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nmz-archiv
nmz 2005/07 | Seite 36
54. Jahrgang | Jul./Aug.
Jeunesses Musicales Deutschland
The Power of Music – Impuls für Deutschland
Die Junge Philharmonie Venezuela im September auf Tournee
Sir Simon Rattle sagte der Jeunesses Musicales Deutschland ohne
Umschweife zu, die Schirmherrschaft zu übernehmen: Bereits
zum dritten Mal lädt die JMD die Junge Philharmonie Venezuela
zu einer Konzertreise nach Deutschland ein. Nach den triumphalen
Auftritten der Jahre 2000 und 2002 steht den Konzertsälen der
diesjährigen Tournee vom 21. bis 30. September in Bonn, Essen,
Münster, Bremen, Hamburg und Berlin wieder ein Musikereignis
der vierten Dimension ins Haus. 220 jugendliche Musikerinnen und
Musiker werden unter der Stabführung von Gustavo Dudamel –
seit seinem grandiosen Erfolg beim diesjährigen Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerb
ein neuer Shooting-Star am internationalen Dirigentenhimmel –
das Publikum mit atemberaubender Präzision, lateinamerikanischer
Leidenschaft und jugendlicher Direktheit elektrisieren.
Die Jeunesses Musicales Deutschland präsentiert die Junge
Philharmonie Venezuela in diesem Jahr gemeinsam mit der Bertelsmann
Stiftung. Beide Partner haben sich zum Ziel gesetzt, mit den Auftritten
des Orchesters nicht exotische Wunderkinder auszustellen, sondern
eine kulturpolitische Botschaft auszustrahlen: „The Power
of Music“ lautet das Motto dieser Tour, es könnte fast
das Markenzeichen dieses Orchesters sein. Die Kraft der Musik bringt
dieses nationale Spitzenensemble der besten jugendlichen Musiker
Venezuelas ungebrochen und absolut mitreißend in den Konzertsaal.
Die Kraft der Musik steckt in der Begeisterung jedes einzelnen seiner
jungen Mitspieler.
Die Überzeugung von der sozialen und gesellschaftlichen Kraft
der Musik trägt das gesamte nationale Jugendorchestersystem
in Venezuela FESNOJIV (Fundacion del Estado para el Sistema Nacional
de Orquestras Juveniles e Infantiles de Venezuela), dessen Spitzenensemble
dieses Orchester ist. Rund 240.000 Kindern und Jugendlichen –
vor allem aus sozialen Brennpunkten in den großen Städten
des Landes – bietet die nationale Jugendorchesterbewegung
mit ihren 57 regionalen Kinder- und 125 Jugendorchestern Bildung,
Ausbildung und eine wertvolle Lebensperspektive. In diesem Jahr
begeht die FESNOJIV, die zugleich die Jeunesses Musicales Venezuela
ist, ihr 30-jähriges Bestehen.
„Die Zukunft der klassischen Musik liegt in Venezuela,“
sagt Simon Rattle, der das Orchester schon selbst dirigiert hat.
Bedenkt man die bahnbrechenden Impulse, die er den Berliner Philharmonikern
mit seinem Educationprogramm „Zukunft@BPhil“ gegeben
hat (ausgezeichnet unter anderem mit dem Würthpreis der JMD
2004), sollte man dies kaum als hingeworfene Provokation abtun.
Die Begegnung mit dem von José Antonio Abreu gegründeten
und bis heute geleiteten musikpädagogischen Netzwerk, das ganz
Venezuela überzieht, kann selbst – oder gerade –
einer jahrhundertealten Musiktradition wie Deutschland neue Anstöße
im 21. Jahrhundert geben. Oder fällt Ihnen zu folgender Beschreibung
ein deutsches Orchester ein? „Wer den Enthusiasmus selbst
erlebt, mit dem die jungen Spitzenmusiker Venezuelas Wagner, Rossini
oder Bach spielen, bekommt eine Ahnung von der menschlichen Dimension
dahinter. Musik als Naturereignis. Verbunden mit einer technischen
Perfektion und Brillanz, die beinahe schon unheimlich ist.“
So eine der vielen Pressestimmen anlässlich der letzten Tournee.
Die JMD möchte daher, gemeinsam mit den örtlichen Veranstaltungspartnern
Fragen stellen, Diskussionen anstoßen, das Staunen in Handlung
umsetzen – denn das tut Not in Deutschland: Wie kann unsere
Musikpädagogik ihren „Akademismus“ überwinden
und Kinder und Jugendliche zu einem emotionalen, authentischen Musizieren
bringen? Lässt sich das in Venezuela angewandte Unterrichtsprinzip
– unverkrampftes Erobern der Instrumente und Musizieren im
Orchester von Anfang an – übertragen? Kann unser Konzertbetrieb
etwas lernen von der venezolanischen Art, mit klassischer Musik
umzugehen, und könnten sich daraus nicht Konsequenzen ergeben,
um junge Leute für den Konzertsaal wirklich zu begeistern?
So wird die Tournee von einer Reihe von Veranstaltungen begleitet,
die Anlässe schaffen und Gelegenheiten bieten, sich dieser
Konfrontation zu stellen. Das Beethovenfest Bonn vermittelt den
Kontakt mit Schulen und Lehrkräften als ganztägiges Projekt
und veranstaltet ein Symposion speziell zum Thema (22./23. September),
in Hamburg schließt der Kongress „Kinder zum Olymp II“,
den die Kulturstiftung der Länder veranstaltet, mit einer Podiumsveranstaltung
und einem Konzert des 40-köpfigen „Venezuelan Brass Ensembles“
(24. September), das der Trompeter und Berliner Philharmoniker Thomas
Clamor aufgebaut hat und das erstmals in Deutschland auftritt, in
Berlin wird das Educationprogramm der Philharmonie klassenweise
ehemalige Projektteilnehmer zur Generalprobe des Orchesters einladen.
Weitere Veranstaltungen in Essen, Münster, Bremen und Berlin
sind in Vorbereitung.
Niemand, der mit Engagement und Begeisterung Musik macht oder hört,
sollte sich dieses Ereignis entgehen lassen. Karten gibt es bei
den örtlichen Veranstaltern.