[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 13
54. Jahrgang | September
Kulturpolitik
Der Dialog hat sich merklich verbessert
Ein Gespräch zwischen Manfred Trojahn und Ralf Weigand
Initiiert von den „Informationen“, der Zeitschrift
des Deutschen Komponistenverbandes (DKV), trafen sich im Juni 2005
der Präsident des DKV, Manfred Trojahn, und Ralf Weigand, Vorstandsmitglied
des Composers Club (CC) und gleichzeitig DKV-Landesverbandsvorsitzender
in Bayern, zu einem Gespräch, um über vergangene Differenzen
und zukünftige Planungen der beiden Verbände zu sprechen.
Die neue musikzeitung druckt das Gespräch vorab.
neue musikzeitung: Im Jahr 2003 gab es anlässlich
der Wahlen zum GEMA-Aufsichtsrat eine breite öffentliche Aufmerksamkeit
für die „Differenz“ zwischen DKV und CC. Heute,
zwei Jahre danach, sitzen der Präsident des DKV, Manfred Trojahn,
und CC-Vorstandsmitglied Ralf Weigand an einem Tisch. Wie sehen
Sie das Verhältnis DKV und CC heute?
Ralf Weigand (oben) und
Manfred Trojahn. Fotos: Martin Hufner
Ralf Weigand: Ich denke, dass sich sehr viel positiv
verändert hat. Nicht zuletzt haben sich ja auch sehr viele
CC-Mitglieder dafür eingesetzt, dass sich an der Spitze des
DKV etwas tut. Die meisten CC-Mitglieder sind auch DKV-Mitglieder.
Ich glaube, dass wir mit Manfred Trojahn jemanden gefunden haben,
der die Integration ernst meint. Der Dialog hat sich merklich verbessert.
Wir hören immer wieder, dass wir in bestimmten Punkten verschiedener
Meinung bleiben dürfen und wahrscheinlich auch müssen.
Ich denke aber durchaus, dass sich die Strukturen in Zukunft auch
noch mal verändern können. Ich bin nach wie vor nicht
überzeugt von der strikten Trennung zwischen E und U, und ich
glaube, dass da auch noch andere Perspektiven denkbar sind.
Manfred Trojahn: Bei mir sieht es im Prinzip
ähnlich aus. Ich habe von vornherein nicht verstanden, warum
da keine Dialogbereitschaft herrschte. Ich habe schon, bevor ich
Präsident wurde, den Dialog angeregt. Wahrscheinlich war die
Verschreckung gerade der etwas älteren Leute im Komponistenverband
und im Aufsichtsrat so groß, als 2003 bei der GEMA durch die
Einforderung des satzungsgemäßen Wahlverfahrens plötzlich
Ergebnisse eingefahren wurden, die ungewöhnlich waren für
die E-Komponisten. Von daher musste dort ein Umdenken stattfinden.
Man musste sich mal darüber klar werden, dass diese Ergebnisse
ihre Berechtigung hatten und nicht etwa eine Palastrevolution stattgefunden
hat.
Ich selbst bin E-Komponist, und zwar hundertprozentig. Von daher
habe ich zunächst die Position des E-Komponisten inne. Als
Verbandspräsident sehe ich natürlich alle Positionen.
Ich habe den Eindruck, dass in dieser Gesellschaft im Moment die
Hochkultur auf eine relativ problematische Weise aufs Korn genommen
wird und von daher werde ich als E-Komponist natürlich auch
Position dazu beziehen. Aber ich denke, dass ich das auch hinkriegen
kann, ohne dass ich die Kollegen, die eine andere Kultur vertreten,
diffamieren muss. Das ist auch eine Voraussetzung, in einem Verband
vernünftig miteinander zu arbeiten.
Weigand: Mit dem Begriff Hochkultur habe ich natürlich
meine Probleme, insofern man ihn ausschließlich mit E verknüpft.
Es geht einfach nicht, dass man den Begriff der Hochkultur nur für
sich reklamieren soll, wenn man E-Komponist ist. Ich glaube, wir
sollten da einfach viel offener miteinander umgehen. Ich bin durchaus
Anhänger des Begriffes Hochkultur. Ich denke auch, dass diese
Hochkultur akut gefährdet ist; das ist nicht mehr nur die Intensivstation,
das ist schon komatös. Allerdings mache ich gerade die Erfahrung,
dass man auch über die Grenzlinien hinaus gemeinsam die Hochkultur
vertreten kann.
Trojahn: Ich habe gesagt, dass ich E-Komponist
bin. Das heißt aber nicht, dass ich ausschließlich E-Musik
meine, wenn ich von Hochkultur spreche.
Weigand: Das ist gut…
Trojahn: Für mich ist es schon sehr einsichtig,
dass das, was wir als Hochkultur bezeichnen, auch Dinge enthält,
die anders klingen als das, was E-Komponisten produzieren. Die Frage
ist, wie man mit den Bezeichnungen eines Tages umgehen wird. Möglicherweise
werden wir noch nicht die Generation sein, die sie verändert.
Aber ich habe den Eindruck, die Jüngeren haben dezidiert keine
Lust mehr, in diesen Kategorien zu denken. Von daher müssen
wir sehen, was wir von dort zu erwarten haben. Und da gibt es vielleicht
noch eine Menge, was wir lernen können.
Weigand: Ich freue mich, dass Manfred Trojahn
jetzt auch Mitglied im Wertungsausschuss der GEMA ist. Hier gibt
es den Kulturauftrag, das heißt die kulturell bedeutende Musik
soll über die Verwertungsgesellschaft gefördert werden.
Derzeit wird mit „E“ eine Art Stempel vergeben und es
wird nicht nach kulturästhetischen Kriterien darüber entschieden,
wer den Stempel verdient hat und wer nicht. Ich weiß, dass
die Mitglieder des Wertungsausschusses oft ihre Probleme mit der
Einstufung haben. Ich vertrete ein Konzept der „K-Musik“,
das könnte stehen für kulturell hoch stehende Musik. Dazu
braucht man allerdings einen gesellschaftlichen Konsens in der Bewertung.
Aber vielleicht gibt es diesen Konsens eines Tages: Die Existenz
einer K-Musik, die es verdient, gefördert zu werden. Und wie
die dann klingt, das können und müssen wir jetzt noch
gar nicht festlegen.
Trojahn: Wir haben im Wertungsausschuss gesagt:
Wir fürchten die ästhetische Auseinandersetzung wie der
Teufel das Weihwasser. Das Problem an der Bezeichnung E-Musik bildet
sich natürlich auch dadurch ab, dass wir natürlich schon
längst nicht mehr wissen, was wir damit eigentlich bezeichnen.
Denn vor diese Definition hat der liebe Gott erstmal die Diskussion
über das, was wir in dieser Gesellschaft für Kultur halten,
gesetzt. Die jedoch wird nicht geführt.
Weigand: Da sehe ich aber auch einen Riesenkonsens
im Verband. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Diskussion
wieder stattfindet. Ich würde gar nicht so weit gehen, zum
jetzigen Zeitpunkt eine Änderung der ästhetischen Grundlagen
zu verlangen. Die Diskussion muss dem vorgehen. Daher ist es auch
sinnvoll, die Strukturen derzeit noch zu belassen, aber es sollte
nicht verboten sein, in Harmonie über die Zukunft zu diskutieren.
Trojahn: Vielleicht kann man sogar so weit gehen
zu sagen: Die ästhetischen Kategorien oder Kriterien haben
sich schon längst verändert. Woran wir kranken, ist die
Begrifflichkeit, mit der sie belegt werden. In der GEMA ist da natürlich
ein Riesenapparat strukturiert, der nicht so einfach wegzuräumen
ist. Entweder fliegt das mal alles auseinander, dann werden wir
eine sehr unangenehme Neustrukturierung vornehmen müssen. Oder
wir schaffen es, evolutionär noch weitere 50 Jahre damit zu
leben. Diese Benennungskategorien hatten irgendwann mal ihre Gründe.
Die Veränderung kann man nicht verordnen, das muss sich entwickeln.
Wir sind jetzt in einer Zeit, in der es ein paar Leute gibt, die
sagen: OK. Dann gehen wir doch auf so eine Entwicklung mal zu. Kurioserweise
hat sich in der Kunst immer viel mehr entwickelt als in der Benennung
dieser Dinge. Mit dem Begriff E habe ich Probleme, wenn ich Phil
Glass und Stockhausen unter einen Hut bringen soll. Trotzdem weiß
ich, das ist beides E. Dann gibt es aber bei Phil Glass bestimmte
Momente, da ist er einigen Leuten, die nicht zu E zählen, viel
näher als Stockhausen.
nmz: Welches sind denn spezielle Themen, die unterschiedlich
gesehen, welches sind Themen, die gemeinsam angegangen werden?
Trojahn: Ich denke, dass der DKV als wesentlichste
Fragestellung diejenige nach der Stellung des Autors, also des Komponisten,
in der gegenwärtigen Gesellschaft aufwerten muss. Die Verbandsmitglieder
sind Autoren und zwar ein jeder auf seinem Gebiet, und deren Rechte
gilt es zu erhalten oder neu zu gestalten. Sehr viel wichtiger erscheint
mir diese Fragestellung, die wirklich alle Komponisten betrifft,
als etwa eine ästhetische Diskussion. Natürlich ist der
Kunstbegriff unserer Gesellschaft auch Voraussetzung dafür,
wie die Stellung von Autoren gesehen wird – ich glaube aber
nicht, dass die ästhetische Debatte im Berufsverband begonnen
werden sollte. Autorenschaft, soziale Sicherung durch die KSV oder
die Erneuerung der Urheberrechte: Das sind Verbandsthemen, und die
können mit allen, für alle gemeinsam im Mittelpunkt stehen.
Weigand: Ich glaube, dass es immer einen speziellen
Themenbereich gibt, der nicht so relevant ist für den Gesamtverband
und durch eine „Sektion“ besser vertreten werden kann.
So kann man den CC eigentlich begreifen. Dabei geht es um das sehr
spezielle Arbeitsfeld der Auftragskomponisten in Deutschland, die
im Bereich der Medien und Tonträger arbeiten. Und die haben
ein spezielles Feld, das beackert werden muss. Dieses ist zurzeit
sehr bedroht durch den Einfluss der multinationalen Medienkonzerne.
Da kann wahrscheinlich ein kleiner Verband mit einem spezialisierten
Know-How besser dagegen halten.
Trojahn: Der CC ist sicherlich in der Lage, bestimmte
Fragestellungen, die sich bei U ergeben, ausreichend zu diskutieren
und eine Haltung dazu zu finden. Pro Klassik wäre, wenn sie
sich denn so entwickeln würde, ein Bereich, wo ganz spezielle
und dezidierte E-Problematiken diskutiert werden. Dann könnte
man die Ergebnisse, die jeweils relativ hermetisch in den jeweiligen
Bereichen zustande gebracht werden, in den Komponistenverband tragen
und dort auf eine Weise diskutieren, von der wir beide wissen: Wenn
wir das jetzt nicht harmonisiert kriegen, krachen wir auseinander
und die Lobby gibt es nicht mehr. Ich halte das wirklich für
die große Chance. Ich weiß ganz viele Probleme, die
ich mit einem reinen E-Verband wesentlich leichter angehen könnte.
Aber dann haben wir die Polarisierung, und wenn wir die Polarisierung
haben, dann haben wir in der augenblicklichen politischen und gesellschaftlichen
Situation genügend Leute, die das wonnevoll ausnützen.
Weigand: Ein wichtiger Punkt ist, dass der CC
in der Tat kein U-Musik-Verband ist. Wir repräsentieren 80
Prozent der deutschen Filmkomponisten. Das ist auch ein Bereich,
wo im Moment extrem an der Hochkultur gesägt wird. Selbst bei
den Öffentlich-Rechtlichen gibt es ja das Qualitäts-Argument
vielerorts nicht mehr. Insofern haben wir wieder viele Berührungspunkte.
Zumindest in Teilbereichen hat die Filmmusik in Deutschland einen
hohen Qualitätsanspruch. Dort, wo dieser Anspruch vorhanden
ist, sind die Zielsetzungen die gleichen; da würden wir uns
sehr gut aufgehoben fühlen bei einem starken Präsidenten
des DKV, der eine Stimme findet in der Politik und der es schafft,
die Lobbyarbeit diesbezüglich zu intensivieren. Es gibt aber
auch darüber hinaus eine Menge Gemeinsamkeiten: Die Situation
des Autors in der Gesellschaft, das Urheberrecht und seine Reformierung,
der Umgang mit den Rechten in der Zukunft... Das sind Themen, die
einfach alle Autoren betreffen, auch die E-Autoren.
nmz: Immer wieder ist von einer vermeintlichen
Tendenz des jetzigen Aufsichtsrats die Rede, an der GEMA-Wertung
für soziale und kulturelle Zwecke zu rütteln?
Weigand: Auf keinen Fall zum jetzigen Zeitpunkt,
dies ist ein Missverständnis. Wenn jemand kein besseres, kurzfristig
realisierungsfähiges Konzept hat, dann kann er vielleicht von
Visionen reden so wie ich das tue. Ich habe im Moment kein besseres
Konzept. So lange sollten wir die derzeitige Praxis fortsetzen,
bis bessere, für alle Seiten konsensfähige Vorschläge
auf dem Tisch liegen, die auch eine Chance auf Realisierung haben.