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nmz-archiv
nmz 2005/07 | Seite 13
54. Jahrgang | Jul./Aug.
Kulturpolitik
Bläserklassen als Königsweg des Musikunterrichts?
Prominent besetzte Podiumsdiskussion auf der Bundesgartenschau
in München erörtert Chancen
Bläserklassen boomen. Ob sie der „Königsweg“
gegen das „Wegbröseln des Musikunterrichts“ an
allgemein bildenden Schulen sind, darüber diskutierten auf
dem Podium der Bundesgartenschau in München unter der Gesprächsleitung
von nmz-Herausgeber Theo Geißler Martin Maria Krüger
(Präsident des Deutschen Musikrates), Gerhard A. Meinl (Vorsitzender
des Bundes der deutschen Musikinstrumentenhersteller), Franz Kellerer
(Verbandsdirigent des Musikbundes für Ober- und Niederbayern),
Klaus Hammer (Fachsprecher für bläserische Ausbildung
und Blasmusik des Musikschulverbandes), Felix Glombitza (Schulmusiker
und Bläserklassenleiter in Ingolstadt) sowie Ludwig Striegel
(Professor für Musikpädagogik in Mainz).
Als Veranstalter für die Podiumsdiskussion zeichneten gemeinsam
das „Musikpädagogische Institut für Lehrerfortbildung
und Unterrichtsforschung der Hochschule für Musik und Theater
München“ und der Bayerische Blasmusikverband verantwortlich.
DMR-Präsident Krüger wies, von Theo Geißler nach
den „Rezepten“ gegen den schlechten Ruf des Musikunterrichts
befragt, auf die „Sieben Thesen zum Musikunterricht“
seines Verbandes hin, deren Kern eine Akzentuierung der aktiven
Beschäftigung mit Musik und ein Zurückdrängen der
rein theoretischen Auseinandersetzung sei.
In diesem Punkt waren sich alle Teilnehmer einig, wenngleich die
jeweiligen Blickwinkel naturgemäß auseinander gingen:
Franz Kellerer und Klaus Hammer sahen Perspektiven in der Zusammenarbeit
von Verein, Musikschule und allgemein bildender Schule, Gerhard
Meinl erinnerte an den wirtschaftlichen Aspekt des aktiven Musizierens.
Felix Glombitza hielt in diesem Zusammenhang das Konzept der Bläserklassen
für einen „großen Schritt nach vorn“, dem
er zunächst nur nach dem Motto „das Glück ist mit
dem Mutigen“ gefolgt sei. „Masse statt Klasse“,
mit diesem Schlagwort versuchte Theo Geißler seinen Mitstreitern
Hinweise zur Ausbildungsqualität in Bläserklassen zu entlocken.
Ludwig Striegel akzentuierte seine Aussage mit dem Satz „aus
Begeisterung schneller lernen“, doch Franz Kellerer musste
dennoch einen „kleinen warnenden Finger heben, was die Qualität
der Ausbildung“ angeht. Klaus Hammer brachte die Idee der
Individualausbildung in Kleingruppen ins Spiel, bei der die Grundlagen
kompetent gelegt werden.
Dass Musikpraxis und theoretische Inhalte keine Gegensätze
bilden, betonte Ludwig Striegel, denn aus der gegenseitigen Durchdringung
von Singen, Tanzen und der Herstellung musikkultureller Kontexte
entstehe ganzheitliche Bildung.
Einen weiteren Schwerpunkt der Diskussion bildete das Thema Finanzierung.
Gerhard A. Meinl betonte das Entgegenkommen der Instrumentenhersteller
insoweit, als Lehrer, die an einem pädagogischen Programm für
das Klassenmusizieren teilgenommen haben, einen Klassensatz an Blasinstrumenten
zu den Herstellungskosten (circa 30.000 Euro) erwerben könnten.
Diese Summe sei durch Sponsoren, aber auch durch kleine monatliche
Beiträge der Eltern zu erbringen.
Denkbar seien zudem Modelle wie Miete oder Mietkauf von Instrumenten.
Möglichkeiten, Geld aufzutreiben, gehörten deshalb zur
Ausbildung seiner Studenten, so Ludwig Striegel. Auch die Musikvereine
würden mithelfen, argumentierte Franz Kellerer. Martin M. Krüger
warf ein, dass jede musikalische Ausbildung den Eltern finanzielle
Opfer abverlange, sei es nun für Unterricht oder für ein
Instrument.
Den „amerikanisierten Musikgeschmack“ der meisten
Stücke für Bläserklassen beklagte Ludwig Striegel.
Ideal wäre es, so Klaus Hammer, wenn die Bläserklassenleiter
selbst in der Lage wären, geeignete Arrangements für ihre
Ensembles zu schreiben. Felix Glombitza bestätigte dies aus
der Praxis, mahnte aber Systeme zur besseren Verbreitung geeigneter
Literatur an.
Vor und nach der Podiumsdiskussion hatten zwei Bläserklassen
einer sechsten Jahrgangsstufe, die von der Realschule Wasserburg
und vom Katharinen-Gymnasium Ingolstadt gekommen waren, beachtliche
Kostproben ihres Könnens nach rund anderthalb Jahren Unterricht
gegeben.