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nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 16
54. Jahrgang | September
Kulturpolitik
Oft nur guter Wille nötig
Bürokratisierung behindert Orchester – BDMV fordert
Reduzierung der Regelungsdichte
Bürokratische Regelungen belasten besonders die Verantwortlichen
bei kleineren Musikvereinen und Orchestern. Ehrenamtliche Vorstände
müssen sich in zahlreichen Rechtsgebieten auskennen. Die Musik
tritt dabei oft genug in den Hintergrund. Dabei liegen Vorschläge
zur Verwaltungsvereinfachung für Vereine seit langem auf dem
Tisch.
„Steuerangelegenheiten sind für uns nur unter Mithilfe
eines Steuerberaters zu bewältigen“, klagt Stefan Ehrhardt,
Vorstandsmitglied beim Musikverein Alfdorf. Wie dieser Verein aus
Ostwürttemberg haben viele Musikvereine und Orchester in Deutschland
mit der Bürokratie zu kämpfen. Vereinsvorstände müssen
heute über profunde Kenntnisse auf den Gebieten des Haftungs-
und Jugendschutzrechts, des Sozialversicherungs- und Gemeinnützigkeitsrechts
sowie des Vereinssteuer- und Urheberrechts verfügen. Daneben
müssen sie auch über Satzungsfragen, Haushaltsordnungen
und Vorschriften für Feste Bescheid wissen. Die musikalische
Betätigung tritt dabei manchmal in den Hintergrund.
In Alfdorf sind alle Vorstandsmitglieder aktive Musiker, doch
hauptsächlich kümmern sich Ehrhardt und seine vier Vorstandskollegen
um Fragen der Organisation, Kommunikation, Planung und Steuerung.
Insgesamt hat der Musikverein Alfdorf über 100 aktive Musiker
in zwei Orchestern und über 300 fördernde Mitglieder.
Außerdem betreibt er eine Musikschule, in der rund 300 Kinder
und Jugendliche ausgebildet werden. Für die Vorstände
und die kleine Geschäftsstelle des Vereins fällt da eine
Menge Arbeit an. Um diese zu reduzieren und den Fokus wieder mehr
auf die Musik zu lenken, hat die Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände
(BDMV), der über 18.000 Orchester in Deutschland angehören,
einen umfangreichen Forderungskatalog an die Politik gestellt.
„Ehrenamtlich geführte Institutionen haben zunehmend
mit der steigenden Regelungsdichte zu kämpfen. Viele Menschen
werden abgeschreckt, sich für die Gemeinschaft zu engagieren“,
so Stefan Liebing, Generalsekretär der BDMV. Deshalb tritt
der Verband dafür ein, dass für kleinere Vereine zur Erlangung
der Gemeinnützigkeit vereinfachte Regelungen getroffen werden,
um einen kleinen Förderverein nicht auf eine Stufe mit dem
ADAC oder dem Roten Kreuz zu stellen. Daneben fordert die BDMV,
für gemeinnützige Vereine eine vereinfachte Steuererklärung
auf lediglich einer Formularseite einzuführen. Sie soll in
Einnahmen und Ausgaben gegliedert sein und bei beiden Haushaltspositionen
die wirtschaftliche Tätigkeit separat ausweisen.
Die Haftungsregeln für Vereinsvorsitzende sollen eingeschränkt
werden, „denn es ist widersinnig, wenn Ehrenamtliche inzwischen
spezielle Haftpflichtversicherungen abschließen und auch noch
dafür bezahlen müssen, um sich für eine gemeinnützige
Aufgabe einsetzen zu dürfen“. Außerdem sollen Mitgliedsbeiträge
künftig als steuerabzugsfähige Spenden anerkannt werden,
um mehr Unabhängigkeit von öffentlichen Geldgebern zu
erreichen und der Freibetrag für Aufwandsentschädigungen
für Dirigenten und Musiklehrer, die so genannte Übungsleiterpauschale,
erhöht werden. Auch eine Verschlankung des Zuwendungsrechts
wird angemahnt.
Ins gleiche Horn stößt auch der Geschäftsführer
des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann. „Von einem Abbau
an Bürokratie könnten Vereine und bürgerschaftlich
Engagierte profitieren.“
Zwar müsse ein wirtschaftlich tätiger Verein damit leben,
aus Sicht des Rechts mit denselben Maßstäben gemessen
zu werden wie ein Unternehmen, das schließe aber nicht aus,
generell über Vereinfachungen des bürokratischen Systems
nachzudenken. Auch Zimmermann fordert Veränderungen im Gemeinnützigkeits-
und Vereinfachungen im Steuerrecht ein. Dort soll beispielsweise
ein steuermindernder Transfer von erwirtschafteten Mitteln aus dem
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb in die ideelle Vereinssphäre
möglich sein. Auf eine Abgabe einer Körperschafts- oder
Gewerbesteuererklärung solle bei Geringfügigkeit verzichtet
werden können. Da manche Vorschläge zu Einnahmeausfällen
bei der ohnehin klammen öffentlichen Hand führen könnten,
schlägt Zimmermann vor, zumindest „das umzusetzen, was
nichts kostet“. Wie die Verringerung des Haftungsrisikos für
Ehrenamtliche.
Bis es zu einer spürbaren Verwaltungsvereinfachung bei Vereinen
kommt, seien aber noch viele dicke Bretter zu bohren. Doch dann
könnten sich Vereine wie der Musikverein in Alfdorf wieder
mehr auf die Musik und die Ausbildung des Nachwuchses konzentrieren.