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VdM
nmz-archiv
nmz 2005/07 | Seite 26
54. Jahrgang | Jul./Aug.
Verband deutscher Musikschulen
Nicht nur ein bisschen Frieden
Revue der Folkwang Musikschule Essen zum Musikschulkongress ‘05
„Macht Euch das bisschen Friede schon so übermütig?“
lässt der große Aufklärer Gottfried Ephraim Lessing
in seinem Lustspiel „Minna von Barnhelm“ den Diener
Just fragen. Programmatisch war diese Frage für die gesamte
Revue, die die Folkwang Musikschule Essen am 1. Mai 2005 zum Abschluss
des Musikschulkongresses ‘05 in der Philharmonie Essen vor
1.500 Besuchern aufführte.
Sinfonieorchester, Schauspielensemble und Tanzensemble der Folkwang
Musikschule sowie Studierende des Fachbereiches Gesang der Folkwang
Hochschule Essen und der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf
riefen mit Musik, Tanz und Texten ins Bewusstsein, dass der 60 Jahre
währende Frieden in Deutschland Leichtfertigkeit nicht verträgt
und immer wieder neu bewahrt werden muss. Dass die jungen Künstler,
die diese Revue bestritten, auch selbst hierzu beitragen, sprach
der neu gewählte Vorsitzende des Verbandes deutscher Musikschulen
(VdM), Dr. Winfried Richter, zu Beginn in der Philharmonie aus und
betonte: „Musikschulen sind auch ein Partner für den
Frieden“.
Die Zeit um 1914 stand gleich zu Anfang mit Kriegsliedern im Mittelpunkt,
unter anderem aus dem vaterländischen Volksstück „Immer
feste druff!“ von Walter Kollo. Es folgten Ausschnitte aus
Emmerich Kálmáns „Ein Herbstmanöver“
und „Der lustige Krieg“ von Johann Strauss. Das Gesangsquartett
mit Ann-Kristin Seele, Marisa Ammann, Paul Popow und Matthias Sprekelmeyer
überzeugte dabei mit großer stimmlicher Leichtigkeit
und Bühnenpräsenz.
Beeindruckend war auch die Leistung des Sinfonieorchesters der
Folkwang Musikschule, das unter der Leitung von Christian de Witt
die „Egmont“-Overtüre und den Marsch in d-Moll
von Anton Bruckner differenziert aufeinander abgestimmt, leidenschaftlich
und auf hohem musikalischem Niveau spielte.
Ein „Wechselbad der Gefühle“ bot diese in sich
höchst schlüssige Revue (Konzept und Regie: Michael Seewald,
musikalische Leitung: Christian de Witt) zwischen Operettenseligkeit
und der Ansprache von George W. Bush zum Beginn des Irak Krieges,
vorgetragen von Gregor Beyerle. Nachdenklich stimmte das Sprecherensemble
mit Sebastian Ahr, Jenny Berndt, Gregor Beyerle, Till-Simon Gebhard
und Alexandra Hlastan mit der Ansprache von Bundespräsident
Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag der
Beendigung des Zweiten Weltkrieges, Bertolt Brechts Rede „Zum
Kongress der Völker für den Frieden“ und einem höchst
aktuell wirkenden Auszug aus „Die Schuldfrage“ von Karl
Jaspers aus dem Jahr 1946. Kinder waren es dann (Robin Peretzke,
Patrik Busch, Till Rückwart als Nathan eins, zwei und drei
die Verkörperung von Judentum, Islam und Christentum sowie
Till-Simon Gebhardt als Saladin), die die „Ring-Parabel“
aus Lessings „Nathan der Weise“ vortrugen und damit
die Gemeinsamkeit der Wurzeln der großen monotheistischen
Religionen anschaulich werden ließen.
Sehr still wurde es im Saal, als die junge Jenny Berndt in eindringlichem
Ton die weltweit aktuellen Kriege aufzählte, dabei den Zuhörern
Zeit ließ und Raum eröffnete für den damit verbundenen
Subtext. Der Schlussauftritt gehörte dem Tanzensemble der Musikschule
mit einer Choreographie von Marius Bélise zu Charles Ives
„The Unanswered Question“, die in ergreifender Weise
die Fragilität des Friedens spürbar werden ließ
und die permanente Aufgabe zu seiner Sicherung deutlich machte.
Die Botschaft, dass Gleichgültigkeit statt Friedensanstrengungen
fahrlässige Herausforderung von Gewalt bedeutet, nahm in dieser
choreografischen Unmittelbarkeit der Bilder dumpf drohende Gestalt
an.
Die Frage „Macht Euch das bisschen Friede schon so übermütig?“,
die auch über das Ende hinaus offen blieb, wurde von diesem
jungen Ensemble musikalisch und künstlerisch höchst bewegend
und einfallsreich auf der Bühne umgesetzt. Das Publikum dankte
mit großem und lang anhaltendem Beifall, der von vielfachen
Bravo-Rufen durchsetzt war, für diese fesselnden Ideen und
die mitreißende Aufführung.