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nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 37
54. Jahrgang | September
Rezensionen
Franz Schrekers dirigentisches Vermächtnis
Franz Schrekers Schaffen als Dirigent in den Jahren 1923 bis 1933
umspannt den Wechsel von den akustischen Trichteraufnahmen zu frühen
elektrischen Aufnahmen und ersten Versuchsaufnahmen des Rundfunks.
Seine Spätfassung der Ballettversion von Oscar Wildes Märchen
„Der Geburtstag der Infantin“ hat er im Jahresabstand
mit dem Orchester der Staatsoper Berlin sogar zweimal aufgenommen,
im Jahre 1926 und erneut am 17. Februar 1927. Daher ist diese Einspielung
noch relativ häufig in Schallplattenantiquariaten zu finden.
Und auf Flohmärkten stößt der Sammler häufiger
auf Teile der Orchestersuiten zu Griegs „Peer Gynt“
und Bizets „L’Arlesienne“. Auch die „Arlesienne“-Suite
hat Schreker zweimal eingespielt, 1926 mit dem Orchester der Staatsoper
Berlin und 1928 mit dem Philharmonischen Orchester Berlin. Die britische
Gesamtedition beim Label Symposion gestattet nun den Vergleich der
wiederholt erfolgten Interpretationen des Dirigenten Schreker, aufschlussreich
nicht nur für den Fortschritt der technischen Möglichkeiten
der Aufnahmetechnik, sondern auch für Schrekers orchestralen
Umgang mit dem neuen Medium.
Weitaus seltener findet der Musikfreund im antiquarischen Schellackhandel
Schrekers Einspielungen seines Tanzspiels „Rokoko“,
einer Komposition aus dem Jahre 1908, die Schreker 1920 revidiert
und 1926 mit „Mitgliedern der Kapelle der Staatsoper Berlin“
aufgenommen hat. Und noch rarer dürfte die zwei Jahre vor Schrekers
Tod, 1932 eingespielte „Kleine Suite für Kammerorchester“
sein, deren fünf Sätze den Komponisten, jenseits des Klangrausches
seiner Opernpartituren, als einen Meister der formalen Vielfalt
zeigen. Die drei CDs dieser Edition enthalten auch zwei bislang
unveröffentlichte Lieder, die Maria Schreker im Januar 1930
mit Orchesterbegleitung eingespielt hat, das russische Volkslied
„Roter Sarafan“ und das „Russische Wiegenlied“
von Irving Berlin. Beide Einspielungen verfügen über keine
Angabe von Orchester und Dirigent; dass ihr Gatte Franz Schreker
der Dirigent dieser Aufnahmen war, ist nicht auszuschließen,
aber doch eher unwahrscheinlich. Die technische Qualität folgt
naturgemäß den historischen Tonträgern. Zwar musste
Schreker seine gewaltigen Orchester für die Aufnahmen reduzieren,
gleichwohl wusste der Dirigent die Klangvielfalt seiner Partituren
auch auf dem neuen Medium deutlich zu machen.
Die dankenswerte und wichtige Publikation enthält im Beiheft
einen Essay des Schreker-Biographen Christopher Hailey, nebst einer
Reihe von Fotos des Komponisten als Dirigent und Erzähler vor
dem Rundfunkmikrophon.
Peter P. Pachl
Franz Schreker: Der Geburtstag der Infantin;
Tanzspiel Rokoko; Kleine Suite für Kammerorchester; „Der
ferne Klang“: Waldszene und nächtlicher Reigen; „Das
Spielwerk“: 18. Szene; „Die Gezeichneten“: Erklärung
der Carlotta; „Der Schatzgräber“: Wiegenlied
der Els; Grieg: Peer-Gynt-Suite; Bizet: L’Arlesienne-Suite;
Maria Schreker (Sopran), Charles Kullmann (Tenor), Orchester der
Staatsoper Berlin, Philharmonisches Orchester Berlin, Orchester
und Chor des Reichs-Rundfunks, Franz Schreker.
Symposion 1271/1272/1273 (3CDs) AAD