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nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 15
54. Jahrgang | September
Kulturpolitik
Musik kennt keine Grenzen – oder etwa doch?
Fachtagung des Deutschen Musikrates: „Musikland Deutschland
– Wie viel kulturellen Dialog wollen wir?“
Die Diskussionen zum Themenkreis kultureller Identitäten
und dem damit verbundenen Verhältnis zu den Mitbürgerinnen
und Mitbürgern nichtdeutscher Herkunft lassen Zweifel an obiger
Aussage aufkommen. Das Reizwort der Parallelgesellschaften hat Ängste
aufgedeckt und geschürt, die zu oft den Blick auf Ursache und
Wirkung verstellen. Die Faktenlage – auch im Hinblick auf
die zwingende Notwendigkeit einer qualifizierten Zuwanderung –
ist hinreichend beschrieben. Die Frage, welche Chancen sich aus
diesem Reichtum kultureller Vielfalt ergeben, bleibt hingegen bisher
weitgehend unbeantwortet – für unser Kulturleben und
damit auch für den Standort Deutschland.
Der Deutsche Musikrat möchte mit seiner Fachtagung „Musikland
Deutschland – Wie viel kulturellen Dialog wollen wir?“
dieser Frage mit Handlungsempfehlungen an Politik und Multiplikatoren
nachgehen. Zentrales Anliegen ist es, Bewusstsein für die Zusammenhänge
dieser komplexen Themenbereiche und die Bedeutung für die Zukunft
unserer Gesellschaft in einem stärkeren Maße, als das
bisher sichtbar ist, zu wecken.
Wer bin ich? – Wer sind wir? – Und wie leben wir zusammen?
- sind im Zeichen weltweiter Migrationsbewegungen und der Auswirkungen
der Globalisierung Fragen, die sich in vielen Ländern stellen.
Typisch deutsch ist allerdings die Art, wie wir dieses schwelende
Thema seit Jahrzehnten verdrängen beziehungsweise in Wellen
verengt (Stichwort: Leitkultur) diskutieren.
Die kulturellen Identitäten und der interkulturelle Dialog
stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang, denn Dialog ist keine
Einbahnstraße. Diese Zweibahnstraße fordert aber in
der kulturellen Bildung beziehungsweise musikalischen Frühförderung
ein ganz anderes Bewusstsein für den Wert der Kreativität.
Tatsache ist aber, dass – bedingt durch die Kürzungsmaßnahmen
der letzten Jahre – die kulturellen Entwicklungspotentiale
der Jugend mehr und mehr brachliegen. Nur wenn es gelingt, die verantwortungslose
Vernachlässigung in der Kreativitätsförderung von
Kindern und Jugendlichen durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen
zu beseitigen, gibt es eine Chance für einen wirklichen Dialog.
Denn: Wer das Eigene nicht kennt, kann das Andere nicht erkennen,
geschweige denn schätzen lernen.
Bildung und Kultur sind der Grundstein für das Zusammenleben
unterschiedlicher Kulturen. Unsere Gesellschaft wird die Offenheit
und Neugierde gegenüber allem Neuen nur dann gewinnen können,
wenn dieses Training einer immer wieder neuen Sicht gegenüber
Bekanntem und Unbekanntem im Kindesalter erfahren werden kann.
So steht die Frage, welchen Wert unsere Gesellschaft einem lebendigen
Kulturleben – und damit auch der kulturellen Bildung –
beimisst, in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Themenkomplexen
„Kulturelle Identität und interkultureller Dialog“.
Das Erfahrungspotential der Mitgliedsverbände des Deutschen
Musikrates, die in vielfältiger Weise mit interkulturellen
Themen befasst sind, wird in diese Fachtagung ebenso einfließen
wie die Anregungen anderer gesellschaftspolitischer Gruppen. Dabei
werden gelungene Praxisbeispiele als Anregung ebenso im Mittelpunkt
stehen wie Problemstellungen.
Der Deutsche Musikrat sieht sich in der Verantwortung einen Beitrag
zu diesem zentralen Thema gesellschaftspolitischer Entwicklung zu
leisten und damit auch Brücken zu schlagen, wo Gräben
sichtbar sind.
So ist die Fachtagung, gefördert von der Beauftragten der
Bundesregierung für Kultur und Medien und unterstützt
von der Dresdner Bank, der Werkstatt der Kulturen Berlin, dem Hotel
Adlon Berlin, WDR3, Radio Multikulti und der nmz, ein Impuls für
die Fortsetzung einer breit angelegten Debatte und die Weiterentwicklung
von Lösungsansätzen.
Christian Höppner
Veranstaltungshinweis
Fachtagung Musikland Deutschland
Wie viel kulturellen Dialog wollen wir?
Migration und Integration sind vielerorts zum Spannungsfeld zwischen
Deutschen und ihren ausländischen Mitbürgern geworden.
Das Problem der kulturellen Abschottung ist dabei zu einem gewichtigen
Faktor in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion avanciert
und stellt eine große Herausforderung dar. Doch welchen
Beitrag kann die Musik leisten, um den interkulturellen Dialog
zu fördern? Kann sie Brücken schlagen im Zusammenleben
mit den deutschen Nachbarn? In der Tagung werden diese Fragen
nicht nur diskutiert, sondern auch gelungene Modelle aus der Praxis
vorgestellt und Handlungsempfehlungen an die Politik verabschiedet
werden.
Termin: 4. bis 5. November 2005 Ort: Berlin, Pariser Platz
Dresdner Bank und Hotel Adlon
Weitere Informationen: info@conbrio.de Ansprechpartnerin: Barbara Haack,
Tel. 0941-945 93-12 oder 0941-799 59 86