[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 28
54. Jahrgang | September
Jeunesses Musicales Deutschland
Im Kreis dreht sich’s um Musik
Regionales Jugendorchesterprojekt der Jeunesses Musicales
Sie trafen sich in größeren Abständen seit gut
einem Jahr. Sie musizierten gemeinsam und sie dachten über
ihr Orchester nach. Sie überlegten, wie sie sich für ihr
Jugendorchester über das Mitspielen hinaus einsetzen könnten:
Sechs Jugendorchester unterschiedlichster Art nahmen an einem regionalen
Projekt teil, das die Jeunesses Musicales in ihrer unmittelbaren
Weikersheimer Nachbarschaft ausgeschrieben hatte. Mit zwei groß
dimensionierten Orchesterkonzertfesten erlebten die Beteiligten
sich jetzt auf dem Höhepunkt ihrer gemeinsamen Arbeit.
Der Landkreis Main-Tauber hat eine Ausdehnung von rund 100 Kilometern
entlang der Tauber und reicht fast von Rothenburg bis nach Wertheim,
wo das Flüsschen in den Main mündet. In Weikersheim, inmitten
von Weinbergen im lieblichen Taubertal, hat die Jeunesses Musicales
Deutschland ihren Sitz.
Die Musikakademie Schloss Weikersheim, die JMD-Kurse, die Opernaufführungen
sind bundesweit ein Begriff und international bekannt. Die Bevölkerung
erfährt in der Regel wenig von dem, was im hohen Schloss so
vor sich geht. Die Jeunesses Musicales ist der Fachverband der Jugendorchester
und korrespondiert mit über 200 Ensembles überall in Deutschland.
Aber mit der Basis im ländlichen Raum – auch ein Normalfall
in unserer Republik – gab es bislang wenig Kontakte. Lediglich
das Jugendsinfonieorchester Bad Mergentheim war und ist eines der
engagierten Mitglieder des Verbandes und beteiligt sich zum Beispiel
regelmäßig am Deutschen Jugendorchesterpreis der JMD.
Dass sich auch in diesem Kreis nicht alles um Jugendorchester
dreht, verstand sich von vornherein. Dass aber das kommunale Umfeld
besser Notiz nehmen könnte von dem kulturellen Potenzial jugendlicher
Aktivmusiker, das erkannten alle Beteiligten schnell als gemeinsames
Thema.
Schwieriger zu begreifen war freilich, dass es bei ihnen selber
anfängt, bei ihrem Selbstverständnis, ihrem Selbstbewusstsein,
ihrer Bereitschaft zum Mitdenken und Mitmachen. Dazu gehört
der heutzutage auch nicht mehr selbstverständliche regelmäßige
Probenbesuch ebenso wie die Frage, wie man sich wirkungsvoll einem
Publikum präsentiert und vielleicht auch neue Sympathisantenkreise
gewinnt.
Damit alles nicht nur graue Theorie blieb, stand im Mittelpunkt
des Projekts von vornherein der Ernstfall: der spektakuläre
Auftritt im Rahmen eines gemeinsamen Konzertnachmittags in den bedeutenden
Kulturstätten des Kreises – auf Schloss Weikersheim und
im Zisterzienserkloster Bronnbach.
Und damit alle eine dauerhafte Grundmotivation bekamen, bot ihnen
die JMD etwas, das sie vorher nicht kannten: das Musizieren in einem
wirklich großen Klangkörper, in dem Jeder seinen Platz
fand. Das Jugendsinfonieorchester Bad Mergentheim wurde dem ebenso
einverleibt wie das Jugendorchester Wertheim, die Bigband aus Tauberbischofsheim
ebenso wie die Bläserharmonie der Musikschule Mergentheim,
die Mädchenband der Realschule ebenso wie das Young Orchestra
der Musikschule Hohenlohe.
Der Leiter der Musikakademie der JMD, Günter Müller-Rogalla,
hatte es durch eine geschickte Programmauswahl möglich gemacht,
dass auch Keyboard, Akkordeone, Saxophone und Gitarren unterkamen.
Er dirigierte diese am Ende rund 100 Mitwirkende starke SinfonikPLUS-Orchester,
in dem die Jugendorchesterleiter selbst begeistert mitwirkten. Bei
schönstem Wetter setzten die Konzertnachmittage unter freiem
Himmel und in historischer Kulisse die erhofften Akzente für
die Jugendorchester im Kreis.
Und die Bilanz des Projekts? Es entstand ein Kontakt, ein Austausch
der Ensembles und ihrer Leiter, den es vorher nicht gegeben hat
– ein neues Netzwerk, aus dem vielleicht neue kulturelle Kraft
in dem von Musikschuletatkürzungen gebeutelten Landkreis entsteht.
Es wurde ein helles Licht auf die Jugendorchesterarbeit geworfen,
die oftmals nur im Halbschatten der familiären Publikumskreise
Erfolge feiert. Zwei engagierten Musikschullehrerinnen der Musikschule
Hohenlohe bot das JMD-Projekt Anlass, bei ihrem Schulleiter endlich
ein kleines Deputat für die Orchesterarbeit durchzusetzen,
die sie zunächst ehrenamtlich initiiert hatten.
Es gab bei den Jugendlichen einen neuen Blick auf ihr Orchester,
Kontakte zu Gleichgesinnten aus den Nachbarstädten. Ein Blechbläserensemble
fand sich zusammen, das schließlich beim Bundeswettbewerb
Jugend musiziert mit einem ersten Preis reüssierte. Junge Leute
traten ans Mikrofon, um ihr Orchester vorzustellen und durchs Programm
zu führen, sie stellten Plakatwände und Powerpoint-Präsentationen
her, beteiligten sich an organisatorischen Aufgaben. Jugendorchester
at its best.
Mit ihrem regionalen Projekt wollte die JMD nicht allein ihrer
Nachbarschaft einen direkten Nutzen zukommen lassen. Sie hatte durchaus
vor, frische Basisluft zu schnuppern, um neue Aspekte für den
Ausbau ihrer Jugendorchesterarbeit zu gewinnen. Die Fortschreibung
des Deutschen Jugendorchesterpreises, die Entwicklung eines Qualifizierungsseminars
für engagierte Jugendorchestermitglieder, aber auch ganz einfach
die Erweiterung ihrer Beratungskompetenzen – das sind unmittelbare
Impulse dieses Kreisprojekts für den Bundesverband und kommen
damit auch wieder den anderen Jugendorchestern in Deutschland zugute.