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nmz-archiv
nmz 2005/05 | Seite 25
54. Jahrgang | Mai
Verbandspolitik
Kontinuität in neuer Organisationsstruktur
Der Präsident des Bayerischen Musikrates, Wilfried Anton,
im Gespräch
„Musik in Bayern“: Unter diesem ebenso schlichten wie
allumfassenden Motto präsentiert sich der Bayerische Musikrat
(BMR) seit Januar im Internet. Grund für den Relaunch ist die
Umstrukturierung des Verbandes im Zuge der Gründung einer gemeinnützigen
Projekt-GmbH. Darüber und über aktuelle Entwicklungen
in der bayerischen Musiklandschaft sprach Juan Martin Koch mit dem
BMR-Präsidenten Wilfried Anton.
neue musikzeitung: Die gemeinnützige GmbH,
in der die Projekte des BMR zusammengefasst sind, besteht seit Anfang
des Jahres. Welche neue Organisationsstruktur und Arbeitsweise ergibt
sich dadurch? Wilfried Anton: Die Organisationsstruktur sieht
so aus, dass das Präsidium des Bayerischen Musikrates im Auftrag
seiner Mitglieder die Gesellschafterrechte in der Bayerischer Musikrat
gemeinnützige Projektgesellschaft mbH wahrnimmt. Im Gesellschaftsvertrag
dieser gGmbH sind die drei Organe der Gesellschaft festgelegt –
die Gesellschafterversammlung, der Aufsichtsrat und die Geschäftsführung.
Das Ensemble „A capella
bavarese“ vor der Musikakademie Schloss Alteglofsheim,
Austragungsort des Bayerischen Chorwettbewerbs im November
2005, eines der Projekte des Bayerischen Musikrates. Foto:
Musikakademie
nmz: Besteht, ähnlich wie beim Dachverband,
dem Deutschen Musikrat, nicht die Gefahr, dass aus dieser Umstrukturierung
starke Projekte und ein schwacher Verein hervorgehen? Anton: Diese Gefahr besteht nicht. Aufgrund der
von der Delegiertenversammlung des Bayerischen Musikrates verabschiedeten
Satzungsänderung und der damit einhergegangenen Beauftragung
des e.V.-Präsidiums mit der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte
bildet das BMR-Präsidium zugleich die Gesellschafterversammlung.
Darüber hinaus regelt der Gesellschaftsvertrag, dass der e.V.
der Alleingesellschafter der gGmbH ist. Außerdem ist in diesem
Vertrag festgelegt, dass im Aufsichtsrat die qualifizierte Mehrheit
der vom Gesellschafter entsandten Mitglieder zu gewährleisten
ist, wobei unter diesen zwingend der Präsident und der Vizepräsident
sein müssen. Bei der konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrates
wurden überdies Präsident und Vizepräsident zum Vorsitzenden
beziehungsweise stellvertretenden Vorsitzenden der Projekt-GmbH
gewählt. So ist eine unmittelbare Verbindung zwischen dem e.V.
und der gGmbH sichergestellt. Im Übrigen kann man die Verhältnisse
beim Deutschen Musikrat nicht ohne Weiteres mit jenen beim Bayerischen
Musikrat gleichsetzen. Dort sind für die GmbH und den e.V.
jeweils unterschiedliche ministerielle Zuwendungsgeber zuständig
– unser Geld kommt aus einer Hand. In diesem Zusammenhang
gilt mein ausdrücklicher Dank unserem Staatsminister Dr. Thomas
Goppel, der sich mit Nachdruck für die Kulturfinanzierung durch
die öffentliche Hand auch in Zeiten knapper Kassen energisch
einsetzt.
nmz: Was bedeutet die Umstrukturierung personell?
Wie sind die Bereiche in der Geschäftsstelle verteilt? Anton: An unserer Personalsituation hat sich nichts
geändert, das heißt wir haben nach wie vor unsere vielfältigen
Aufgaben mit einer dünnen Personaldecke zu erfüllen. Die
Zuständigkeiten für die jeweiligen Arbeitsbereiche sind
dieselben, da sich deren Inhalte ja nicht verändert haben.
Lediglich formal wird ein Bereich der Verbands-, ein anderer der
Projektarbeit zugeordnet. Die Durchführung unserer Jahresarbeitstagungen
beispielsweise sind Verbandsaufgabe, jene der Dirigierkurse Projektarbeit.
nmz: Auch die Öffentlichkeitsarbeit des
BMR hat sich gewandelt. Anstelle der nmz-Präsenz und der eingestellten
„bmr-correspondenz“ haben Sie mit der Webseite „www.musik-in-bayern.de“
den Internetauftritt des BMR erneuert. Eine Sparmaßnahme? Anton: Die ökonomische Optimierung war ein
Kriterium für die Entscheidung unseres Präsidiums, ab
2005 von einer gedruckten „bmr-correspondenz“ abzusehen,
welche über die reinen Herstellungskosten hinaus zusätzliche
Versandkosten in nicht unerheblichem Maß nach sich gezogen
hat. Ein zweiter Gesichtspunkt war auch die Aktualität –
wir können jetzt wesentlich rascher Informationen an unsere
Mitgliedsverbände und überhaupt an alle musikalisch Interessierten
kommunizieren, als dies mit einer vierteljährlich erscheinenden
gedruckten Zeitschrift möglich ist. Hinzu kommt, dass wir im
Internet auch wesentlich mehr Informationen unterbringen und damit
veröffentlichen können, als auf vier DIN A4-Seiten wie
früher passen.
nmz: Der BMR hat ja einen traditionell guten
Draht zu den zuständigen Ministerien und konnte in der Vergangenheit
immer wieder wegweisende politische Entscheidungen mit herbeiführen.
Sind Sie, was die laufenden Diskussionen zur Ganztagsschule und
zu Stundentafeln angeht, optimistisch? Anton: Wir sind insoweit optimistisch, als ja das
Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit
dem Bayerischen Musikrat und dem Bayerischen Landes-Sportverband
in Kürze einen Rahmenvertrag unterzeichnen wird, welcher die
Beiträge von Mitgliedern aus Sport- und Musikverbänden
im Rahmen der Ganztagesbetreuung regeln wird. Hinsichtlich der Stundentafeln
ist es dem Bayerischen Musikrat gelungen, für das achtstufige
Gymnasium eine Stärkung des Schulfachs Musik herbeizuführen.
nmz: Wie ist der Stand bei der Initiative „Kulturservice
Bayern“ zur Kooperation von Kulturschaffenden mit den Schulen? Anton: Die Initiativen des Kulturservices Bayern
führten dazu, dass auf kommunaler Ebene, insbesondere in München,
Nürnberg, Hof oder Coburg, erfreulich viele Kooperationen zwischen
professionellen Künstlern und allgemein bildenden Schulen angelaufen
sind. Natürlich sollten diese regionalen Aktivitäten gebündelt
und in eine Landesstelle für Musik und kulturelle Bildung übergeführt
werden, wie dies für den Sport mit seiner Landesstelle für
den Schulsport schon seit Jahrzehnten selbstverständlich ist.
nmz: Mit drei Musikakademien hat der Freistaat
drei üppige Aushängeschilder für die musikalische
Bildung, wobei die jüngste in Alteglofsheim eine gewisse Anlaufphase
brauchte, um sich inhaltlich zu profilieren. Wo sehen Sie deren
Schwerpunkte in den kommenden Jahren? Anton: Von „Üppigkeit“ kann hinsichtlich
der Ausstattung der Bayerischen Musikakademien nicht die Rede sein,
zumal auch hier Tendenzen verschiedener Zuwendungsgeber bestehen,
sich aus der Mitfinanzierung zu verabschieden. Und die Bayerische
Musikakademie Schloss Alteglofsheim hat durchaus ihr Profil gefunden
und sich erfolgreich positioniert. Die Arbeitsschwerpunkte für
die kommenden Jahre werden – wie bisher auch – auf den
Fortbildungsprogrammen für das Laienmusizieren liegen. Ich
erwarte mir aber auch eine stärkere Einbindung der Akademien
in die Fortbildung sowohl für das Erziehungspersonal an Kindertagesstätten
als auch für musikpädagogisch geeignete Kräfte im
Hinblick auf die Ganztagesbetreuung. Ohnehin sollte die Lehrerfortbildung
auch in den Akademien eine stärkere Rolle spielen, zumal inzwischen
die übrigens hervorragend arbeitende Akademie für Lehrerfortbildung
in Dillingen so sehr nachgefragt ist, dass sie sich auf Multiplikatorenfortbildung
konzentrieren muss und weniger Kapazitäten für den einzelnen
Schulmusiker hat. Hier könnten die Musikakademien in die Bresche
springen, wobei zusätzlich darüber nachgedacht werden
sollte, derartige Kurse als Bestandteile beruflicher Weiterbildung
im Zuge des Bologna-Prozesses akkreditieren zu lassen.
nmz: Die musikalische Hochschulausbildung in Bayern
steht vor gravierenden Umstrukturierungen. Eine Schlüsselfrage
ist dabei die Zukunft der Hochschule Nürnberg-Augsburg, deren
Trägerschaft von einem Zweckverband zum Jahresbeginn 2006 in
staatliche Hände überführt sein soll. Welche Position
vertritt der BMR bezogen auf neu zu setzende Schwerpunktbildungen? Anton: Wir wollen die Ausbildungsstandorte erhalten,
sind jedoch der Überzeugung, dass nicht an jeder Hochschule
auch alle Fächer angeboten werden müssen. Auch befürworten
wir jene Überlegungen, die darauf zielen, den Studienverlauf
zu straffen und dadurch das Studium zu verkürzen. Nicht nur
als Präsident des Bayerischen Musikrates, sondern auch als
Intendant eines Sinfonieorchesters erlebe ich es immer wieder, dass
unsere Hochschulgänger im internationalen Vergleich zu alt
sind und oft auch qualitativ nicht mithalten können. Daher
legen wir Wert auf eine praxisnahe Ausbildung, ohne unnötige
Doppelungen von Lehrinhalten und insbesondere auch auf eine institutionell
übergreifende Anerkennung gleichwertiger Prüfungsleistungen.
nmz: Konnten Sie bezüglich der von Schließung
bedrohten Berufsfachschule Altötting etwas erreichen? Anton: Der Bayerische Musikrat hat sich umgehend
der Angelegenheit angenommen, als uns im Dezember 2004 die ersten
Nachrichten über die drohende Schließung erreicht haben.
In einem Brief an den Vorsitzenden des Rechtsträgers, H.H.
Bischof Schraml, haben wir auf die Unverzichtbarkeit der bundesweit
einzigartigen Berufsfachschulen für Musik hingewiesen, die
durch ihre Ansiedelung außerhalb der Großstädte
den Grundsatz der bayerischen Kulturförderung von Regionalisierung
und Dezentralisierung umsetzen und über die musikalische Wissensvermittlung
hinaus zu kulturellen Kristallisationspunkten ihrer Region geworden
sind. Nachdem seitens des kirchlichen Rechtsträgers keine Veränderung
der Position erkennbar wurde, haben wir Ende Januar die zuständigen
Landtagsabgeordneten eingeschaltet und schließlich Ende Februar
Herrn Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber gebeten, von höchster
staatlicher Stelle bei den zuständigen kirchlichen Entscheidungsträgern
darauf hinzuwirken, den Kündigungsbeschluss noch einmal zu
überdenken, um gegebenenfalls auch im Zusammenwirken mit dem
Bezirk Oberbayern zu einer zukunftsfähigen Lösung zu gelangen.
In seiner Sitzung vom 14. April 2005 hat sich nun der Ausschuss
für Bildung, Jugend und Sport im Bayerischen Landtag mit einem
Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion befasst, den Betrieb der Berufsfachschule
auch über den 30. Juli 2006 hinaus sicher zu stellen. Auf Veranlassung
der CSU-Fraktion wurde beschlossen, die Staatsregierung aufzufordern,
sich um den Fortbestand dieser Bildungseinrichtung zu bemühen.
Erfreulich sind auch die regionalen Initiativen vor Ort, die in
einem neu gegründeten Trägerverein, in dem auch die Stadt
und der Landkreis Altötting vertreten sind, eine Verdoppelung
ihres bisherigen Förderbetrages in Aussicht gestellt haben.
Es bleibt zu wünschen, dass auch der Bezirk Oberbayern als
dritte kommunale Kraft dem Beispiel von Stadt und Landkreis folgt
und sich zumindest im bisherigen Umfang an der Finanzierung des
neuen Trägervereins beteiligt.
nmz: Ein anderes alarmierendes Thema war die Auflösung
des Münchner Rundfunkorchesters. Gibt es hier neue Lösungsansätze? Anton: Diese Frage kann Ihnen nur der Intendant
des Bayerischen Rundfunks beantworten. Der Bayerische Musikrat hat
seine Möglichkeiten der Einflussnahme jedenfalls voll ausgeschöpft.