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nmz-archiv
nmz 2005/06 | Seite 33
54. Jahrgang | Juni
Deutscher Kulturrat
Die Ausnahme ist die Regel
Zuwendungsrecht und Zuwendungspraxis · Von Gabriele Schulz
In seiner Stellungnahme „Bürgerschaftliches Engagement
in der Kultur stärken! – Rahmenbedingungen für bürgerschaftlich
Aktive verbessern“ aus dem Jahr 2003 fordert der Deutsche
Kulturrat die vermehrte Ausschöpfung der Ermessensspielräume
im Zuwendungsrecht durch den Zuwendungsgeber sowie Veränderungen
im Zuwendungsrecht, um das bürgerschaftliche Engagement zu
stärken. Die Vorschläge des Deutschen Kulturrates fanden
unter anderem Eingang in ein Positionspapier des Bundesnetzwerkes
Bürgerschaftliches Engagement „Bürgerschaftlich
Engagierte unbürokratisch fördern“.
Im Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) arbeiten
circa 180 Verbände und Organisationen aus den verschiedensten
Bereichen der Zivilgesellschaft von der Wohlfahrtspflege, den Kirchen,
den Gewerkschaften, den Naturschutzverbänden, der Selbsthilfe,
den Jugendeinrichtungen bis zum Kulturbereich zusammen. Neben dem
Austausch untereinander zielt die Arbeit des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches
Engagement darauf ab, die Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches
Engagement zu verbessern.
Im April dieses Jahres veranstaltete das BBE zusammen mit dem Bundesverwaltungsamt
(BVA) in Köln eine Tagung, um auszuloten, welche Veränderungen
auf welchem Weg im Zuwendungsrecht umgesetzt werden können.
Zuvor hatte das BBE bereits ein Gespräch mit dem Bundesministerium
des Innern geführt.
Das BVA ist eine nachgeordnete Bundesbehörde. Es ist Dienstleister
für verschiedene Bundesministerien. Unter anderem reicht das
BVA im Auftrag verschiedener Ministerien, so etwa dem BKM und dem
BMFSFJ, Zuwendungen aus und prüft die Verwendungsnachweise.
Das BVA präsentierte sich in der Diskussion mit den anwesenden
Vertretern aus den Reihen des BBE als eine moderne Dienstleistungsbehörde.
Im Mittelpunkt der Betrachtung standen Zuwendungen aus dem Bereich
des BMFSFJ, die auf Grund der Vorgaben des Kinder- und Jugendplans
des Bundes und des Bundesaltenplans eine relativ hohe Regelungsdichte
und Verbindlichkeit haben.
Der zuständige Referatsgruppenleiter stellte gleich zu Beginn
klar, wofür das BVA nicht zuständig ist, nämlich:
Lockerung des Jährlichkeitsprinzips
Veränderung hinsichtlich der Verwendungsfrist von zwei
Monaten
Vorgabe der Finanzierungsarten hinsichtlich institutioneller
und Projektförderung
Definition zuwendungsfähiger Ausgaben.
Zuständig ist das BVA für:
Zügige Sachbearbeitung unter Berücksichtigung der
jeweiligen Besonderheiten beim Zuwendungsempfänger
Gestaltung von Abrufmodalitäten im Rahmen der Zwei-Monats-Frist
zeitnahe Prüfung des Verwendungsnachweises
Beratung hinsichtlich der Beachtung von Rechtsvorschriften
Ermessensausübung im Rahmen der jeweiligen Vorschriften.
Der letztgenannte Punkt, die Ermessensausübung im Rahmen
der jeweiligen Vorschriften, war der Dreh- und Angelpunkt der sehr
anregenden Diskussionen über den gesamten Tag hinweg. Bei fast
allen Problemen, die von Zuwendungsempfängern geschildert wurden,
wurde entweder darauf verwiesen, dass sie nicht in die Zuständigkeit
des BVA fallen oder aber im Rahmen des Ermessens ohnehin alles zum
Besten des Zuwendungsempfängers geregelt würde. Dabei
war unmissverständlich klar, wer die Regelungskompetenz besitzt,
nämlich das BVA als Zuwendungsgeber und wer sich nach den Regeln
zu richten hat, nämlich der Zuwendungsempfänger. Ebenso
deutlich wurde, dass es für fast jede Regel eine Ausnahme gibt,
so dass der Eindruck entstand, die Ausnahme sei die Regel.
Zuwendungen werden recht grob in den §§ 23 und 44 der
Bundeshaushaltsordnung (BHO) beschrieben. Im einschlägigen
Kommentar zur Bundeshaushaltsordnung, der unter anderem vom ehemaligen
Leiter der Abteilung Kultur im Bundesministerium des Innern dem
inzwischen verstorbenen Dr. von Köckritz begründet wurde,
ist nachzulesen, dass Zuwendungen in der Haushaltspraxis eine große
Bedeutung haben, da die Bundesbehörden hierüber die Möglichkeit
haben, politische Akzente zu setzen.
Ebenso klar wird in diesem Kommentar formuliert, dass auf Grund
einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die Verwaltung einen
weiten Auslegungsspielraum besitzt und eine Rechtsprechung weitgehend
fehlt. Die fehlende Rechtsprechung rührt zum Einen daher, dass
Rechtsstreitigkeiten innerhalb der staatlichen Seite, also etwa
zwischen Ministerien und dem Rechnungshof nicht ausgetragen werden
können, da es sich um unzulässige „Insichprozesse“
handeln würde und dass Zuwendungsempfänger es tunlich
unterlassen zu klagen, da sie zumeist auf staatliche Förderung
angewiesen sind und daher alles vermeiden, was das Verhältnis
belasten könnte.
Diese eindeutigen Worte, die im Kommentar zum Zuwendungsrecht Köckritz
et alii nachgelesen werden können, kennzeichnen das Verhältnis
zwischen Zuwendungsgeber und Zuwendungsnehmer: Der Zuwendungsgeber
hat das Sagen, der Zuwendungsnehmer nimmt hin.
Dieses wird auch darin deutlich, wenn mit Stolz verkündet
wird, dass Spenden nicht vollständig auf Zuwendungen angerechnet
werden, damit das Interesse beim Zuwendungsempfänger nicht
erlahmt, sich um Spenden zu bemühen. Wie viel Prozent einer
Spende allerdings beim Zuwendungsempfänger verbleiben und wie
viel auf die Förderung angerechnet wird, liegt wiederum im
Ermessen des Zuwendungsgebers.
Dieses aus meiner Sicht ungleiche Verhältnis war auch bei
dem sehr offenen und freundlichen Gespräch des BBE mit dem
BVA bestimmend. Ohne Zweifel ist das BVA bestrebt, ein moderner
kundenorientierter Dienstleister zu sein, der Informationen schnell
weiterreicht und seine Vorgänge zügig bearbeitet. Selbstverständlich
haben sich die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
eine große Kompetenz in ihrer beruflichen Praxis angeeignet.
Was aber fehlt, ist ein Verständnis für die grundsätzlich
unterschiedliche Herangehensweise an Zuwendungen zwischen Zuwendungsgeber
und Zuwendungsnehmer. Für den Zuwendungsnehmer steht der Inhalt
im Vordergrund, um diesen zu verfolgen, nutzt er mangels eigener
Mittel Zuwendungen. Für den Zuwendungsgeber steht das Recht
im Vordergrund, innerhalb der Gestaltungsräume, die das Recht
lässt, werden die Zuwendungen ausgereizt.
Da der Zuwendungsgeber zahlreiche Möglichkeiten besitzt, im
Rahmen des geltenden Rechts nach seinem Ermessen zu entscheiden,
wird auch nicht die Notwendigkeit gesehen, grundsätzliche Veränderungen
vorzunehmen. Wenn es in der Anwendung des Zuwendungsrechts hakt,
liegt es allein am Zuwendungsempfänger. Schulungen sollen dann
Abhilfe schaffen. Auch wenn diese sicherlich wünschenswert
sind, sollte von Seiten der Zivilgesellschaft nicht nachgelassen
werden, grundsätzliche Veränderungen einzufordern.