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nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 35
54. Jahrgang | September
Bayerischer Kulturrat
Eigenständige und eigenwillige Position
Dietmar Brehm und Yoko Ono im Museum Moderner Kunst in Passau
Noch bis 9. Oktober 2005 wird im MMX (Museum Moderner Kunst) in
Passau das künstlerische Werk Dietmar Brehms gewürdigt.
Es umfasst filmische Arbeiten, Malerei, Fotografie und Zeichnung.
Im Bereich der internationalen Kino-Avantgarde zählt Brehm
mit mehr als 900 Vorführungen bei Festivals und Filminstitutionen
auf allen Kontinenten seit vielen Jahren zu den international angesehensten
Künstlern dieses Genres. Sein malerisches, grafisches und fotografisches
Werk wurde hingegen erst in letzter Zeit in Verschränkung mit
der Methodik seiner filmischen Arbeiten verstärkt einer Betrachtung
unterzogen.
Im Rahmen der Ausstellung „Blickzwang“ im MMK-Passau
werden aus all diesen künstlerischen Genres exemplarische Werke
präsentiert. Die inhaltlich wie medial miteinander verschränkten
Werke entstehen parallel zueinander. Obwohl sie als unabhängige
Bildzyklen konzipiert sind, verdeutlichen sie das den verschiedenen
medialen Ausdrucksformen zugrunde liegende Interesse seiner Auseinandersetzung
mit einer reproduzierten Wirklichkeit. Dietmar Brehm bedient sich
aus dem Überfluss an Bildarsenalen der Medienwelt und versucht
das ihnen inhärente Unterbewusste durch Verfremdung des Ausgangsmaterials
freizulegen. Das vorgefundene Bildmaterial wird von Brehm so lange
transformiert, bis sich kein eindeutiger Interpretationsschlüssel
mehr finden lässt. Bewusst vollzieht er einen Zusammenschluss
von Bildern aus einem aktuellen wie tradierten Kunstkontext, aus
Alltagsbildern, Kriminalfilmen et cetera. Er kombiniert Abstraktion
und Gegenstandsorientierung und erzeugt dadurch eine gefilterte,
oftmals hypnotisierende und geheimnisvoll wirkende Wirklichkeitsebene.
Seine Bilder und Bildabfolgen evozieren damit neue Wahrnehmungsstrukturen
und Erzählwirklichkeiten.
Ebenfalls noch bis 9. Oktober 2005 dauert die Ausstellung von
Yoko Ono. „Basically I am interested in communication and
therefore participation of everybody. I’m just part of the
participation and the thing to participate should be basically a
mindsort of thing. I can express it in any medium, just as you use
water in everything for cooking.“ Diese Aussage Yoko Onos
dient gerade beispielhaft als Metapher für Ihr gesamtes, grenzüberschreitendes
Œuvre. In ihrem sich über mehr als vier Jahrzehnte erstreckenden
künstlerischen Werk verwendet die zur Pop- und Kultfigur gewordene
Künstlerin die verschiedensten Ausdruckformen und Darstellungsweisen.
So verbindet sie in ihrer Arbeit Musik, Klangcollagen, Performance,
Lyrik, Fotografie, Film und avantgardistische Konzept- und Installationskunst.
Sie greift auf all diese medialen Formen zurück, und zwar Jahrzehnte
bevor der Begriff „Crossover“ in den 90er-Jahren zu
einem inflationär verwendeten Schlagwort der Jugend-Eventkultur
geworden ist.
Die 1933 in Tokyo geborene und in New York lebende Yoko Ono trat
erstmals in den späten 50er-Jahren als Avantgarde- und Performancekünstlerin
im Umkreis der New Yorker Fluxusbewegung um George Maciunas, John
Cage, Merce Cunningham, LaMonte Young oder Yvonne Rainer in Erscheinung.
In den post-dadaistischen Debatten, die von Michel Duchamp und John
Cage geprägt waren, ging es um das Niederreißen der Grenze
zwischen hoher Kunst und dem täglichen Leben. Yoko Ono hat
diesen fluxusorientierten Ansatz verinnerlicht. Vor allem in Ihren
frühen Arbeiten wie „Ceiling Painting“ und „Painting
to hammer a nail“ verwandelte sie den Alltag in Kunstobjekte
und forderte damit die Frage heraus, was Kunst sei. In überraschenden
und provokanten Arbeiten entstanden frühe Dichtung, Musikstücke
und Performances. Sie zielten darauf ab, die konventionellen Betrachtungsweisen
der bildenden Kunst und das passive Verhältnis des Betrachters
gegenüber der Kunst in Frage zu stellen und zu verändern.
Die Ausstellung „YOKO ONO“, die erste in Deutschland
stattfindende Personale in diesem Umfang der Künstlerin, präsentiert
nahezu ihr gesamtes filmisches Werk; darunter die bekannten Arbeiten
„Bottoms, FIy, Smile“ oder „Rape“, die Yoko
Ono als eine formal radikale Filmemacherin der 60er-Jahre darstellen.
Darüber hinaus wird in einem Musikraum eine Selektion ihres
musikalischen Werkes zu hören sein. Die Schau vereint in den
Bereichen Film, Musik und bildende Kunst ihre - von den frühen
60er-Jahren bis in die Gegenwart reichenden, genreüberschreitenden
Arbeiten.
Die Filme von Yoko Ono stellen eine besonders eigenständige
und eigenwillige Position in der Geschichte des experimentellen
amerikanischen Avantgardefilms dar. Ihre Besonderheit ergibt sich
durch den Kontext der Fluxuskunst und den daraus entstehenden ästhetischen
und philosophischen Herangehensweisen. Ihre Erfahrungen in experimenteller
Musik und Performance führten Yoko Ono um 1966 zu den ersten
filmischen Experimenten, aus denen etwa die avantgardistischen Filme
„Eyeblink“, „Match“ und „Bottoms“
entstanden sind. Dabei reduzierte sie die Handlung meist auf das
Allernotwendigste, und stellt – nur scheinbar nebensächliche
– Details ins Zentrum der Betrachtung. Charakteristisch bei
ihren Filmen ist die serielle Darstellungsform, die vertraute Zeitstrukturen
unterwandert und den Fokus auf das Bild als Phänomen per se
richtet. Die eigenartige Verwendung und Bearbeitung der Tonspur
fügt den Filmen eine weitere außergewöhnliche Erfahrungsebene
hinzu. Auf musikalischer Ebene ist Yoko Ono mit ihren Musikexperimenten,
dem extremen Gesangstil und den minimalistischen Tendenzen in ihren
Kompositionen und Soundperformances stets ihrer Zeit voraus gewesen.
Dabei war sie wesentlich von der Zwölftonmusik der zweiten
Wiener Schule um Schönberg und Webern geprägt. Diese musikalische
Ausdrucksweise kam ihrem fluxusorientierten Ansatz sehr nahe, da
die Kompositionsweise eine war, welche die strengen formalen Fesseln
der Tonalität ablegen wollte, wenn nicht gar zu sprengen versuchte.
Die bildende Künstlerin, Musikerin und nach wie vor politisch
engagierte Frau Yoko Ono, bei der Kunst, Leben und Selbstfindung
eins sind, soll mit dieser Ausstellung, der ersten umfassenden Retrospektive
in Deutschland, erstmals einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert
werden.