Am 14. Juni stand folgende Meldung im KIZ (www.nmz.de): „Der
Internationale ARD Musikwettbewerb ist gerettet, muss aber mit deutlich
weniger Geld auskommen als bisher. Wie der Bayerische Rundfunk (BR)
am Montag mitteilte, billigten die Intendanten der ARD auf ihrer
Sitzung in Bremen ein Sparpaket, das die ARD-Hörfunkkommission
vorgelegt hatte. Demnach werden die Ausgaben für den renommierten
Wettbewerb um rund ein Drittel gekürzt. Der BR als federführende
Anstalt trägt die Kosten für die Leitung des Wettbewerbes
sowie die festen Personalkosten. Der derzeitige Etat des Wettbewerbes
beläuft sich auf 1,1 Millionen Euro. Er soll nun auf knapp
800.000 Euro sinken. Auf der Streichliste steht unter anderem das
Kammermusikfest. Außerdem soll es, wie BR-Hörfunkdirektor
Johannes Grotzky bereits zu einem früheren Zeitpunkt angekündigt
hatte, künftig keinen eigenen künstlerischen Leiter mehr
geben. Der Vertrag des jetzigen künstlerischen Leiters, Christoph
Poppen, läuft Ende dieses Jahres aus.“
Das Faust Quartett mit Uta
Kunert, Cordula Frick, Immo Schaar und Birgit Böhme.
Foto: ARD Wettbewerb
Die gute Nachricht von der Rettung des renommierten Wettbewerbes
wird deutlich von der Tatsache überschattet, dass eine sehr
sinnvolle Neuerung, eben das Kammermusikfest, wegfallen soll. Was
der ARD Wettbewerb in seinem 54. Jahr dadurch an Ausstrahlung und
Attraktivität verlieren würde, schildert der folgende
Bericht.
Im Herbst 2004 hatte das Quatuor Ebène den 1. Platz beim
ARD Musikwettbewerb inklusive Publikumspreis belegt, was zu einer
Einladung zum Kammermusikfest 2005 führte. Preisträger
beim ARD Wettbewerb zu werden ist eine Sache. Und zwar schon eine
recht schwierige. Aber wie wird man auch noch zum Publikumsliebling?
Die Antwort gab das Quatuor Ebène erneut beim Kammermusikfest
2005. Auf Schloss Elmau spielten sich Pierre Colombet, Gabriel Le
Magadure-Tonoian, Mathieu Herzog und Raphael Merlin mit jugendlichem
Feuer und professionellem Spiel wieder einmal in die Gunst des Publikums.
Dies taten die jungen Franzosen in Elmau mit Mozarts Streichquintetten
in c-Moll – der polnische Bratscher Ryszard Groblewesk ergänzte
das Quartett – oder in g-Moll – hier spielte Antoine
Tamestit aus Frankreich die Viola –, aber auch mit Béla
Bartóks drittem Quartett. Ebenfalls zeitgenössisch und
zugleich authentisch sind die Jazzbearbeitungen des Quartetts, etwa
„Foot Prints“ von Wayne Shorter, „All Blues“
von Miles Davis, „Take Five“ von Paul Desmond oder Tangos
von Astor Piazolla. Für „das farbenreiche Spiel des Ensembles
vereint mit akribischer Genauigkeit und unbändiger Musikalität“
gab es wieder eine Auszeichnung für die ARD-Preisträger:
Gabriele Forberg-Schneider überreichte im Elmauer Nachtkonzert
dem Quatuor Ebène den mit 20.000 Euro dotierten Belmont Preis
2005 für zeitgenössische Musik der Forberg-Schneider Stiftung.
Da der Wettbewerb 2004 neben der Kategorie Streichquartett für
die Instrumente Flöte und Harfe ausgeschrieben war, dominierten
diese Instrumente 2005 auch auf dem Kammermusikfest. Christoph Poppen,
dem Leiter des ARD Wettbewerb und Dirk Nabering, künstlerischer
Leiter des Kammermusikfestes, war es zum fünften Male gelungen,
ein dramaturgisch reizvolles Festival von vier Tagen Dauer auf die
Beine zu stellen. Es galt die Harfe zu entdecken, etwa im Trio aus
„L’enfance du Christ“ von Hector Berlioz, wo der
niederländische Harfenist Anton Sie gemeinsam mit den Flötisten
Kornelia Brandkamp und Pirmin Grehl bei sommerlichen Temperaturen
Musik aus der Weihnachtszeit interpretierte.
Noch farbenfreudiger, noch illustrativer als die Berliozsche Musik
war eine Repertoirerarität: André Caplets „Le
masque de la mort rouge für Harfe und Streichquartett“.
Gemeinsam mit dem Quatour Ebène konnte hier die Harfenistin
Nabila Chajai ihr frappierendes Können ausspielen. Nachdem
die Ebènes die g-Moll- und c-Moll-Quintette dargeboten hatten,
war die Aufführung des C-Dur Quintetts von Mozart dem Faust
Quartett vorbehalten. Verstärkt um die Bratsche von Tomoko
Akasaka gestalteten Uta Kunert, Cordula Frick, Immo Schaar und Birgit
Böhme souverän das Dur-Moll-Wechselspiel, das gerade dieses
Quintett auszeichnet. Zu welchem Nuancenreichtum die 2. Preisträger
des 53. ARD Wettbewerbes imstande waren, hatten sie Tags zuvor mit
Debussys Streichquartett g-Moll Opus 10 gezeigt, und später
mit Wolfgang Rihms Quartettstudie. Dass in ihrem Spiel ein ähnlich
starkes Feuer brennt wie in dem der Ebènes wurde in ihrer
Deutung von Schuberts Streichquartettsatz deutlich, mit dem sie
die Reihe der Elmauer Nachtkonzerte abschlossen. Nach den vier Tagen
in Elmau, bei denen alle Beteiligten erstmals nicht als Solisten,
sondern innerhalb von Ensembles aufeinander trafen, ging das „Unternehmen“
Kammermusikfest auf Tournee. Die ARD-Preisträger präsentierten
ihr in Elmau erarbeitetes Programm im Konzerthaus Berlin und im
Schloss Nymphenburg in München. Nach diesen sehr intensiven
Wochen ging jeder dieser jungen Künstler verändert wieder
nach Hause, mit neuen Impulsen, neuen Ideen, vielleicht auch mit
neuen Vorbildern und sicher mit neuen Kontakten zu Musikern und
Veranstaltern.
„ARD-Mittel stehen fürs Kammermusikfest zukünftig
nicht mehr zur Vefügung“, sagt die Organisationschefin
des Wettbewerbes, Ingeborg Krause, „wir denken jedoch bereits
über andere Wege der Finanzierung nach.“ Vielleicht gelingt
es ja doch noch, auch mit reduziertem Etat den jungen Solisten den
Weg in die Kammermusik zu öffnen. Für die jungen Künstler
immens wichtig, denn in der Zukunft haben nur die eine Chance, die
vielseitig, flexibel, kommunikativ und offen sind fürs Neue,
noch nicht Gehörte.
Andreas Kolb
Der 54. Internationale Wettbewerb der ARD beginnt am 29. August
und endet am 16. September. Es haben sich 335 Kandidaten aus 41
Ländern beworben, davon wurden nach einer Vorauswahl 193
(aus 32 Ländern) zur Teilnahme am Wettbewerb akzeptiert,
und zwar 70 Geiger, 46 Cellisten, 37 Hornspieler und 20 Klavierduos.