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nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 11
54. Jahrgang | September
Magazin -
BJO in Japan
Es bleibt jung und wandelt sich
Das Bundesjugendorchester zu Besuch in Japan
Die diesjährige Sommertournee des Bundesjugendorchesters
führte 102 junge Musikerinnen und Musiker unter der Leitung
von Gerd Albrecht nach Japan. Im Rahmen des „Deutschen Jahres
in Japan” hat das Auswärtige Amt und das Goethe Institut
diese Konzertreise ermöglicht. Im Vorfeld hatte das Orchester
bereits acht Tage in Südtirol geprobt und Konzerte in Deutschland
und Italien gegeben.
Deutsch-japanische
Probe in Anjyo. Foto: BJO/Lentz
Sie kommen aus allen Ecken Deutschlands – die Mitglieder
des Bundesjugendorchesters. Die Musik ist ihr großes Hobby
und die meisten sind Preisträger des Bundeswettbewerbes „Jugend
musiziert“. Eigentlich gehen sie aber noch zur Schule. Drei
Mal im Jahr treffen sie sich zu Arbeitsphasen und verzichten dafür
auf Ferien und Freizeit. Denn dabei sein lohnt sich, und fast jeder,
der es einmal miterlebt hat, ist infiziert vom „BJO-Fieber”.
In diesem Sommer hieß die erste Station des knapp vierwöchigen
„Marathons” Toblach in Südtirol. Hier verlebte
Gustav Mahler vor knapp hundert Jahren die Sommermonate seiner letzten
Lebensjahre. Heute erinnern dort nur noch sein Komponierhäuschen
und die Gustav Mahler Musikwochen, deren Gast das Bundesjugendorchester
in diesem Sommer ist, an den großen Komponisten. Mahlers 1.
Sinfonie, Karl Amadeus Hartmanns 1. Sinfonie, die Egmont-Ouvertüre
von Ludwig van Beethoven und eine Uraufführung des Leipziger
Komponisten Bernd Franke stehen auf dem Programm.
In den ersten Tagen bleiben die einzelnen Instrumentengruppen in
den Proben noch unter sich. Zehn Dozenten – allesamt renommierte
Hochschullehrer oder Orchestermusiker – bemühen sich
in diesen Proben um einen soliden Grundstein für die anschließende
Probenarbeit im Gesamtorchester, im Tutti. Henrik Vestmann, Assistent
des Dirigenten Gerd Albrecht und Stipendiat des Dirigentenforums
des Deutschen Musikrates fügt auf dieser Arbeitsphase die einzelnen
Elemente zusammen, schmiedet am Gesamtklang und bereitet das Orchester
für Albrecht vor. Und Albrecht ist nach seiner ersten Probe
begeistert. Das Bundesjugendorchester ist ihm das liebste Orchester,
wie er nicht müde wird zu formulieren. Nicht zuletzt prägte
er den Begriff von „Deutschlands jüngstem Spitzenorchester”.
Und auch die Solistin Yvi Jänicke, langjährige Solistin
der Hamburger Staatsoper, freut sich: „Wenn ich euch und eure
Professionalität höre, dann finde ich es unvorstellbar,
dass ihr nicht mindestens schon zehn Jahre Berufserfahrung habt”.
Das erste Konzert findet zur Eröffnung der 25. Gustav Mahler
Musikwochen in Toblach statt. Weitere Konzerte bei den Europäischen
Wochen in Passau und in der neuen Philharmonie Essen folgen. Das
Publikum ist stets begeistert. Passau feiert das Konzert mit „Standing
Ovations” und als Meilenstein in der Festivalgeschichte.
Doch in diesem Jahr steht noch etwas Besonderes an. Die Tournee
führt das Orchester nicht nur nach Italien und durch Deutschland,
sondern erstmals auch nach Asien. Elf Stunden Flug nach Japan sind
zu überstehen, bevor das Orchester für zwei Tage von dortigen
Gastfamilien aufgenommen wird. Eine außergewöhnliche
Möglichkeit, wenn man weiß wie selten die Japaner Fremden
Einblick in ihr Familienleben gewähren. Mit wenigen Ausnahmen
sind nach den zwei Tagen alle Musiker begeistert. Sie haben mit
ihren Familien Sushi gegessen, auf Reisstrohmatten geschlafen, sich
mit Händen und Füßen verständigt und so einen
Einblick in die japanische Lebensweise erhalten.
Doch die folgenden Tage werden anstrengend. Jeden Abend gibt das
Bundesjugendorchester ein Konzert – und immer an einem anderen
Ort.
In Anjyo spielen die jungen Musiker in einem Freundschaftskonzert
gemeinsam mit einem japanischen Highschool-Orchester Beethovens
Egmont-Ouvertüre. Konzerte in Hamamatsu und Gifu mit dem regulären
Programm folgen. Das japanische Publikum ist begeistert –
von dem jugendlichen Engagement der Musiker genauso wie von dem
blonden Haarschopf mancher Bassisten…
Das Abschlusskonzert in Tokyo ist ausverkauft. Nach einer dreistündigen
Fahrt durch diese riesige Stadt, die keinen Anfang und kein Ende
zu haben scheint, ist es so weit. Die Arbeitsphase nähert sich
ihrem Ende. Ein letztes Mal Mahlers 1. Sinfonie spielen. Ein letztes
Mal in dieser Besetzung auftreten. Ein letztes Mal Yvi Jänicke
bei ihrem wunderschön gestalteten Solopart in Hartmanns 1.
Sinfonie zuhören. Für viele ist es zudem auch das endgültig
letzte Mal im Bundesjugendorchester. Doch das gehört dazu.
Die einen scheiden aus, andere kommen neu dazu. „Das”
Bundesjugendorchester gibt es nicht. Es bleibt jung und wandelt
sich – mit jeder Arbeitsphase neu. Und vermutlich ist es auch
das, was den besonderen Zauber ausmacht, der Japaner und Deutsche
in gleichem Maße berührt.