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nmz-archiv
nmz 2005/06 | Seite 15
54. Jahrgang | Juni
Musikwirtschaft
Medienvergangenheit ist die Zukunft des Pop
Kongress „Zukunft des Pop 2005“ und Frühjahrsmeeting
der Musikbranche in Mannheim
Erstmals veranstaltete die Popakademie Baden-Württemberg
das pop-forum in ihren neuen Räumlichkeiten. Auch in Zukunft
soll das Frühjahrsmeeting der Pop-Musikbranche in Mannheim
seine feste Heimat finden. Institutsleiter Udo Dahmen baut damit
sein in Deutschland einzigartiges Institut einer Popakademie weiter
aus und macht klar, dass die Popakademie mehr sein will, als eine
poppige Alternative zur Musikhochschule. Sie versteht sich als das
deutsche Kompetenzzentrum für Popkultur und Musikwirtschaft.
So ähnlich könnte
das Studio und auch die Hochschule der Zukunft aussehen.
In real time mit Kollegen auf der ganzen Welt zusammen spielen.
Foto: Popakademie Baden-Württemberg GmbH
Die gesamte Musikwirtschaft war zwar noch nicht anzutreffen, dennoch
ist in den Partnern Südwestrundfunk, Universal Music und Deutscher
Phonoverband oder mit Teilnehmern wie Steinberg Technologies, Sony/BMG
und diversen Konzertagenturen und Consultingfirmen schon mehr als
ein Nukleus für einen umfassenden Branchentreff vorhanden.
Entsteht hier unerwartet die bessere Popkomm? Immerhin werden Themen
wie Tonträger und neue Medien, Studiotechnik und neue Technologien
sowie Ausbildung in musikalischer wie betriebswirtschaftlicher Sicht
nirgends so eng verzahnt wie in Mannheim.
Dass die Theorie die beste Praxis ist, versuchten die Teilnehmer
des tags zuvor stattfindenden vierten Fachkongresses „ZukunftPop“
zu belegen. Experten aus Szene, Wirtschaft, Medien, Politik und
Forschung erarbeiteten neue Ideen und Thesen für die Musikwirtschaft
und die Pop-Ausbildung. „MU:ZONE 2005 Europa rockt zusammen“
hieß das zahlenmäßig am stärksten besuchte
Panel. Das MU: ZONE-Projekt unter der Leitung der Popakademie ist
ein Music Education Exchange Programme im Rahmen des Leonardo da
Vinci Projektes der EU. Die Koordination des im September startenden
europaweiten Austauschprogramms mit 50 Studenten wurde auf dem Kongress
erarbeitet. Ebenso sprach man über „Strategieentwicklung
zur Verbreitung und Gewährleistung der Nachhaltigkeit“.
Das Modewort Nachhaltigkeit, das langsam aber sicher nicht länger
nur für ökonomische, ökologische und politische Themen
steht, sondern sich nachhaltig einen Platz auch im Kulturbereich
erobert hat, beinhaltet hier das Konzept, dem Popnachwuchs aus den
diversen europäischen Partner-Akademien, die in MU:ZONE vereinigt
sind, Zugang zu einem MU:ZONE-Meeting in London zu ermöglichen
und dann im August auf dem Sziget Festival in Ungarn Auftrittsmöglichkeiten.
Das Panel „Schnappi vs. Kettcar“ erörterte Kreativpotenziale
im Zeitalter von Klingeltoncharts und Downloads. Provokante Thesen
sehen in der Beschleunigung und Diversifikation des aktuellen Medienwandels
nicht in erster Linie Gefährdungen von Besitzstand, sondern
neue ästhetische und kommerzielle Chancen. Hier die Thesen
in Kurzform, zusammengefasst vom Medienwissenschaftler und Panelmoderator
Rolf Großmann.
• zu Retrotrends: Die Medienvergangenheit ist ein zentraler
Bestandteil der Zukunft des Pop
• zu Mobile Commerce: Das Handy wird zum Musik-Walkmann-Gameboy
• zur Zukunft des Radios: Das Formatradio muss sich in der
Sendervielfalt und neben Webradios verändern, während
der digitale Rundfunk weiterhin randständig bleibt.
• zu Verwertung und Urheberrecht: Die GEMA bekommt Konkurrenz
• zur Sicherung von Investitionen und Finanzierung von Popmusik:
„Indie(pendent)- und Hollywood-Modus werden zu langfristig
koexistierenden Wertschöpfungsmodellen
• zum kollaborativen Musizieren im Internet: Internet Sessions
ergänzen die reale Studioarbeit.
Das Panel 3, „Pop und Pädagogik – Best Practice“
– zu den Teilnehmern zählten auch Christian Höppner
(Generalsekretär Deutscher Musikrat) und Hans Bäßler
(Bundesvorsitzender VDS) – widmete sich der Positionierung
der Popmusik in Bezug auf den Musikunterricht an allgemein bildenden
Schulen. Wie nicht anders zu erwarten, lautete die zentrale Aussage:
„Populäre Musik gehört in den Kernbereich der musikpädagogischen
Ausbildung.“ Interessant die „Grundgedanken zu einer
innovativen musikpädagogischen Konzeption“ der Hamburger
Musikpsychologin Karin Poppensieker: Alte pädagogische Erkenntnisse
(handlungs- , erlebnis- und erkenntnisorientierter Unterricht) machen
innovative Musikpädagogik erst möglich.
Vorausgesetzt allerdings, dass „konservative Strukturen“
überwunden würden, die „eine längst überfällige
Strukturreform der Curricula für die Kindergärten, die
Schulen und auch die Lehrpläne in der Musiklehrerausbildung“
behinderten.