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nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 15
54. Jahrgang | September
Kulturpolitik
Warum das Ganze jetzt, fragt man sich
Kultusministerkonferenz stellt Ergebnisse von PISA-2003 vor
Am 14. Juli dieses Jahres stellte die Kultusministerkonferenz
(KMK) die ersten Ergebnisse der PISA-Studie 2003 in Berlin vor.
Doch erst im November dieses Jahres sollen im Rahmen einer Fachkonferenz
die tiefer gehenden Analysen vorgelegt werden, die Rückschlüsse
auf den Zusammenhang von sozialer Herkunft und dem Abschneiden bei
den PISA-Tests erlauben. Die Kultusministerkonferenz begründete
das Vorziehen der Bekanntgabe des deutschen Abschneidens bei der
PISA-Studie damit, dass die Studie kein Wahlkampfthema werden sollte.
Dennoch blieb die Frage zurück, warum das Ganze jetzt.
Die ersten Auswertungen zur PISA-Studie werfen auf die meisten
Länder ein positives Licht. Fast alle Länder konnten sich
verbessern, einige konnten in die Spitzengruppe aufrücken und
auch die Länder, die von einem ungünstigen Platz aus gestartet
sind, wie etwa Bremen, arbeiten sich langsam aber stetig nach vorne.
Besonders auffällig ist das bessere Abschneiden deutscher
Kinder in Mathematik und Naturwissenschaften. Hier scheinen die
Maßnahmen, die nach dem schlechten Abschneiden deutscher Schülerinnen
und Schüler in der TIMSS-Studie (Untersuchung zu den Kompetenzen
in Mathematik und den Naturwissenschaften) in den 90er- Jahren eingeleitet
wurden, zu greifen. Dies gilt besonders – wie der Leiter des
deutschen PISA-Konsortiums betonte – mit Blick auf die Verbesserung
des Unterrichts. Das große Modellprogramm der Bund-Länder-Kommission
für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) SINUS
hat genau dieses zum Ziel, den Unterricht in Mathematik und den
Naturwissenschaften zu verbessern. Einmal mehr ein Beweis, welche
Impulse die Zusammenarbeit von Ländern und dem Bund in den
Schulen vor Ort setzen kann.
Wesentlich schlechter ist es nach wie vor um die Lesekompetenz
bestellt, obwohl gerade sie der Schlüssel für den Erwerb
weiterer Kompetenzen ist. Die Kultusministerkonferenz macht in ihrer
Stellungnahme zu PISA-2003 deutlich, dass sie für die Vermittlung
der Kompetenzen in Mathematik und den Naturwissenschaften vornehmlich
die Schule in der Verantwortung sieht, wohingegen Lesekompetenz
laut KMK im Zusammenspiel von Elternhaus, Nachbarschaft und Schule
erworben wird. Das heißt im Klartext, für die Vermittlung
von Lesekompetenz sind neben der Schule weitere Akteure zuständig.
Dieses ist mit Blick auf die frühkindliche Förderung richtig
und wichtig.
Die Aussagen zur Lesekompetenz unterstreichen, wie notwendig es
ist, Kinder frühzeitig zu fördern. Die Vermittlung von
Lese- und Sprachkompetenz ist eine wesentliche Aufgabe des vorschulischen
Bereiches. Hier sind besonders die Kindertagesstätten gefordert.
Erzieherinnen und Erzieher müssen ihre Kompetenzen in der Vermittlung
von Lese- und Sprachkompetenz ausweiten und vertiefen, die Einrichtungen
benötigen ausreichend Mittel zur Beschaffung von Büchern
und die Kooperation mit Bibliotheken muss verbessert werden. Die
Stiftung Lesen, die Bibliotheksverbände, aber auch andere Kulturvermittler
bemühen sich bereits seit Jahren um stärkere Aufmerksamkeit
für das Lesen. Sie gilt es zu stärken und ihre Erfahrungen
deutlicher herauszustellen. Dieses gilt auch mit Blick auf die Integration
von Kindern mit Migrationshintergrund. Gute Deutschkenntnisse und
Lesekompetenz sind der Schlüssel für Schulerfolg und Partizipation.
Der Deutsche Kulturrat unterstreicht in der gerade erschienenen
Konzeption Kulturelle Bildung III die Bedeutung der frühkindlichen
Bildung und die Herausforderung zu vernetztem Arbeiten. Das Rad
muss nicht jedes Mal neu erfunden werden, von den Erfahrungen der
Leseförderer und Literaturvermittler kann gelernt werden.
Unter Wahlgesichtspunkten war besonders interessant zu beobachten,
wie die baden-württembergische Kultusministerin Anette Schavan,
ansonsten eine starke Verfechterin des Wettbewerbsföderalismus,
die besonders auf die hervorragende Position ihres Bundeslandes
verwies, als designierte Bildungsministerin in einer CDU-Bundesregierung
auf einmal sehr vermittelnd auftrat und lobte, dass alle Länder
sich verbessert haben. Dies lässt hoffen, dass von der Bundesebene
aus sich die Perspektiven eben doch verändern und manche Vorhaben,
wie etwa die angekündigte Abschaffung der gemeinsamen Bildungsplanung
im Rahmen der BLK, bei einem möglichen Regierungswechsel in
einem anderen Licht gesehen und nicht umgesetzt werden.