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nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 56
54. Jahrgang | September
Oper & Konzert
Fein zerstäubt oder geschichtet
Das Festival next_generation am Zentrum für Kunst und Medientechnologie
in Karlsruhe
Ist der Computer das Instrument der Zukunft? Wenn ja – wie
kann ein Komponist sein Werk damit so inszenieren, dass es nicht
von der Inszenierung erschlagen wird? Und wie nutzt man visuelle
Medien, ohne dass die Musik dahinter zurücktreten muss? Derartige
Fragen stellten sich am ZKM Studierende und Leiter der Elektronischen
Studios in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz: Das Festival
„next_ generation“ wurde zur Bestandsaufnahme dessen,
was das Berufsbild des Komponisten eigentlich bedeutet. Dass gerade
in der zeitgenössischen elektronischen Musik die Urheber oft
ihr alleiniges Publikum sind, hat man inzwischen selbstkritisch
erkannt.
Längst ist man sich einig, dass sich ein Komponist heutzutage
nicht mehr in einer Monokultur ansiedeln kann. Gerade deshalb ist
der Austausch der Hochschulen untereinander wichtig – ebenso
wie die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen. Die Folkwang-Hochschule
Essen bietet etwa den Studiengang „Integrative Komposition“:
Hier befassen sich die Studierenden mit allen zeitgenössischen
Musikformen (auch Pop und Jazz), und setzen sich damit zunehmend
mit Musikstilen auseinander, die weltweit immerhin den größten
Teil des Marktes ausmachen.
Mit der Beschallung von Bühnenproduktionen oder dem Einsatz
von Bildmedien sucht man daneben den Austausch mit anderen Künsten
– bis hin zum Gesamtkunstwerk, das von der Musik beeinflusst
wird, indem man die Prinzipien der Komposition auf das bewegte Bild
überträgt. Auch die Hochschule für Musik und Theater
in Hamburg schärft mit dem Masterstudiengang „Multimediale
Komposition“ den Blick für andere Bereiche: Aufgaben,
die es in Videoschnitt, Performance oder Hörspiel zu lösen
gilt, sollen die eigene künstlerische Arbeit bereichern. Dabei
gibt es jedoch eine Schwierigkeit: Der interdisziplinäre Unterricht
muss den Studierenden etwas vermitteln, das über das übliche
Handwerk hinausgeht; eine einheitliche Ausbildung scheint deshalb
an den Hochschulen kaum möglich, zumal nicht alle Studios gleichermaßen
ausgerüstet sind. Deshalb hängt der Erfolg der künstlerischen
Arbeit nicht nur vom Lernwillen einzelner Studierender ab –
sondern vor allem von der Bereitschaft der Dozenten, sich auf Neues
einzulassen.
Doch hinter der Vernetzung verschiedener Sparten steht auch ein
ganz pragmatischer Wunsch: Man möchte den Studierenden eine
Ausbildung ermöglichen, die mehrere berufliche Perspektiven
aufzeigt. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb an der Karlsruher
Musikhochschule der Studiengang „Musikinformatik“ (kombiniert
mit dem Fach Musikwissenschaft) eingerichtet wurde: Die Auswirkungen
der computergestützten Arbeit in Forschung und Kunst sollen
hier untersucht, der Markt für Musikwissenschaftler dadurch
erweitert werden. Denn bislang beschäftigt man sich dort eher
mit historischen Fragen; den neuen Studiengang sieht Thomas A. Troge,
Leiter des Computerstudios an der Musikhochschule, somit „als
Chance für die Musikwissenschaft, zu einer zeitgenössischen
Betrachtung zu gelangen“.
Mancherlei Verlockungen bringt die Elektronik mit sich. Immer
geschliffener sind die Klänge, die im Studio (oder inzwischen
auch am heimischen Laptop) produziert werden: Fein zerstäubt
oder geschichtet werden sie per Lautsprecherbeschallung zum eindrucksvollen
Hörerlebnis – aber in der Summe sind die Stücke
dann meist nivelliert, alles wirkt gleichförmig; die feinen
Unterschiede, um die man sich mittels ausgefeilter Technik bemüht,
sind vom Hörer irgendwann kaum noch wahrzunehmen. Konrad Boehmer
(Den Haag) warnt deshalb davor, die Technik zum Selbstzweck verkommen
zu lassen: „Man muss ein Kunstwerk danach beurteilen können,
was es ist, und nicht danach, wie es gemacht wurde.“ Dies
setze jedoch beim Künstler ein großes Bewusstsein für
Ästhetik voraus; ein Komponist sei heutzutage jedoch so sehr
mit Programmen und Software beschäftigt, dass für musikalische
Fragen kaum noch Raum bliebe. Zudem bemängeln die Hochschuldozenten,
dass es den Studierenden oft an grundlegenden Kenntnissen in der
Notation fehle. Demgegenüber stehe jedoch gerade bei Jugendlichen
ein großes Interesse an elektronischen Medien und daneben
auch ein musikalisches Bedürfnis; es gehe nun vor allem darum,
dieses Potenzial – gerade auch außerhalb der Hochschule
– so früh wie möglich zu nutzen.