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nmz-archiv
nmz 2005/06 | Seite 25
54. Jahrgang | Juni
Verbandspolitik
Der Schlüssel ist und bleibt die Regelschule
Im Gespräch: Gerhard A. Meinl vom Bundesverband deutscher
Musikinstrumentenhersteller
Positive Neuigkeiten aus Frankfurt: 6,9 Prozent mehr Besucher
und eine ähnliche Steigerung bei der Zahl der Aussteller –
in ihren Pressecommuniques verbreitete die Frankfurter Musikmesse
gute Stimmung. Anlass für die neue musikzeitung, Gerhard A.
Meinl, den Präsidenten des Bundesverbandes deutscher Musikinstrumentenhersteller,
zur Stimmung in seinem Verband zu fragen.
Kämpferischer oder
optimistischer Blick? Gerhard A. Meinl auf der Frankfurter
Musikmesse. Foto: Martin Hufner
neue musikzeitung: Mit dem Ziel, ihre Interessen
wirkungsvoller vertreten zu können, haben sich die Musikinstrumentenbauer
1962 zu einem Bundesverband zusammengeschlossen, um mit der Stimme
des Verbandes die Interessen gegenüber Politik, Behörden
und Gesellschaft zur Sprache zu bringen. Gesellschaft und Musikmarkt
haben sich verändert in den vergangenen Jahren. Haben sich
auch die Aufgaben des Verbandes nach über vier Jahrzehnten
Verbandsarbeit wesentlich geändert oder erweitert? Gerhard A. Meinl: Bei der Gründung verstand
sich der Verband sicher mehr als Wirtschaftsverband, während
wir heute eher ein Kulturverband sind. Wir fördern martkvergrößernd
das aktive Musizieren in Deutschland, bieten Lehrerfortbildung an
für das Klassenmusizieren zum Beispiel, aber implementieren
diese Methode auch an den Hochschulen für die Ausbildung von
Lehrern – unser Ziel ist die Regelschule. Daher sind wir auch
kulturpolitischer geworden, also eher im Kultusministerium als Lobby
zu finden , als im Wirtschaftsministerium.
nmz: Im Bundesverband deutscher Musikinstrumentenhersteller
sind in sieben Sparten über 50 Mitglieder zusammengeschlossen:
Gibt es da nicht sehr unterschiedliche Interessenlagen? Wie werden
sie diesen gerecht? Meinl: Beim Musikunterricht kommt es zunächst
einmal gar nicht darauf an, womit aktiv musiziert wird – „make
more music makers“ hilft zunächst allen Mitgliedern.
Zugleich haben wir alles vom Kindergartenprogramm über Klassenmusizieren
mit Streich-, Blasinstrumenten und Percussion. Ansonsten übernehmen
wir eine recht individuelle Betreuung und die reguläre Interessensvertretung
, ob gegen Produktpiraterie aus China oder das Zusammenstellen von
Marktzahlen für die Basel II Fragen der Banken.
nmz: Wie ist das Geschäftsjahr 2004 für
ihre Mitglieder verlaufen? Was erwarten sie vom Geschäftsjahr
2005? Wagen Sie einen Ausblick? Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche
Lage des Musikinstrumentenmarktes? Meinl: Wertmäßig haben sich die deutschen
Hersteller 2004 behaupten können, vor allem durch die hohe
Exportquote über 60 Prozent. Natürlich schmerzt dann im
Ertrag auch noch 2005 der niedrige Dollar, denn 45 Prozent des Weltmarktes
finden wir in den USA, wohin sich außerdem die chinesischen
Instrumente nochmals mehr als in Deutschland wie eine Lawine hinbewegen.
Also 2005 weiterhin Helm auf und durch, Qualität fördern
und näher am Musiker sein, im Heimatmarkt am Musizieren an
der Regelschule arbeiten, das heißt die USA als Vorbild nehmen,
denn deshalb ist der Markt dort soviel größer.
nmz: Nach Jahren der Stagnation entdecken deutsche
Hersteller den chinesischen Markt. Und die Chinesen den deutschen.
Was überwiegt in Ihren Augen: Chance oder Gefahr? Meinl: Derzeit wie eben dargestellt überwiegt
die Gefahr. Der reiche Chinese und davon gibt es mehr als Japaner
insgesamt, kauft zuerst einen BMW und dann viel später, wenn
überhaupt, eine deutsche Trompete – eher natürlich
und früher einen Flügel aus Deutschland.
nmz: Das aktive Musizieren zählt zu den
Hauptinteressen des Verbandes. Ein Instrument lernen kann jeder.
Warum tun es zur Zeit nur acht Prozent? Ein paar Sätze zu Ihren
musikpädagogischen Initiativen? Meinl: Der Schlüssel ist und bleibt die Regelschule
und dort setzen wir an und wollen das Musizieren im Klassenverbund
fördern als integratives Unterrichtsprinzip, mehr und besseren
Musikunterricht entwickeln. Das müssen wir pädagogisch
sicherstellen und zugleich auch den Stellenwert des Musikunterrichtes
im Fächerkanon der allgemein bildenden Schule erhöhen.
nmz: Instrumentenkauf ist eine Investition. Wie
verhalten sich Konsumenten heute? Eher preisbewusst oder qualitätsbewusst? Meinl: Mir fehlt das Kriterium: kind- und erziehungsgerecht?
Das Instrument muss in das pädagogische Konzept passen und
dem Alter entsprechen und zugleich darf das Instrument kein Billigheimer
sein. Wenn die Geige nur 70 Euro gekostet hat, dann halten die Eltern
die Kinder nicht ausreichend zum Üben an, sondern bevorzugen
das Teil als Wandschmuck, wenn das Kind eh schon die Lust verloren
hat.
nmz: Die Alterspyramide steht Kopf: Ist die ältere
Generation eine neue Zielgruppe? Meinl: In unserer Branche, vor allem im Bereich
des Keyboards und der Percussion, werden eigene Konzepte für
die älteren Menschen entwickelt. Hier sind wir am Anfang auch
mit New Horizon Bands, der Rockgruppe in der Garage, den so genannten
Weekend Warriors, aber bei den 50+ muss man das Problem überwinden,
dass man in dem Alter nicht gerne mehr Fehler macht, also ist eine
Studienreise einfacher, nur nicht so nachhaltig. Die Golfer haben
das aber auch geschafft, also wird es uns für die Musik auch
gelingen.
nmz: Außer im Elektroniksektor gibt es
keine neuen Instrumentenentwicklungen oder -erfindungen. Die Kreativität
der Instrumentenbauer geht nur in die Verbesserung des Vorhandenen?
Warum? Sind die Komponisten schuld? Die Elektronik-Branche? Meinl: Es ist leider schon lange her, dass ein
Richard Wagner sich bei Heckel in Wiesbaden das Kontrafagott entwickeln
ließ, aber selbst die Wagnertuben hat er nur bei der KuK-Kavalerie
geklaut und darum geht es bis heute: Klangmoden und Vorstellungen
zu erfüllen, also auch kreativ zu sein. Es muss nicht immer
eine „interuptive technology“ sein. Bei meinen eigenen
Blasinstrumenten haben wir zur Zeit vermehrt Anfragen wegen moderner
Komponisten, die Anlehnungen in der arabischen Musik machen, Vierteltöne
– dienend folgen wir den Ansprüchen ganz kreativ in der
Umsetzung.