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nmz-archiv
nmz 2005/05 | Seite 12
54. Jahrgang | Mai
Nachschlag
Gast-Stätte?
Eigentlich sollten wir über die Zeiten hinaus sein, wo ein
Gott, um sein Glaubensmonopol kämpfend, den anderen den Garaus
macht. Und um Verdrängung von Götzen, die der Wollust
und dem Reichtum fröhnen, kann es doch auch nicht gehen, wenn
eigentlich Begegnung ansteht. So verwundert es doch, dass die Augsburger
Diözesan-leitung Ende letzten Jahres den Leiter der Musikakademie
Marktoberdorf aufforderte, in Zukunft beim Festival Musica Sacra
International islamischen, buddhistischen und hinduistischen Ensembles
die Kirchenräume zu verwehren. 1989 wurde die Idee zu diesem
Festival geboren, bei dem Angehörige unterschiedlicher Glaubensrichtungen
aus allen Regionen der Welt zusammen musizieren und sich gegenseitig
ihre Formen geistlicher Musik vorstellen. Es war eine schöne
Idee, getragen von einem Aufbruchsgeist der Religionen, die ihre
Differenzen gar nicht hinter dem Licht halten wollten, die aber
dennoch die Begegnung, den Dialog und den Austausch suchten. Es
war eine der großen weltpolitischen Leistungen des letzten
Papstes, dass er diese Notwendigkeit sah und sie offensiv vorlebte.
Das hat ihm die Sympathie der Jugend auf der ganzen Welt eingebracht.
Freilich, dies verlangt Weite des Herzens, nicht enge und dazu noch
kurzsichtige Kirchenpolitik. Sollte der Rückzug der katholischen
Kirche so etwas wie ein vorauseilender Gehorsam im Hinblick auf
den kommenden Papst gewesen sein?
1998 hatte Bischof Viktor Josef Dammertz noch geschrieben: „So
hoffe und wünsche ich, dass die Veranstaltungen des Festivals
Musica Sacra International diesem Dialog der Religionen dienen und
neue Impulse geben; mögen die Menschen hierzulande in der Begegnung
mit geistlicher Musik unterschiedlicher Religionen und Konfessionen
bestärkt werden in dem Bewusstsein, dass der Mensch eine ‚re-ligio’,
eine Rückbindung an Gott braucht, um wirklich Mensch zu sein
und zu bleiben.“ Doch schon sieben Jahre später liest
sich die Meinung der Kirche (übrigens hatten während der
Jahre auch evangelische Kirchen Bedenken angemeldet) so: „Im
Hinblick auf die Nutzung unserer Kirchen für Darbietungen nichtchristlicher
kultischer wie auch musikalischer Elemente (etwa buddhistischer
Tempeltanz, hinduistische oder islamische Kulturdarbiertungen et
cetera) können wir unsere Zustimmung nicht erteilen.“
Argument ist, dass der sakrale Ort entweiht würde. Aber ist
das wirklich der Fall? Ein Konzert ist keine Messfeier, soll es
nicht sein. Ist der Ort nicht mehrfach zu definieren? Also neben
dem Ort, an dem die christlichen Sakramente vollzogen werden auch
als Ort des Refugiums für wen auch immer, als Stätte der
Gastlichkeit, der vollzogenen Nächstenliebe, des Austauschs
auch von gesellschaftlichen und politischen Fragen? Und sollte hier
die Kirche nicht neue Lebensformen vorleben, anstatt die gesellschaftlich
bekannten der Ab- und Ausgrenzung des anderen zu duplizieren?
Es war eine überwältigende und für viele auch überraschende
Sympathiewelle, die dem sterbenden Papst Johannes Paul II. gerade
von der jungen Generation entgegenschlug. Es lag nicht unbedingt
an seinen Meinungen, die oft an der Lebenswirklichkeit vorbei gingen
(Schwangerschaftsberatung et cetera). Es lag an der Methode, mit
der er zu Schlüssen fand. Und die hieß Unvoreingenommenheit,
Austausch, Selbstbefragung im Angesicht anderer Lebensformen. Die
Kirche tat hier einen mutigen Schritt, auch einen der Stärke.
Musica Sacra passte ins Bild. Jetzt wird es wieder zum Trugbild.