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nmz-archiv
nmz 2005/07 | Seite 14
54. Jahrgang | Jul./Aug.
Kulturpolitik
Jugend musizierte, feierte und ließ sich feiern
Musikzweig der Latina August Hermann Francke in Halle glänzte
mit Preisträgern
Eine der renommiertesten Ausbildungsstätten für Musik
in Deutschland beging ihren 40. Geburtstag. Der Musikzweig der Latina
August Hermann Francke in Halle an der Saale glänzt im Jubiläumsjahr
2005 mit 23 Preisträgern auf Bundesebene des Wettbewerbes ”Jugend
musiziert“. Und es gab noch einen Grund zum Feiern: Im vierten
Jahrzehnt wurden neue Gebäude bezogen, Schul-Musik- und Internatsräume
befinden sich nunmehr in den Franckeschen Stiftungen, einem außerordentlich
schönen Fachwerkbau.
Gegründet wurde die Schule 1965 unter der damaligen Bezeichnung
Spezialschule der Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn-Bartholdy“
Leipzig. An allen vier Musikhochschulen der DDR wurden zu dieser
Zeit Spezialschulen eingerichtet, weil es an gut vorbereitetem Nachwuchs
mangelte. Die Ausbildung konnte ab der sechsten Klasse, also mit
circa zwölf Jahren, nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung
begonnen werden. Sie umfasste neben den allgemeinbildenden Fächern
den Instrumentalunterricht mit zahlreichen Zusatzfächern. Die
Bewerber kamen aus allen Bezirken der DDR, was einen Internatsbetrieb
erforderlich machte. Unterrichtet wurden die Schüler von Lehrkräften
der Hochschule. Ein wöchentliches Pensum von 62 Stunden (Unterricht
in den vorgegebenen Fächern plus instrumentaler Übezeit)
war keine Seltenheit, obwohl eine „Dehnung“ des Unterrichtsstoffes
in der Allgemeinbildung bereits erfolgt war. Trotzdem gingen die
Klassen meist „geschlossen“ zum Studium; nur in Ausnahmefällen
wurde ein anderer beruflicher Weg eingeschlagen. Nach der „Wende“
kamen auch die Spezialschulen auf den Prüfstand. Als Orte des
Drills in Verruf, weil unbesehen beurteilt, durch die Länderreform,
die Veränderung der Zuständigkeiten und nach der Frage
der Finanzierbarkeit sah man ihre Existenz bedroht. Zudem mussten
die Häuser aus verschiedenen Gründen geräumt werden.
Weiterhin musste überlegt werden, wie eine Einbindung in das
neue bundesdeutsche Schulsystem erfolgen soll, arbeitsrechtliche
Fragen standen zur Debatte. Zähen Kämpfernaturen aus dem
Schulamt ist es zu verdanken, dass letztendlich durch die Errichtung
eines Musikzweiges an der Latina eine Lösung gefunden wurde,
mit der man leben kann. Jedes Konzept erleidet Einbußen in
der Praxis. Da die Ausbildung nun innerhalb eines gymnasialen Zweiges
erfolgt, mussten minimale Abstriche im musikalischen Bereich hingenommen
werden. Die neu restaurierten Gebäude der Franckeschen Stiftungen
bieten ein ideales künstlerisches Umfeld. Die Regierung von
Sachsen-Anhalt und auch die Stadt Halle sind sich der Hochkarätigkeit
des Musikzweiges mit derzeit 127 Schülern bewusst. Bei dem
Sparzwang allerorten verdient es besonderes Lob, dass der Wert einer
musikalischen Ausbildung, die ja sehr kostenintensiv ist, dort erkannt
wurde. Zudem hält ein 1991 gegründeter Förderverein
Instrumentalausbildung die Fäden mit in der Hand und übernimmt
die Aufgaben, „die die Schule auf Grund fehlender gesetzlicher
Sonderregelungen für die Spezialausbildung Musik nicht mehr
leisten konnte“ (Helga Seidel). Der Verein organisiert Proben-
und Orchesterlager, Orchesterreisen, Konzerte und engagierte sich
bei den umfangreichen Vorbereitungen des Festes.
Der Jubilar überraschte die vielen Gäste (ehemalige Schulleiter,
Lehrer und mehrere hundert Schüler) mit einem opulenten Festprogramm,
welches mit der Aufführung von Orffs „Carmina burana“
in der Konzerthalle Ulrichskirche einen ergreifenden Höhepunkt
erreichte. Die zahlreichen Ansprachen der Persönlichkeiten
aus Politik und Kultur, an der Spitze Kultusminister Prof. Dr. Jan-Hendrik
Olberts, zeugten von Kompetenz und dem Wissen um die Notwendigkeit
einer solch intensiven Ausbildung. Von all den Schwierigkeiten,
die die Schule in den letzten Jahren zu bewältigen hatte, war
kaum etwas zu spüren. Und dass das hohe Niveau gehalten werden
konnte, bezeugen letztendlich die überragenden Wettbewerbsergebnisse.
Bleibt zu hoffen, dass die politisch Verantwortlichen angesichts
der drohenden Schieflage durch die Verkürzung der gymnasialen
Ausbildungszeit von neun auf acht Jahre durch angemessene Maßnahmen
einer weiteren Reduzierung des musikalischen Ausbildungsrahmens
entgegenwirken.