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nmz-archiv
nmz 2005/07 | Seite 14
54. Jahrgang | Jul./Aug.
Kulturpolitik
Netzwerke knüpfen, Impulse geben
Die Landesmusikakademie Berlin wird zehn Jahre alt
Seit zehn Jahren hat Berlin seine Musikakademie. Die Aktivitäten
des LandesMusikRats Berlin, eine Musikakademie zu gründen,
reichen jedoch bis in die 80er-Jahre zurück. Im ehemaligen
West-Berlin wurden die unterschiedlichsten Standorte in Erwägung
gezogen, dann kam die Wende und die Karten mussten noch ein Mal
völlig neu gemischt werden. Mit dem Freizeit- und Erholungszentrum
– kurz FEZ-Berlin in der Wuhlheide – hat sich dann ein
Ort angeboten, der nicht nur für Kinder- und Jugendarbeit weiter
entwickelt werden, sondern auch noch ein zusätzliches Standbein,
die Landesmusikakademie Berlin, erhalten sollte. Damit war dann
die Gründung 1995 möglich. Zum zehnjährigen Jubiläum
sprach die neue musikzeitung mit dem Geschäftsführer der
Landesakademie, Joachim Litty.
Die grünste Metropole
Deutschlands: Luft bild der Landesmusikakademie Berlin.
Foto: Landesmusikakademie Berlin
neue musikzeitung: Auf wessen Initiative ging
die Gründung zurück? Joachim Litty: Das war die Initiative des LandesMusikRats,
auch mit Blick auf die anderen Bundesländer eine Akademie für
die Laienmusikszene Berlins vorzuhalten. Hervorzuheben ist das Engagement
von Dr. Fried Weisbrod, der lange Zeit Präsident des LandesMusikRats
Berlin war und früh die Notwendigkeit einer Musikakademie im
Land Berlin gesehen hat.
nmz: Lassen sie uns über ihre Person reden.
Wie kamen Sie zur Berliner Landesakademie? Litty: Ich selbst bin studierter Schulmusiker,
ich spiele Sopran-, Alt- und Bariton Saxophon und Klarinette. Nach
dem ersten Staatsexamen studierte ich ein Jahr in Amerika am Creative
Music Studio in Woodstock, Upstate New York, vor allem Improvisation
und Komposition. Als ich dann nach Berlin zurück kam, war Schule
für mich keine wirkliche Alternative mehr, sondern ich lebte
als freier Musiker und Instrumentallehrer – unter anderem
mit der Fachbereichsleitung für Populäre Musik an einer
Berliner Musikschule. Ich hielt die Augen jedoch immer nach Alternativen
offen, 1995 bot sich dann bei der Neugründung der Akademie
die Besetzung der stellvertretenden Leitung an, worauf ich mich
beworben habe. Das Profil, das ich einbringen konnte, war offensichtlich
passend, ab Dezember 1995 war ich stellvertretender Leiter der Landesmusikakademie.
Als die Leiterstelle dann 1997 vakant wurde, lag natürlich
nichts näher, als sich auch dafür zu bewerben –
und so bin ich bis heute in dieser Position tätig.
nmz: Wie würden Sie das Profil der Berliner
Musikakademie beschreiben? Litty: Eine Akademie im urbanen Umfeld muss meiner
Meinung nach auf die musikalischen Strömungen einer Metropole
Bezug nehmen. Darin unterscheidet sie sich von Akademien, die den
Anforderungen eines Flächenstaates entsprechen müssen.
Auf Tendenzen zum Beispiel aus Rock-, Jazz- oder Weltmusik muss
man hier als Musikakademie auf besondere Weise reagieren. Ich denke
auch, dass sich die Laienmusik in diesen Bereichen völlig neu
strukturiert, da sie sich nicht so sehr in traditionellen Verbänden
oder Vereinen organisiert.
Darüber hinaus verfolgen wir mit unseren Angeboten gerade für
Multiplikatoren eine stark musikpädagogische Ausrichtung, die
Kooperation mit dem FEZ-Berlin über moderierte Konzerte für
Schulklassen und Festivals verleiht uns zusätzliches Profil.
nmz: Ihre Akademie hat eine Eigenheit. Sie gehört
zur Millionenstadt Berlin, ist aber in einem Waldpark in Köpenick
im Südosten Berlins gelegen. Sehen Sie die Tatsache, dass man
zu Ihnen in die Akademie eine halbe Stunde aus Berlin herausfahren
muss, eher als Hemmschuh oder als Chance? Litty: Eine halbe Stunde Fahrzeit ist kein Hemmschuh.
Wir sind inzwischen sehr gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln
und über die Autobahn zu erreichen, außerdem stehen meiner
Einschätzung nach selbst 60 Minuten Zeit für die Anreise
zu einer Tagesveranstaltung in einem angemessenen Verhältnis.
Und dann in grüner Umgebung mit guter Infrastruktur zu tagen
– das ist eine Chance im urbanen Berlin. Leider haben wir
immer noch kein Gästehaus, wobei wir im Augenblick sehr konkret
mit dem Deutschen Jugendherbergswerk über ein Objekt im unmittelbaren
Umfeld verhandeln. Aber, Berlin ist ja notorisch Pleite, und somit
ist es nicht leicht, die entsprechenden Mittel zu akquirieren.
nmz: Wie wird die Akademie finanziert? Litty: In erster Linie aus Projektmitteln der Senatsverwaltung
für Bildung, Jugend und Sport des Landes Berlin. Etwa 40 Prozent
unserer Mittel erwirtschaften wir selbst durch Kursgebühren,
Mieten, Nutzungsgebühren für das Tonstudio und Eintrittsgelder.
nmz: Diesen Sommer begehen Sie Ihr zehntes Jubiläum.
Was ist geplant? Litty: Wir werden am 26. August 2005 eine Podiumsdiskussion
mit Christian Höppner und Prof. Dr. Heiner Gembris unter Leitung
von Theo Geißler mit dem Titel „Laienmusik im urbanen
Raum“ durchführen, anschließend wird das Landesjugendorchester
spielen und mit seinem Konzert die große Jubliäumsparty
einläuten.
nmz: Gibt es Kooperationen zwischen der Musikakademie
und anderen Berliner Institutionen? Litty: Unser Verständnis einer Akademie ist
sehr vom Netzwerkgedanken geprägt. Wir sehen uns nicht nur
als Fort- und Weiterbildungsinstitution und als künftige Belegakademie,
sondern wir wollen darüber hinaus auch Impulse geben. Deswegen
steht auch der Kooperationsgedanke mit anderen Institutionen stark
im Mittelpunkt.
Neben der Organisation und Durchführung aller Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen
für die Berliner Musikschullehrkräfte in Zusammenarbeit
mit der Senatsverwaltung und der sehr engen Kooperation mit der
sozialpädagogischen Fortbildung in der Stadt versuchen wir
über Arbeitskreise Akzente zu setzen. Zum Einen bringen wir
sämtliche Anbieter von Konzerten für Kinder in Berlin
zusammen, und zum Anderen unternehmen wir den Versuch, außerschulische
Anbieter musikalischer Inhalte im Zuge der Einführung der Ganztagesschule
mit den Schulen zu vernetzen. Gute Kontakte bestehen natürlich
auch zu den Hochschulen und zu den Verbänden, Sängerbund
und die Jeunesses Musicales seien hier für ihre Aktivitäten
an unserem Hause nur beispielhaft erwähnt und dieses Jahr führen
wir unser erstes Projekt mit den Berliner Philharmonikern durch.
nmz: Wie sieht es mit den anderen Landesakademien
aus? Litty: Mit den anderen Musikakademien gibt es einen
sehr intensiven Austausch. Bis zu zwei Mal jährlich trifft
sich der Arbeitskreis Musikbildungsstätten in Deutschland,
um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Aktivitäten zu
planen und umzusetzen. Darüber hinaus existiert ein Internet-Forum,
über das die Leiter der Akademien Informationen austauschen
können. Zu einigen Akademien, wie Remscheid, Wolfenbüttel,
Rheinsberg, Ochsenhausen oder Heek gibt es ganz gezielte Kontakte.