbeiter
Zurück zu Sabine Saitenspiel: Da sie Harfe spielt, in unserem
Fallbeispiel mit dem Zug anreist und zuvor um Abholung durch „Jugend
musiziert“ gebeten hatte, wird sie am Bahnhof vom Fahrdienst
in Empfang genommen und zur Teilnehmerbetreuung gefahren, um sich
anzumelden. Die Anmeldeprozedur funktioniert seit nunmehr drei Jahren
auf vollelektronischem Weg. Indem Sabine dem Mitarbeiter am ersten
Terminal ihren Teilnehmerausweis vorlegt, wird der zugehörige
Datensatz aufgerufen. Sodann werden die Angaben auf dem Ausweis
zu Übernachtung, Verpflegung und Konzertwünschen nochmals
gemeinsam mit ihr abgeglichen und gegebenenfalls aktualisiert. Dann
wird Sabine die Teilnehmertasche ausgehändigt: sie enthält
das Programmbuch, Stadtpläne, das JuMu-Journal und allerlei
andere Info-Materialien. Bei Mitarbeiter Nummer zwei erhält
Sabine die Bons für die von ihr bestellten Mittag- und Abendessen,
Mitarbeiter Nummer drei vermittelt ihr Übezeiten in einem der
vier Übezentren, bei Mitarbeiter Nummer vier kann sie Konzertkarten
für sich und ihre Familienmitglieder erwerben. Bis zum Jahr
2003 waren Konzertkarten für Teilnehmerinnen und Teilnehmer
gratis und konnten ebenfalls mittels eines Formulars im Vorfeld
bestellt werden. Häufig wurden jedoch im Zuge der Wettbewerbseuphorie
für alle Konzerte Karten bestellt, während man dann, am
Ort des Bundeswettbewerbs angekommen, spontan den Abend doch lieber
mit neu gewonnenen Freunden verbrachte und die Konzertkarte verfallen
ließ. Deshalb verlangt “Jugend musiziert“ seit
2004 einen Euro pro Karte, um Kontingente im freien Vorverkauf und
Abendkasse ein wenig besser steuern zu können.
Der Zeitplan: die wackelfreie Zone
Sabine Saitenspiel wird schließlich vom Fahrdienst in ihr
Quartier gefahren, dort wird ihr Eintreffen von der Unterkunftsbetreuung
nochmals elektronisch erfasst. Von jetzt ab bis zu ihrer Abreise,
kennt die Wettbewerbsleitung nun ihren Aufenthaltsort, weiß,
wo Sabine zu Mittag und zu Abend isst, in welchem Quartier sie schläft,
wann und wo sie Übezeiten gebucht hat und welche Konzerte sie
besuchen wird. Alle Kontaktpunkte des Bundeswettbewerbs sind mit
einem Mitarbeiter besetzt, der zwischen Teilnehmerbetreuung und
Teilnehmerin vermittelt, Nachrichten überbringt oder über
Terminänderungen informiert. Wichtig sind diese Vermittler
zum Beispiel, wenn es an die Gestaltung der Preisträgerkonzerte
geht und Musikerinnen und Musiker über ihre Mitwirkung informiert
werden müssen, wenn Beratungsgespräche verschoben werden
oder Interview-Termine gemacht werden müssen. Notfalls per
Notizzettel auf dem Kopfkissen kann man Sabine Saitenspiel über
Änderungen in Kenntnis setzen und so das komplexe Konstrukt
Bundeswettbewerb am Wanken hindern. Störungen müssen so
weit es irgend geht, vermieden werden, das gesamte Räderwerk
muss geräuschlos laufen: Denn für Sabine Saitenspiel,
die es bis zum Bundeswettbewerb geschafft hat, sollen diese Tage
voller Konzentration und offen für neue Begegnungen und Erfahrungen
sein.
Ob die Fußballweltmeisterschaft im Sommer ähnlich gut
organisiert sein wird…?
Bitte beachten Sie auch im Innenteil des Heftes die Beilage
“Jugend-musiziert-Journal 2005“