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nmz-archiv
nmz 2005/07 | Seite 10
54. Jahrgang | Jul./Aug.
Cluster
Sangeslust, Sangesfrust
Wenn die Klingelton-Generation zu singen beginnt, dann wird sie
ehrlich. Pop-Tönchen Sarah Connor versang sich bei ihrer Interpretation
der Deutschen Nationalhymne – und zwar nicht nur im Text.
Gut, man weiß ja, dass wenig genug Menschen sowohl Text wie
Melodie in einigermaßen erträglichem Maße hinbekommen.
Doch das hat wohl andere Gründe. Mag sein, dass der Elektro-Smog
der Mobiltelefone gentechnische Veränderungen mit biologischen
Folgen auslöste, bewiesen ist jedoch gar nichts. Gehen wir
mal der Einfachheit halber einfach davon aus, dass eine Behauptung
solange stimmt, bis sie widerlegt ist; na bitte. Doch wie es scheint,
hat man es auch an den Ohren. Im Stadion, in dem die Trällergurke
dies all sang, bemerkte offenbar kaum jemand etwas und bemerkte
damit das richtige: So einer Stimmbandmörderin hört man
ja auch gar nicht zu; wozu hat so jemand schließlich eine
Figur. Aber auch Spitzensänger sind mitunter außer Rand
und Band. Thomas Quasthoff bewirbt NDR Kultur, also diese Schmuse-Sende-Welle,
nördlich des Nordpols jeden Geschmacks. Der Berliner Sanges-Professor
hat es offenbar ebenso an den Ohren oder schlimmer – oder
schlechter- dings in der Geldbörse.
„Ich höre NDR Kultur“ sonort er da aus Werbeanzeigen
des NDR. Der Anzeige ist leider ein Satz entgangen: „Ich höre
NDR, aber ich moderiere auf Klassik-Radio“, bei dem er im
letzten Jahr weihnachtlich seine Version von Bach-Kantaten persönlich
vorstellen durfte, konnte, musste oder wollte. Und es ist der gleiche
Quasthoff, der bei der Übergabe des Ehrenringes der Stadt Hildesheim
forderte: „Bitte lassen Sie das Sterben von Kultureinrichtungen
nicht zu.“ Klar, die anderen sollen es ausbaden. Und da platzt
einem dann endgültig das Trommelfell. Wann gibts endlich Klingeltöne
zum Sehen?