[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2005/07 | Seite 47
54. Jahrgang | Jul./Aug.
Noten
Zu Herzen gehende Melodien
Neue Noten für mehr oder weniger erfahrene Pianistinnen
und Pianisten
Bärenreiter Piano-Alben – Barock,
BA 8759 und Wiener Klassik, BA 8756
Die Reihe „Piano-Album“ des Bärenreiter-Verlages
hat sich längst einen festen Platz innerhalb des Angebotes
für den Klavierunterricht gesichert. Das mag auch daran liegen,
dass es der Verlag versteht, sinnvoll und sorgfältig auszuwählen,
die einzelnen Ausgaben puzzleartig zusammenzufügen und praxisbezogen,
also auch mit einem gewissen Anspruch an Qualität vorzugehen.
Die Neuerscheinungen „Barock“ und „Wiener Klassik“
verfügen über ein umfangreiches Repertoire, welches
die nationalen Strömungen und die historische Entwicklung
der Tasteninstrumente berücksichtigt. Dabei achteten die
Herausgeber Adel Erenyi sowie Michael Töpel auf die Vielfalt
der Gattungen und bevorzugten bewusst kurze Spielstücke mit
progressivem Charakter. Das Barockalbum umfasst die Zeit zwischen
1600 und 1750, dem Sterbejahr Bachs. Komponisten aus England,
Italien, Frankreich und Deutschland, auch solche, die nicht jedem
Klavierschüler geläufig sein dürften, stellen sich
mit typisch früh-, hoch- und spätbarocken Werken vor.
Durch die Angabe der Lebensdaten lassen sich die Komponisten sehr
gut einordnen, die stilistische Entwicklung wird hörbar.
Ornamentik und Fingersätze finden sich im Notentext abgedruckt;
sie bedürfen gegebenenfalls einer Korrektur.
In dem Wiener Album dominieren Haydn, Mozart und Beethoven mit
prägnanten Stücken, auch Sonatensätzen. Kontrastierend
dazu gibt es absolut reizvolle Stücke anderer Zeitgenos-sen
wie Hook, Diabelli, Clementi, Attwood, Hummel, Türk, Benda.
Der zeitliche Rahmen spannt sich jedoch von J.Chr.F. Bach bis
Schubert und Field, welcher sehr aussagekräftig die Konturen
dieser Epoche widerspiegelt. Neben biographischen Notizen findet
sich hier, soweit bekannt, auch die Entstehungszeit der Kompositionen.
Nicht vergessen werden soll der Hinweis auf die außergewöhnlich
schönen Aufnahmen historischer Instrumente in beiden Bänden;
für Schüler, die kein Musikinstrumentenmuseum am Ort
haben, ein anschaulich-interessantes Bildmaterial.
Nicolas Medtner: 6 Märchen, Zimmermann Frankfurt,
ZM 34340
Die „Sechs Märchen“ op. 51 von Medtner (1880-1951)
entstanden im Jahr 1928 und wurden vom Komponisten nach einigen
Voraufführungen 1929 in Philadelphia uraufgeführt und
später mehrfach eingespielt. Diese Neuausgabe basiert auf
einer Revision der bei Zimmermann 1929 erschienenen Erstausgabe.
Die überwältigende Mehrzahl sei-ner 61 Opera gelten
dem Klavier; der Hauptakzent liegt auf der von ihm selbst begründeten
Formgestaltung des „Märchens“. Sie stellen eindeutige
Bezüge zur russischen Volksdichtung her (hier: Aschenbrödel
und Iwan der Dummkopf). Form und musikalische Thematik zeigen
sich in aller Vielfalt. Kantilenenstücke mit reicher Satzausgestaltung,
eine besondere Ausprägung des Marschgenres, ein spätromantischer
Klaviersatz ohne modernen Aufputz sind Kennzeichen Medtners, der
wie Skrjabin und Rachmaninow auch ein ausgezeichneter Pianist
war. Seine dunkle und melancholische Tonsprache mit zuweilen grüblerischer
Note hat biographische Ursachen. Dies bedeutet jedoch nicht Verzicht
auf spielerische Virtuosität, so dass die Märchen als
Zyklus auch hinsichtlich ihres Umfangs repertoirewürdig sind.
Studienliteratur.
Ethel Smyth (1858-1944), die 1877 als erste Frau ein Kompositionsstudium
am Leipziger Konservatorium aufnehmen durfte und sich zeitlebens
der Achtung ihrer männlichen Kollegen erfreute, hinterließ
ein Œuvre mit auffallend wenig Klaviermusik. Ihre Klavierwerke
fallen in die Leipziger Zeit, die sie trotz anfänglicher
Unzufriedenheit später als die glücklichste ihres Lebens
empfand.
Liana Gavrila-Serbescu edierte posthum Smyth‘s gesamtes
Klavierwerk in zwei Bänden; hier soll auf den ersten Band,
der drei Sonaten enthält, hingewiesen werden. Wie die Herausgeberin
betont, sollten diese Stücke zum Standardrepertoire der Pianisten
gehören. Kurz hintereinander entstanden diese Sonaten in
C, Cis und D (unvollendet) im ersten Studienjahr. Der Kommunikationsfreudigkeit
Smyths ist es zu verdanken, dass uns so zahlreiche Zeugnisse ihrer
Arbeitsweise zur Verfügung stehen.
Die Entstehung der Sonaten spiegelt eine prägnante kompositorische
Entwicklung wider, die von den Klassikern beeinflusst scheint,
aber auch romantische Züge trägt. Die Sonate in C hat
etwa folgenden Satzaufbau: Allegro vivace, Minuet, Trio, Adagio
(marcia funebre) und Rondo. Dazu Julius Röntgen: „Dieses
Rondo ist so rein und so frisch, dass ich hätte beihnahe
meinen können, es sei von Mozart.“ (Vorwort)
Naji Hakim: Ouverture Libanaise, Alphonse Leduc
Paris, AL 29545
Naji Hakim, der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag begeht,
wurde in Beirut geboren. Seine musikalische und auch technische
Ausbildung absolvierte er in Frankreich mit größtem
Erfolg. Damit war der Grundstein gelegt für eine berufliche
Entwicklung, die ihm Anerkennung in höchstem Maße einbrachte.
Die Ouverture Libanaise ist eine Reminiszenz an seine nahöstliche
Heimat. Das zehnminütige Stück verlangt rhythmische
Gewandheit, technische Perfektion und ein Gespür für
arabisches Melos. Trotz mehrerer Taktwechsel und Veränderungen
des Metrums wird es von einer fast durchlaufenden Motorik in schnellen
Tempi getragen, welche nur von einem Moderato quasi improvisando-Teil
unterbrochen wird.
Nach dieser Zäsur werden die Themen wieder aufgegriffen,
variiert, zur Virtuosität getrieben, mit Staccato-Oktaven,
Glissandi, Tremoli, Ornamentik und vollgriffigen Akkorden gewürzt.
Die Spannung, die durch die ständig wechselnden Tempi erzeugt
wird, erhöht sich noch durch eine kontrastreiche Dynamik.
Wenn man davon ausgeht, dass das Klavier in der arabischen Musik
keine Tradition hat, so kann Hakims Versuch, die Eigenart ihrer
Instrumente aufs Klavier zu projizieren als ausgesprochen gelungen
angesehen werden. Für Studierende und Pianisten.
Francis Schneider: Klavierwochenkalender, HBS
Nepomuk, MN 12046
Francis Schneiders Veröffentlichungen tragen stets kreativen
Charakter. Ob „Musik der Bilder“ oder „In Tönen
reden“ – es werden Sinne angesprochen, die ansonsten
ein stiefmütterliches Dasein im Unterricht fristen. Damit
zukünftig der Erfindungsgeist in aller Regelmäßigkeit
gefördert werden kann, gibt es nun einen Kalender.
Dieser sollte natürlich sichtbar über dem Klavier hängen
und nicht nur über dem des Schülers. Denkbar wäre
die Benutzung zu Beginn des Unterrichts, zum Aufwärmen von
Fingern und Geist. Und was gibt es zu tun? Frage-Antwort-Spiele,
Transpositionen, Variationen, Zauberei mit Intervallen und Tonarten,
Blattspiel, Knobelei mit Rhythmus und Metrik und das mit allem
verbundene Training der Technik, ganz nebenbei.
Ein Experimentierfeld für zeitgenössische Klangstrukturen
gibt es nicht, dafür aber ins Herz gehende Melodien. Dieser
immerwährende Kalender ist in schwarz-weiß gestaltet
worden und er darf natürlich auch verschenkt werden. Für
Anfänger (noch) nicht geeignet.