nmz 2005/06 | Seite 31
54. Jahrgang | Juni
Verband Bayerischer
Sing- und Musikschulen
Von Beginn an in qualifizierten Händen
Musikschule Grassau mit Innovationspreis von MON und VBSM ausgezeichnet
„Gruppendynamik“ und „individuelle Förderung“,
„beispielhaftes Kooperationsnetz zu einer effektiven Ausbildung
des Nachwuchses“: Was sich wie der Lehrbucheintrag für
den Weg zu einer soliden musikalischen Erziehung liest, ist die
Beurteilung einer Jury – und an der Musikschule Grassau schon
längst Realität.
Kürzlich ist deren Projekt, in dem Musikvereine, Musikschulen
und Schulen zusammenarbeiten, mit dem Innovationspreis 2005 des
Musikbundes von Ober- und Niederbayern (MON) und des VBSM ausgezeichnet
worden. Seit zehn Jahren hat diese enge Vernetzung zwischen den
Institutionen bereits Bestand: Das seit der Umstrukturierung des
bayerischen Schulsystems so anhaltend diskutierte Klassenmusizieren
wird in Grassau schon längst mit Erfolg praktiziert, wie Hans
Nothegger, Leiter von mehreren Bläserklassen in der Zweigstelle
Reit im Winkl von Anbeginn dabei, weiß: „Das Modell
hat für uns nur positive Auswirkungen gehabt“, sagt er.
Nicht nur, dass die Kinder viel mehr Spaß am Musizieren im
Klassenverband hätten. Auch die Schule profitiere, weil für
ihre Veranstaltungen immer Gruppen bereit stünden, die die
Feste mit viel Eifer musikalisch umrahmen können, so Nothegger.
In das Bläserklassenprojekt sind derzeit die dritten und vierten
Klassen der Schulen in Reit im Winkl und Niedernfels sowie die Montessori-Schule
in Grassau eingebunden. „Unsere Erfahrung ist, dass Schulen
generell dem Klassenmusizieren sehr aufgeschlossen gegenüberstehen.
Die suchen sogar danach.“ Und auch für die beteiligten
Musikvereine, Reit im Winkl und Grassau, bezahlt sich der Schulterschluss
im Sinne der Musik aus: „Wir haben auf einen Schlag jede Menge
Nachwuchs. Unsere jungen Leute kommen fast ausschließlich
aus den Bläserklassen.“ Bis die Mädchen und Buben
in die Tracht der Musikkapellen schlüpfen, treten die Vereine
aber erst einmal als Mittler auf: Diese leasen die benötigten
Instrumente bei einem Musikgeschäft am Ort, das sich als Partner
zur Verfügung gestellt hat, und geben diese gegen Entgelt an
die Eltern weiter: „Wir investieren also indirekt etwas in
die Ausbildung unserer eigenen Leute“, beschreibt Hans Nothegger,
der selbst als Dirigent in den Musikvereinen Reit im Winkl und Grabenstätt
als Dirigent aktiv ist. Auch für die Musikschule zahle sich
das gesamte Konzept in barer Münze aus: „Weil die Instrumente
bereit gestellt werden, kann die Musikschule günstiger arbeiten,
die Einkünfte sind besser als beim Einzelunterricht.“
Ein wichtiger Vorteil für die Kinder: Sie werden in dem Modell
von ausgebildeten Musiklehrern geschult und befinden sich so von
Beginn an in qualifizierten Händen, die dafür sorgen,
dass Talente nicht auf der Strecke bleiben: Denn mit im Boot befindet
sich die Wolfgang-Sawallisch-Stiftung, die neben dem Jugendorchester
und einer Combo der Musikschule auch besonders begabte Schüler
fördert, erläutert Nothegger. Bis es allerdings zu diesem
tragfähigen, institutionsübergreifenden Netzwerk in Grassau
gekommen ist, habe freilich im Vorfeld einige Überzeugungsarbeit
bei den beteiligten Einrichtungen geleistet werden müssen.
Die anfängliche Skepsis, dass individuelle Förderung beim
Klassenmusizieren zu kurz komme, hat sich laut dem erfahrenen Bläserklassen-Leiter
nicht bestätigt: „Die Gruppendynamik bringt die Kinder
weiter“, weiß er. Den besten Beweis dafür lieferten
ihm seine Schüler erst vor wenigen Tagen: Als bekannt wurde,
dass am letzten Schultag vor den Pfingstferien der Unterricht kürzer
und damit die Bläserklasse ausfallen soll, hätten die
Kinder heftig protestiert, erzählt Nothegger. „Nur für
den Musikunterricht sind sie dann lieber eine Stunde länger
in der Schule geblieben!“