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nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 9
54. Jahrgang | September
Magazin - Jugendorchester Venezuela
Die Zukunft der klassischen Musik
Das Jugendorchester Venezuelas auf Einladung der Jeunesses Musicales
auf Deutschlandtournee
„The Power of Music“ – unter diesem Motto hat
die Jeunesses Musicales die Junge Philharmonie Venezuela zu einer
Deutschland-Tournee eingeladen. Auch diesmal werden die 220 Musiker
mit ihrer mitreißenden Spielfreude und atemberaubenden Präzision
erneut Begeisterungsstürme auslösen.
Riesenorchester
mit unglaublicher Präzision: das Jugendorchester Venezuela
in der Dresdner Frauenkirche. Foto: JMD
Um es gleich vorweg zu nehmen: die Überschrift entstammt einem
Zitat von Sir Simon Rattle, dem Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker,
aus einer Pressekonferenz im Juli des vergangenen Jahres in Caracas.
Folgerichtig hat er auch die Schirmherrschaft dieser Tour mit sechs
Konzerten in Deutschland übernommen. Aber was fasziniert Dirigenten
wie Claudio Abbado, Herbert Blomstedt, Zubin Metha, Sir Simon Rattle,
Helmuth Rilling, Guiseppe Sinopoli und selbst Placido Domingo so
sehr, dass sie immer wieder gerne mit den jungen Menschen in Venezuela
arbeiten?
Als Jose Antonio Abreu vor genau 30 Jahren, auch aus Unzufriedenheit
über die sozialen Verhältnisse in seinem Land, beschloss,
eine musikalische Organisation für Kinder und Jugendliche zu
gründen, ahnte niemand, dass er damit begonnen hatte die Musikgeschichte
seines Landes neu zu schreiben. Abreu setzte da an, wo die Seele
des Menschen berührt wird: in der Musik. Doch mindestens in
gleichem Maß ging es von Anfang an auch darum, durch das Gemeinschaftserlebnis
des miteinander Musizierens für diese Kinder, die oft aus ärmsten
Verhältnissen stammen und buchstäblich von der Straße
geholt werden, eine völlig neue Perspektive für eine sinnvolle,
selbstverantwortliche Gestaltung ihres Lebens zu entwickeln. So
wundert es auch nicht, dass diese mit 240.000 Kindern und Jugendlichen
(das sind zehn Prozent der Gesamtbevölkerung Venezuelas!) und
15.000 Musiklehrern größte nichtstaatliche Organisation
des Landes auch in die Zuständigkeit des Sozialministeriums
fällt und nicht etwa in den Kulturbereich! Fast 80 Prozent
der Bevölkerung Venezuelas lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Aber nicht nur die vielen jungen Musiker, sondern vor allem auch
die Förderer des Orchestersystems haben verstanden, dass Musik
ein idealer Schlüssel zur Bildung sein kann. Im Zusammenspiel
lernen die Kinder, aufeinander zu hören und einander zu respektieren.
Der Sinn der Arbeit ist die Integration der Kinder und Jugendlichen
in ein Orchester und damit in ein soziales Gefüge. „Es
ist nicht unser oberstes Ziel, spätere Berufsmusiker heranzuziehen,
es ist unser Ziel diese Kinder zu retten!“, sagt Xavier Moreno
von der „Fesnojiv“. Durch die 57 Kinder- und 125 Jugendorchester
ist das lateinamerikanische Land mittlerweile regelrecht mit klassischer
Musik infiziert. Eine weltweit einmalige Erfolgsgeschichte, die
auch mit der Verleihung des Alternativen Friedensnobelpreises gewürdigt
wurde.
Nach triumphalen Auftritten in den Jahren 2000 und 2002 lädt
die Jeunesses Musicales Deutschland das nationale Jugendorchester
Venezuelas bereits zum dritten Mal ein. Unter der Leitung des erst
24-jährigen Dirigenten Gustavo Dudamel, übrigens Gewinner
des Gustav Mahler Dirigenten-Wettbewerbs 2004, wartet auf das Publikum
auch diesmal südamerikanische Leidenschaft in Verbindung mit
einer unglaublichen Präzision des „Riesenorchesters“
mit 220 (!) jugendlichen Musikerinnen und Musikern. Auf dem Programm
stehen unter anderem Prokofieffs 5. Sinfonie, Beethovens Siebte,
die Orgel-Sinfonie von Saint-Saëns und natürlich Werke
lateinamerikanischer Komponisten.
„Von diesen jungen Musikern aus Venezuela geht eine ,Power
of Music‘ aus, der sich niemand entziehen kann. Ein Verdienst
unserer Jeunesses-Freunde aus Südamerika ist auch der beispielhafte
Beitrag für das gemeinsame Ziel des ‚youth empowerment’s‘,
also junge Menschen durch ihren Umgang mit Musik auch stark für
das Leben zu machen,“ freut sich Hans-Herwig Geyer, Bundesvorsitzender
der JMD und Mitglied im International Board der Jeunesses. Die Jeunesses
Musicales Deutschland präsentiert die Junge Philharmonie Venezuela
in diesem Jahr gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung. Nicht nur
von der musikalischen Faszination überzeugt, sondern auch von
der dadurch ausgehenden Kraft für positive gesellschaftliche
Entwicklungen – The Power of Music –, geht es eben nicht
nur darum mitreißende Konzerte zu erleben, sondern möglichst
viele Gelegenheiten für Begegnungen mit deutschen Kindern und
Jugendlichen zu schaffen. Besonders während des viertägigen
Aufenthaltes beim Beethovenfest in Bonn, unter anderem mit der Begegnung
Bonner Schüler und dem Besuch des Beethoven-Hauses, aber auch
an allen anderen Stationen der Tournee sind umfangreiche Begleitveranstaltungen
vorbereitet.
Im Rahmen von Symposien und Kongressen besteht für unsere
heimische Musik-Szene die Chance, dieses einmalige „Sistema“
nicht nur verstehen zu lernen, sondern sich davon auch inspirieren
zu lassen. Denn während hierzulande Musikpädagogen nach
neuen Wegen suchen, haben die Venezulaner gezeigt, welche Kräfte
gerade Enthusiasmus und Spontaneität entfalten können.
Stefan Piendl
Konzerttermine
23.9. Bonn „Beethovenfest 2005”, Beethovenhalle
24.9. Hamburg „Kongress Kinder zum Olymp”
25.9. Münster, Stadttheater
26.9. Essen, Philharmonie
27.9. Bremen, Die Glocke
29.9. Berlin, Philharmonie
Venezuelean Brass Ensemble am Samstag, 24.9., in Hamburg im Rahmen
des Kongresses „Kinder zum Olymp“