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nmz-archiv
nmz 2005/06 | Seite 42
54. Jahrgang | Juni
Bücher
Tanz in der Grundschule – ein Rundumblick
Konzepte zur Integration von Tanz im deutschen, britischen und
niederländischen Schulsystem
Corinna Vogel: Tanz in der Grundschule. Geschichte –
Begründungen – Konzepte. (Forum Musikpädagogik,
Bd. 62), Wißner-Verlag, Augsburg 2004, 384 S., Abb., €
39,00, ISBN 3-89639-435-5
Ausgehend von der Frage, ob und wie Tanz in deutschen Grundschulen
berücksichtigt wird, unternimmt Corinna Vogel in ihrer Dissertation
eine Bestandsaufnahme der historischen und aktuellen Stellung des
Tanzes innerhalb der Fächer Musik und Sport und vergleicht
diese mit der Situation an den Grundschulen Großbritanniens
und der Niederlande. Die Ergebnisse münden in ein eigenes Konzept
für kreativen Kindertanz, welches entwicklungspsychologische,
musik- und sportpädagogische Erkenntnisse integriert.
Beginnend mit einer Annäherung an das vielschichtige Phänomen
Tanz und der Abgrenzung des Kindertanzes von verwandten Bewegungskonzepten
wie etwa Gymnastik, Rhythmik und Eurythmie, wird aus historischer
Perspektive die Situation des Tanzes an deutschen Grundschulen von
1400-1990 geschildert. Auf die Beschreibung der allgemeinen Schulsituation
und der Integration von Tanz im Musik- und Sportunterricht folgen
Ansichten von Pädagogen über das Tanzen. Gesellschaftliches
Ansehen von Tanz und gängige Tanzformen der Gesellschaft werden
erläutert und deren Einflüsse auf die allgemein bildende
Schule untersucht. Besondere Aufmerksamkeit gilt in einem Unterkapitel
dem (Turn-)Reigen.
Der Analyse von Lehrplänen, Richtlinien und Schulbüchern
im Hinblick auf Häufigkeit und Vielfalt der Lerninhalte und
–ziele des Lernfeldes Tanz widmet sich das dritte Kapitel.
Leider ist nicht ersichtlich, welchen Umfang das Lernfeld Tanz in
Relation zu anderen Lernfeldern des Musik- und Sportunterrichtes
(zum Beispiel Singen/Musikhören oder Ballspiele/Gymnastik)
einnimmt. In Befragungen von Lehrenden und Schülern wurden
Angaben zur Häufigkeit und Wichtigkeit des schulischen Tanzens
in Relation zu Ausbildung und Alter der Lehrenden, zu Tanzanlässen,
Tanzstilen, Musikauswahl, Tanzaufführungen, Unterrichtsmaterialien
et cetera ermittelt. Teilweise sind die Ergebnisse nicht überraschend.
Hervorhebenswert ist hingegen die Vorstellung unterschiedlicher
Projekte zur Integration von Tanz in der Grundschule wie „mus-e“,
„tanzwerk Bremen“ oder „Landesbüro Tanz NRW“.
Die folgenden Kapitel befassen sich mit Tanz in der britischen
„primary school“ und der niederländischen „basisschool“.
Die Autorin erläutert Besonderheiten des jeweiligen Schulsystems,
inhaltliche Vorgaben der Fächer Musik und Sport sowie Unterrichtswerke
und gibt einen historischen Überblick über die Entwicklung
des schulischen Tanzunterrichts. Daran schließt sich ein Vergleich
der drei Länder bezüglich der Schulsituation, bestehender
Konzepte zur Integration von Tanz in den Schulen, verbindlicher
Lehrplan-Vorgaben, Unterrichtsmaterialien als auch der Ausbildungssysteme
und Berufsfelder von Tanzpädagogen an. Zusammenfassend werden
länderübergreifende Aspekte formuliert.
Kapitel sieben präsentiert zentrale, wenngleich weitgehend
bekannte entwicklungspsychologische, bewegungs- und musikpädagogische
Begründungen für die Integration von Tanz in der Schule.
Basierend auf „modern educational dance/creative dance“
und „dansexpressie“ stellt die Autorin abschließend
ein eigenes Konzept des kreativen Kindertanzes vor, welches gestalterische
Prozesse betont. Es umfasst mehr oder weniger konkrete Ausführungen
zu Zielen, Inhalten und Methoden als auch Hinweise zur Unterrichtspraxis
(Musikeinsatz, Stundenaufbau). Ergänzend wird exemplarisch
ein Stundenbeispiel skizziert. Das Konzept orientiert sich stark
an bestehenden Ansätzen zur kreativen Tanzerziehung. Es benennt
zwar zentrale Aspekte des Tanzens mit Kindern, bietet aber für
professionelle Tanzpädagogen nicht wirklich Neues.
Die Publikation zeichnet sich durch eine breit gefächerte,
historisch und empirisch angelegte Zusammenschau aus, die das Thema
von vielen Seiten aufarbeitet. Zugunsten der Vielfalt verzichtet
die Autorin allerdings mancherorts auf detailliertere Ausführungen
und wählt eine überblicksartige Darstellung. Gerade deshalb
ist das Buch jedoch für diejenigen empfehlenswert, die sich
ein umfassendes Bild über die Situation des Tanzes in der Grundschule
verschaffen möchten. Anders als der Titel verspricht, ist der
Band jedoch nicht als Materialsammlung für die Praxis einsetzbar,
was jedoch auch nicht Anliegen der Autorin ist. Für Leser mit
wissenschaftlichem Interesse wünschenswert wären weitere
Erläuterungen zum methodischen Vorgehen, Kriterien zur Auswahl
der Schulbücher und Kriterien zur Fragebogenauswertung mit
Ankerbeispielen. Corinna Vogel bietet mit diesem Buch eine Art Kompendium
zum Tanz in der Grundschule, welches Defizite wie Möglichkeiten
aufzeigt. Ans Herz gelegt sei es vor allem den in Lehreraus- und
-weiterbildung Tätigen, um den Bereich Tanz in der Grundschule
weiter zu stärken.