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nmz-archiv
nmz 2005/07 | Seite 15
54. Jahrgang | Jul./Aug.
Kulturpolitik
Abgabesatz sinkt, Honorare stabilisieren sich
Erste Anzeichen für eine Entspannung bei der Künstlersozialversicherung
Die Künstlersozialversicherung war im letzten dreiviertel
Jahr vor allem als Sorgenkind im Gespräch. Als im vergangenen
Herbst der Abgabesatz für das Jahr 2005 festgelegt wurde und
sich herausstellte, dass er von 4,3 Prozent im Jahr 2004 auf 5,8
Prozent im Jahr 2005 steigen wird, entstand bei den abgabepflichtigen
Unternehmen (Verwertern) eine erhebliche Unruhe. Verstärkt
wurde diese noch durch die Nachricht, dass die Zahl der Versicherten
weiter wächst und ein Ende dieses Wachstums nicht abzusehen
ist.
Als dann noch die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Kultur
in Deutschland“ in ihrer Einladung zur öffentlichen Anhörung
zur Künstlersozialversicherung die Frage aufwarf, ob die Künstlersozialversicherung
überhaupt eine Zukunft habe, entstanden auch auf Seiten der
Versicherten Ängste. Bundessozialministerin Ulla Schmidt versuchte
die Gemüter im Dezember 2004 mit ihrer Zusicherung, dass sich
die Bundesregierung für die Künstlersozialversicherung
verbürgt, zu beruhigen. Zusammen mit dem Deutschen Kulturrat
hat das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung
nach dieser Veranstaltung einen runden Tisch eingerichtet, der dazu
dienen soll, mittelfristige Perspektiven zur Stärkung und Weiterentwicklung
der Künstlersozialversicherung zu entwickeln. Am runden Tisch
wirken Vertreter der Abgabepflichtigen und der Versicherten mit.
Ziel ist es, im Konsens einen Beitrag zur Stärkung der Künstlersozialversicherung
zu leisten.
Am 9. Juni 2005 kündigte Bundessozialministerin Schmidt nun
an, dass der Abgabesatz für das Jahr 2006 zum ersten Mal seit
mehreren Jahren wieder sinken wird und zwar von 5,8 Prozent auf
5,5 Prozent. Diese Absenkung entspricht einem Entlastungsvolumen
von 10 Millionen Euro für die abgabepflichtigen Unternehmen.
Es besteht die Erwartung, dass, wenn die ergriffenen Maßnahmen
zur Stärkung der Künstlersozialversicherung in der zweiten
Jahreshälfte 2005 und im Jahr 2006 noch besser greifen, der
Abgabesatz weiter sinken könnte.
Würde der Bundeszuschuss wieder auf 25 Prozent angehoben, könnte
der Abgabesatz nochmals abgesenkt werden. Der CDU-Kulturpolitiker
Norbert Lammert hat unlängst angekündigt, dass eine CDU-geführte
Bundesregierung die Absenkung des Bundeszuschusses rückgängig
machen würde. Mit einer Anhebung auf nun wieder 25 Prozent
würde – nach Berechnungen des Deutschen Kulturrates –
ein Abgabesatz von 4,6 Prozent erreicht.
Eine wesentliche Maßnahme zur Stärkung der Künstlersozialversicherung
ist es, alle abgabepflichtigen Unternehmen tatsächlich zur
Abgabe heranzuziehen. Laut Künstlersozialversicherungsgesetz
sind alle Unternehmen oder Vereine zur Künstlersozialabgabe
verpflichtet, die mehr als drei Mal im Jahr Leistungen selbstständiger
Künstler und Publizisten in Anspruch nehmen. Ausgenommen von
der Künstlersozialversicherung sind Vereine, die an freiberufliche
Dirigenten oder Chorleiter lediglich eine Aufwandsentschädigung
im Rahmen der so genannten Übungsleiterpauschale zahlen.
Alle abgabepflichtigen Unternehmen zur Künstlersozialabgabe
heranzuziehen ist allerdings ein Problem für die KSK, da längst
noch nicht alle Abgabepflichtigen sich eigeninitiativ bei der Künstlersozialkasse
melden. Allein im letzten Jahr wurde bei einer Prüfung von
9.600 Unternehmen, die noch nicht von der Künstlersozialkasse
erfasst waren, 4.257 abgabepflichtige Betriebe gefunden. Dieses
deutet darauf hin, dass bei einer noch umfassenderen und intensivierten
Suche weitere Abgabepflichtige gefunden werden können. Wenn
mehr Unternehmen in den Topf einzahlen, wird dies schließlich
für alle zu geringeren Kosten führen.
Die zweite gute Nachricht, die Bundessozialministerin Schmidt am
9. Juni 2005 bekannt gab, war, dass im Jahr 2004 die an Künstler
und Publizisten gezahlten Honorarsummen nach dem Einbruch des Jahres
2002 erstmals wieder leicht gestiegen sind. Grundlage für diese
Einschätzung sind die Angaben der abgabepflichtigen Unternehmen.
Sie müssen jeweils im März der Künstlersozialkasse
melden, wie hoch die Honorarsumme ist, die sie an freiberufliche
Künstler und Publizisten gezahlt haben. Nach dem drastischen
Einbruch an Honorarzahlungen im Jahr 2002 scheint sich auch hier
die Situation zumindest stabilisiert zu haben.
Insgesamt bilden die Rundfunkanstalten und die Presseverlage das
Rückgrat der gemeldeten Honorare. Sie tragen am meisten zur
Finanzierung der Künstlersozialversicherung bei. Von der klassischen
Kulturwirtschaft, also zum Beispiel den Galerien, werden nur geringe
Honorare erwirtschaftet. Genauer muss in der nächsten Zeit
die Honorarentwicklung bei den Theatern und Orchestern beobachtet
werden. Hier muss hinterfragt werden, ob sich Veränderungen
in der Rechtsform, im Ensemblebetrieb sowie weitere Veränderungen
auf die Beschäftigung und die Zahlung von Honoraren auswirken.
Die steigende Honorarentwicklung bei den Theatern und Orchestern
kann unter anderem damit zusammenhängen, dass Ensembles, in
denen nach Tarifvertrag bezahlt wird, aufgelöst wurden und
die Künstlerinnen und Künstler nunmehr freiberuflich arbeiten.
Insgesamt darf bei der Betrachtung der Honorarentwicklung nicht
außer Acht gelassen werden, dass die Werte nicht inflationsbereinigt
sind. Das heißt steigende Honorarsummen bedeuten nicht, dass
die Honorarentwicklung mit der Kaufkraft standhält. In diesem
Lichte gewinnt der Einbruch an Honorarzahlungen im Jahr 2002 und
die nur langsame Erholung noch mehr an Bedeutung.
Mit Blick auf die Stärkung der Künstlersozialversicherung
wird es darauf ankommen, ob sich die Honorarentwicklung zumindest
dauerhaft stabilisiert oder besser noch, die Honorare wieder steigen
werden. Dieses ist nicht nur mit Blick auf einen möglichst
geringen Abgabesatz für die Verwerter wichtig, sondern vor
allem auch hinsichtlich der Einkommen der Künstler und Publizisten.
Für sie sind steigende Honorare lebensnotwendig, denn sie versuchen
schließlich von ihrer künstlerischen Tätigkeit ihren
Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Stärkung und Sicherung der
Künstlersozialversicherung als kultur- und sozialpolitischem
Instrument muss auch in der nächsten Legislaturperiode ganz
oben auf der Agenda der Kulturpolitik stehen.