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nmz-archiv
nmz 2005/05 | Seite 42
54. Jahrgang | Mai
Bücher
Musik, Bewegung, Sprache, Kunst
Eine Neuerscheinung gibt Mut zu neuen Wegen in der Ganztagsschule
Johanna Metz/Regina Pauls: Eine ganz
andere Ganztagsschule – eine Schule neu erfinden –
eine Schule begegnet den Künsten. Leipzig, Rahn Dittrich
Gruppe 2004, 54 S., Abb., zu beziehen bei: Rahn Dittrich Gruppe,
Kochstraße 24 a, 04275 Leipzig, Tel.: 0341/393 90, Fax 0341/393
91 11 E-Mail: info@rahndittrich.de,
www.rahndittrich.de
Ganztagsschulen sind in aller Munde; auch der musikalischen Förderung
von Kindern in Tageseinrichtung und Schule wird seit einiger Zeit
wieder ein vermehrtes Interesse entgegengebracht, wie Projekte der
Bertelsmann Stiftung oder des „Club of Rome“ bezeugen.
Praxis-Konzepte und -erfahrungen mit Musik an der Schule können
vor diesem Hintergrund wichtige Orientierungshilfen bieten. Die
Freie Grundschule „Clara Schumann“, eröffnet 1997
in Leipzig von der gemeinnützigen Schulgesellschaft Dr. P.
Rahn & Partner, wird hier in einer dokumentarischen Schrift
von Regina Pauls und Johanna Metz, die die Konzeptentwicklung und
wissenschaftlich-künstlerische Begleitung dieses Schulprojektes
übernommen haben, vorgestellt.
Die beiden Autorinnen, beide tätig im Bereich der Elementaren
Musikpädagogik an der Leipziger Musikhochschule, akzentuieren
besonders die Elementare musikalische Bildung, die auch den künstlerischen
Grundansatz an der Schule prägt: Die Verbindung von Musik,
Bewegung, Sprache und Bildender Kunst, die ästhetische Offenheit,
das improvisierende Gestalten mit Körper, Stimme, Perkussion
und vielfältigsten Materialien bieten Anhaltspunkte für
die Arbeit im Unterricht und in den Arbeits- und Interessengemeinschaften.
Neben den herkömmlichen Schulfächern kann das Kind Instrumentalunterricht
zu allen Zeiten des Schultages belegen, erhält es Chor- beziehungsweise
Stimmbildungsunterricht, stehen Bewegung und Tanz, Orff-Spielkreis,
Sprechen und darstellendes Spiel bis hin zum Musiktheater zur Wahl.
Dies alles wird ermöglicht durch eine Vielzahl räumlicher
und organisatorischer Kooperationen. Insbesondere sollen die Kinder
auch von der Kulturgeschichte Leipzigs profitieren, ist doch die
Schule in einem Wohnhaus Robert und Clara Schumanns beheimatet!
Die zentrale Stellung der Musik an dieser Schule wird mit ihren
besonderen Möglichkeiten legitimiert: Sie durchdringt den ganzen
Körper, beansprucht verschiedenste Bereiche des Gehirns, kann
Glücksgefühle und Wohlbefinden auslösen, indem sie
die Hormonausschüttung stimuliert, und verheißt Wirkungen
auf Lern- und Sozialverhalten ebenso wie auf Intelligenz und Befindlichkeit.
Doch ist nicht nur die Vielfalt der Angebote und der künstlerischen
Fördermöglichkeiten entscheidend für das Selbstverständnis
der Schule. Ebenso wichtig sind die pädagogischen Prinzipien,
die die Autorinnen explizieren: Die Schule versteht sich als „Lernende
Schule“ und will lebensnah, regional vernetzt, selbständig
und experimentierfreudig sein. Im Zentrum des im Letzten ergebnisoffenen
Lernens steht die Kreativität der Kinder. Ihr wird vor dem
Hintergrund der gesellschaftlichen Umbrüche und der negativen
Begleiterscheinungen der Medienpräsenz eine besondere Rolle
für den Umgang mit Ausdruck und Emotion beigemessen. Durch
Ausprobieren und Entdecken in Situationen mit „sachbedingter
Verlockung“ statt „reguliertem Lernschnellweg“
sollen die kreativen Potentiale der Kinder herausgefordert werden.
Lerngegenstände werden auf ihre sinnlichen, emotionalen und
kognitiven Qualitäten hin erkundet; Spiel und Humor stehen
gleichwertig neben Üben und dem Wunsch nach Präzision.
Daneben wird auch die Bedeutung von Freiräumen für Ruhe,
Muße und Langsamkeit betont.
Zwei Stunden des Wochenplanes entfallen auf die individuelle Förderung
der Kinder gemäß den jeweils eigenen Lernpräferenzen
und Begabungen. Eine psychologische Beratungsstelle „für
Potentialanalyse und Begabtenförderung“ steht Erwachsenen
und Kindern offen und sucht mit ihnen nach Wegen optimaler Förderung.
Hier pädagogisch tätig zu sein, erfordert das Einbringen
eigener künstlerischer Fähigkeiten ebenso wie die Bereitschaft,
sich für die Schulentwicklung einzusetzen. Wenngleich Effekte
der Arbeit an der Freien Grundschule „Clara Schumann“
noch nicht durch exakte Evaluationen belegt werden können,
verweisen die Autorinnen doch auf die positiven Erfahrungen: Lust,
Neugier, Frageverhalten und Interessen der Kinder hätten sich
positiv entwickelt, die meisten Kinder nehmen das Angebot des Instrumentalunterrichts
wahr, die Gruppenintegration wird hervorgehoben. Die Publikation
kann Mut machen, neue Wege zu erproben, und lädt zu Diskussion
und Nachdenken über Schule ein.