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Ausgabe 2005/06
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nmz 2005/06 | Seite 17
54. Jahrgang | Juni
Hochschule

Künstlerische Qualität allein genügt nicht mehr

Music Career Development – der britische Weg in den Arbeitsmarkt · Von Kathrin Hauser-Schmolck

Für Musikstudenten ist es ist ein steiniger Weg von der Hochschule auf den Arbeitsmarkt. Immer mehr ausgebildete Musiker finden immer weniger feste Stellen. Während hier der Strukturwandel erst eingesetzt hat, hat der Arbeitsmarkt in Großbritannien schon seit Jahren ein anderes Gesicht: Rund die Hälfte aller Musiker üben mehrere verschiedene, meist freischaffende Tätigkeiten aus und die Hochschulen fühlen sich verpflichtet, ihre Studenten auf diese facettenreiche Arbeitswelt vorzubereiten. Music Career Development – an britischen Hochschulen eine Selbstverständlichkeit, in Deutschland neues Terrain.Die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main hat nun erstmals ein solches Pilotprojekt als studienbegleitendes Kompaktseminar mit kleinen Gruppen und individueller Betreuung angeboten. Ziel ist es, die Mechanismen des Musikbetriebs verstehen zu lernen und auch die unternehmerische Selbständigkeit der Musiker zu stärken. Das Thema ist hochaktuell: Auf Initiative des Royal College of Music und des Netzwerks Music Career Development Officers fand erstmals in Europa im April in London ein internationales Symposium statt. Mit Susan Sturrock (Managerin des Woodhouse Centre am Royal College of Music in London) und George Caird (Präsident des Birmingham Conservatoire und Generalsekretär der Association Européen des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen) sprach Kathrin Hauser-Schmolck.

James Murphy, im Woodhouse Centre zuständig für Promotion und Marketing, bei der Arbeit mit einer Musikerin. Foto: Ben Rice

James Murphy, im Woodhouse Centre zuständig für Promotion und Marketing, bei der Arbeit mit einer Musikerin. Foto: Ben Rice

neue musikzeitung: Auch britische Hochschulabsolventen werden nicht alle als Solisten oder Orchestermusiker arbeiten können, die Zahl der freien Stellen reicht dazu bei weitem nicht aus. Was passiert mit ihnen?
George Caird: Wenige werden eine einzige Einnahmequelle haben. Wir beobachten, dass eine wachsende Anzahl von Musikern – und das wird vermutlich eines Tages die Mehrzahl sein – eine Portfolio-Karriere einschlagen. Das heißt, sie arbeiten in vielfältigen Bereichen, um ihre Existenz zu sichern: als Bühnenkünstler, in der Administration, im Musikjournalismus, sie unterrichten oder engagieren sich in der „community music“, das können konventionelle Konzerte sein, aber auch interaktive Musikaktionen in unkonventionellem Rahmen. Dann gibt es Musikproduktionen, CD-Aufnahmen in diversen Orchesterprojekten…

Portfolio-Karrieren im Trend

Susan Sturrock: Denn es ist viel zu tun für freiberufliche Orchestermusiker, aber es gibt nur wenige Orchester mit Festanstellungen.

nmz: Welche Anforderungen muss man Ihrer Einschätzung nach heute erfüllen, um in diesem facettenreichen Markt zu bestehen?
Susan Sturrock: Es gibt ein ganzes Bündel von Anforderungen. Zualler- erst müssen Sie natürlich ein hervorragender Musiker sein. Dazu kommt eine große Kenntnis der „Szene“: Sie müssen wissen, wie Musik komponiert ist, welche Stile es gibt, wie Musik in der Vergangenheit aufgeführt wurde, welche Aufnahmen auf dem Markt sind oder waren. Sie müssen auch wissen, wie die neuen Medien funktionieren. Das alles ist mindestens so wichtig wie gut zu spielen. Sie müssen Eigeninitiative und unternehmerisches Denken entwickeln, Sie müssen in der Lage sein, sich kontinuierlich selbst Arbeit zu suchen, Projektpartner zu finden oder auch zu wissen, wie ein Projekt finanziert werden kann.
George Caird: Wir als Hochschule müssen unsere Studenten trainieren, den neuen Anforderungen der Arbeitswelt gewachsen zu sein, aktiv zu werden und nicht zu warten, bis ein Angebot ins Haus flattert. Neben den selbstverständlichen Kernkompetenzen, etwa dass ein Sänger in verschiedenen Sprachen singen oder sich auf der Bühne bewegen können muss, sind heute die Sekundärkompetenzen wichtiger denn je: Zur guten schriftlichen und mündlichen Ausdrucksfähigkeit, zum pädagogischen Geschick kommen hier auch die Kenntnisse des Musikgeschäfts und den zugehörigen Mechanismen.

nmz: Bieten Sie Kurse an? Wie vermitteln Sie neben den Kern- auch diese Sekundärkompetenzen? Zur Förderung der Eigeninitiative kann es ja nicht in Ihrem Interesse sein, den Studenten fertige Karrierepläne vorzulegen.
Susan Sturrock: Das stimmt. Wir geben zwar, und das gilt für Studienanfänger genauso wie für Studenten kurz vor dem Abschluss, eine Menge praktischer und individueller Hilfe – das geht von Künstlerbroschüren, PR-Material, Finanzen, Business-Plan bis zur eigenen Adressdatenbank – wir versuchen aber, den Studenten nicht das fertige Material in die Hände zu legen. Neben den Seminaren finden sehr viele Einzelberatungsstunden statt, in denen wir individuell auf die Studenten eingehen können, um zum Beispiel Bewerbungsschreiben für Jobs oder Stipendien zu üben, Vorstellungsgespräche zu simulieren und vieles mehr. Zusätzlich arrangieren wir für unsere Studenten regelmäßig im Royal College of Music Auditions der großen Orchester und Opernhäuser. Und wir organisieren individuelle Praktika in den unterschiedlichsten Bereichen des Musikmanagements.

George Caird: Auch wir versuchen die Musikstudenten des Birmingham Conservatoires mit so genannten übertragbaren Kompetenzen auszustatten und unternehmerisches Denken, Kommunikations- und Verhandlungstechniken zu fördern, damit sie Netzwerke bilden, Teamarbeit lernen und Führungsfunktionen übernehmen. Wir haben dieses Training in das Musik- beziehungsweise Instrumentalstudium integriert, so dass wir nicht zeitintensiv für jede einzelne Kompetenz einen Kurs anbieten müssen. So versuchen wir beispielsweise in einem Kurs zum Thema Musikgeschichte zu zeigen, wie bei der Planung einer Präsentation die verschiedenen Phasen von Projektmanagement und Zeitmanagement ebenso wichtig sind wie die Fähigkeiten der Kommunikation und Selbstpräsentation.

nmz: Gibt es eine Erfolgskontrolle für diese übertragbaren Kompetenzen?
George Caird: Nicht explizit. Das Training von Kommunikationsfähigkeit etwa ist in die Kurse integriert und die Bewertung findet so indirekt statt. Einen Kurs gibt es allerdings, der auch benotet wird: das Professional Development. Uns ist die Anerkennung und Wertschätzung der unternehmerischen Selbstständigkeit und Kreativität sehr wichtig. Wir glauben auch, die übertragbaren Kompetenzen, da sie in die allgemeinen Hochschulkurse integriert sind, auf eine sehr effektive Art testen zu können. Die Fähigkeiten müssen innerhalb der Kurse demonstriert werden. Wir fühlen uns verpflichtet, dass jeder Student, der zu uns an die Hochschule kommt, davon profitiert und einen Überblick über seine zukünftigen Tätigkeiten bekommt.

nmz: Wer leitet denn solche speziellen Kurse? Externe Tutoren aus der Welt der Musikwirtschaft? Integrieren Sie auch in einer Art Alumni-Programm ehemalige Studenten, die wertvolle Rückmeldungen geben können?
George Caird: Und ob. Externe Kräfte ist die eine Seite. Die andere ist das Alumni-Programm. Das ist eine Revolution! Das Birmingham Conservatoire beginnt gerade erst, daran systematisch zu arbeiten. Unsere Alumni-Gesellschaft mit ungefähr 500 Mitgliedern gibt eine Zeitschrift heraus, ehemalige Studenten, die heute in interessanten Positionen sind, schreiben Artikel, und wir sammeln große Mengen an Information, was unsere Alumni heute tun, welche Art von Kursen sie als hilfreich für ihre Arbeit empfinden würden et cetera.
Susan Sturrock: Wir glauben, dass es keinen klaren Schnitt zwischen Studierenden und der Profilaufbahn gibt. Daher gilt unser Service auch für ehemalige Studenten. Die eigentliche Prüfung für Musiker beginnt meist erst nach Studienende, und so widmen wir ungefähr 40 Prozent unserer Arbeitszeit den Alumni.

Ein professioneller Service

nmz: Susan Sturrock, am Woodhouse Centre sind Sie ganz hervorragend ausgestattet: Sie haben sieben Mitarbeiter.
Susan Sturrock: Das ist wunderbar, ja. Manche aus dieser Crew haben im College auch andere Verantwortungsbereiche. So arbeiten die Marketing- und Promotionsmanager des College auch für das Woodhouse Centre. Das heißt, sie stehen gleichzeitig den Studenten und Alumni zur Verfügung, die Rat für ihr eigenes Marketing suchen. Das ist ein professioneller Service und nicht nur eine Unterrichtseinheit. Herausstellen möchte ich auch, dass wir die Zeit haben, die Studenten individuell zu beraten. Es gibt Studenten, die ich über einen Zeitraum von einem Jahr jede Woche zu einer Beratungsstunde sehe. Viele Studenten kommen schon mit 18 Jahren an die Hochschule und glauben, dass Sie ihren Lebensunterhalt zu hundert Prozent als Solist verdienen können. Aber es gibt im Musikgeschäft einfach nicht Arbeit für jeden, der es verdient hätte. So müssen wir diesen Studenten Orientierungshilfe geben. Wir informieren über alternative Laufbahnen im Musikgeschäft, auch in Zusammenarbeit mit dem Careers Office des Imperial College, einem London University College, gleich nebenan. Was wir versuchen ist, mit jedem Studenten entsprechend seiner Persönlichkeitsstruktur seinen individuellen Weg zu entwickeln.

nmz: Wir sprechen über ein Thema, das auch in Deutschland immer mehr an Brisanz gewinnt. Seit wann machen Sie das, wann haben britische Musikhochschulen begonnen, dieses Thema der professionellen Karriereentwicklung anzugehen?
Susan Sturrock: Alle Musikhochschulen hier haben das zwar auf unterschiedliche Weise getan, aber mit der Gründung des Woodhouse Centre 1999 war das Royal College of Music die erste Hochschule in Großbritannien mit einem eigenen systematischen Career Centre. Die ersten zwei, drei Jahre lang wurde das durch ein Vermächtnis einer Stiftung ermöglicht, dem Paul Woodhouse Trust, nach dem das Centre benannt ist. Heute trägt das Royal College of Music das Woodhouse Centre auch finanziell.

nmz: Die Kompetenzen, an deren Vermittlung Sie arbeiten: Sehen Sie die speziell auf den Britischen Profimusikermarkt zugeschnitten?
Susan Sturrock: Nein. Das sind universale Qualitäten. Ich habe immer daran geglaubt, dass Musikerkompetenzen vielfältig einsetzbar sind, nicht nur in den traditionellen Musikerberufen als Bühnenkünstler. Genauso wichtig sind sie in Schulen, in der community-music, in allen Facetten des Musikmanagement. Das sind alles erfüllende Berufe, die nichts damit zu tun haben, als Musiker versagt zu haben. Alle unsere Studenten lieben die Musik und haben extrem viel in die Musik investiert. Die Hochschulen haben die Pflicht, den Studenten das Rüstzeug zu geben, dass sie in einer sich verändernden Welt der Musik auch finanziell existieren können.

 

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