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nmz-archiv
nmz 2005/07 | Seite 6
54. Jahrgang | Jul./Aug.
Magazin - Siegfried Palm
Hommage an einen Freund und Weggefährten
Klaus Bernbacher erinnert sich an Begegnungen mit Siegfried Palm
Dieser Beitrag soll den Blick auf einige Begebenheiten werfen
und anderes ergänzen. Siegfried Palm habe ich vor 50 Jahren
durch den Münchner Komponisten Fritz Büchtger kennengelernt
und zwar im Rahmen von Konzerten des „studio für neue
musik“, die Büchtger in der Münchner Lenbach-Galerie
veranstaltete.
Palm war damals Mitglied des Hamann-Quartetts, das durch die Interpretation
moderner Werke einen ausgezeichneten Ruf inne hatte. Die hoch qualifizierte
Vereinigung bestand aus den Konzertmeistern des NDR-Sinfonieorchesters
Bernhard Hamann (1.Violine) und Siegfried Palm (Cello) sowie den
Herren Köhnsen (2.Violine) und Lang (Viola) vom Philharmonischen
Staatsorchester Hamburg. Sämtliche Quartettmitglieder wirkten
in den kommenden Jahren als Dozenten für Kammermusik bei den
Internationalen Sommerkursen der Jeunesses Musicales auf Schloss
Weikersheim mit, wobei Palm seine immense pädagogische Begabung
als junger Dozent unter Beweis stellte. Er wurde von den jungen
Musikern geliebt.
Für den Weltkongress der Jeunesses Musicales 1960 in Berlin
übernahm er die musikalische Betreuung des Schweiger-Quartettes,
das sich unter seiner pädagogischen Leitung in Weikersheim
gebildet hatte und in Berlin mit Bravour auftrat.
Ende der 50er-Jahre lud ich das Hamann-Quartett nach Hannover ein,
dort arbeitete das von mir 1956 gegründete „studio für
neue musik“ eng mit dem NDR-Hannover zusammen. 1958 entstanden
daraus die „Tage der Neuen Musik“. Siegfried Palm spielte
1962 „Canto di speranza“ von Bernd Alois Zimmermann
mit dem NDR-Rundfunkorchester Hannover unter der Leitung des Komponisten
und damaligen Hauptabteilungsleiters Musik des NDR Winfried Zillig
während des Festivals. In diesen Jahren festigte sich das weltweite
Ansehen dieses einzigartigen Cellisten mit seinen gewaltigen manuellen
Fähigkeiten für die Neue Musik. So war er häufiger
Gast der von Hans Otte geleiteten „pro musica nova“
Tage des Senders Radio Bremen. In der Zeit des Prozesses gegen den
Komponisten Isang Yun in Südkorea, der in Berlin durch den
südkoreanischen Geheimdienst „gekidnappt“ wurde,
führten Siegfried Palm und Hans Otte (Klavier) Yuns Komposition
„Nore“ in Bremen auf, als Teil internationaler Proteste
gegen die Verschleppung Yuns, der sich für die Wiedervereinigung
seines geteilten Landes einsetzte.
Später spielte Palm die Uraufführung „Nomos alpha“
von Iannis Xenakis in Bremen. 1976–89 war ich zusammen mit
Siegfried Mitglied des von Richard Jakoby geleiteten Präsidiums
des Deutschen Musikrates. Wir setzten uns intensiv für die
notwendige Förderung der Neuen Musik außerhalb der Möglichkeiten
des Rundfunks ein. Als Folge entstand das Projekt „Konzert
des Deutschen Musikrates“, welches ab 1980 aus Mitteln des
Bundes gefördert wurde und bis heute Aufführungen Neuer
Musik in der BRD unterstützt. Palm war über ein Jahrzehnt
Mitglied des bis 2003 von mir geleiteten Hauptausschusses dieses
Projektes. Wenige wussten, dass Palm seit jungen Jahren eine heimliche
Liebe zur Oper hatte. Das war sicher der Grund für das Abenteuer
des Generalintendanten der Deutschen Oper in Berlin von 1976–81.
In dieser Zeit klagte er, dass er als weltbekannter Cellist und
Pionier des Neuen in seiner Liebe für das Klassische und Romantische
verkannt sei. Ein Schicksal, welches er mit anderen großen
Wegbereitern der Neuen Musik wie Hermann Scherchen und Hans Rosbaud
teilte. Wir verabredeten eine gemeinsame Produktion des Cellokonzertes
in einem Satz A-Dur op. 42 von Hans Pfitzner. Das Werk konnten wir
im Dezember 1979 mit der Nordwestdeutschen Philharmonie für
Radio Bremen einspielen.
Schließlich soll noch die Übernahme der Leitung des
„Festivals junger Künstler Bayreuth“, das frühere
„Jugendfestspieltreffen“, in den letzten Jahren als
Nachfolger unseres gemeinsamen Freundes und Weggenossen Klaus Hashagen
genannt werden. Es war eine seiner vielen kulturpolitischen Aktivitäten.
Er hat sich als Künstler von hohem Rang stets in die Kulturpolitik
eingemischt, davon gibt und gab es nur wenige. Die Komponisten unserer
Zeit haben ihnen viel zu verdanken.
Abschließen möchte ich kurz mit einem Erlebnis, das
den Menschen Palm und sein Verhältnis zur musikalischen Jugend
zeigt: In einer gemeinsamen Jurytätigkeit über Interpretation
Neuer Musik mühte sich ein junger begabter Cellist mit einer
komplizierten Partie in einem Solo-Stück ab. Palm beobachtete
mit Spannung die Versuche. Dann bat er um Unterbrechung und sagte
dem jungen Cellisten, dass er selber die Stelle zunächst auch
nicht gekonnt hätte, sprachs und zeigte dem verblüfften
Teilnehmer das Ergebnis und den Erfolg seines eigenen längeren
Probierens durch die Anwendung völlig anderer Fingersätze
und Griffe. Was kann man mehr tun?