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nmz-archiv
nmz 2005/09 | Seite 40
54. Jahrgang | September
Rezensionen
Von Kindesbeinen an bewusst musizieren
Zakhar Brons interaktiver Unterricht für junge Geiger/-innen
„Die Technik des Geigenspiels ist ja nicht schwierig, ich
beherrschte sie nach sehr kurzer Zeit. Es ist die Musik, für
die man Jahre, ja ein Menschenleben braucht, wenn man sie meistern
will“, sagte einst Nathan Milstein, einer der größten
Violinisten des 20. Jahrhunderts. Wie kann man aber diese Meisterschaft
als Geiger erlangen? Wie soll der Geigenunterricht aussehen? Soll
den Kindern zunächst nur die reine Technik beigebracht werden?
Kann man von den jüngsten Adepten der Violinkunst eine ausdrucksreiche
Interpretation eines Musikstücks erwarten? Kann man ihnen als
Pädagoge zu einer bewussten Auseinandersetzung mit dem Werk
verhelfen?
Die Antwort darauf liefert eine neue Serie des AMA-Verlags, „Zakhar
Bron unterrichtet“. Der namhafte Violinist und Professor für
Geigenspiel an der Kölner Musikhochschule ist für seine
pädagogischen Erfolge weltweit berühmt: Seine ehemaligen
Schüler, unter anderem Vadim Repin, Maxim Vengerov und Natalia
Prischepenko, zählen inzwischen zur internationalen Solistenelite.
Bron unterrichtet auch in Zürich und Madrid sowie auf Meisterkursen
überall in der Welt. Um seine Ansichten über Musik unter
jungen Geiger/-innen zu verbreiten, nutzt er auch neue Medien. Die
fünf DVDs umfassen Schülerkonzerte, durch die jeder Anfänger
mal „durch muss“: Bachs Violinkonzert BVW 1041 a-Moll,
Vivaldis Violinkonzert a-Moll op. 3 Nr. 6, Riedings Violinkonzert
h-Moll op. 35 sowie Violinkonzerte von Accolaÿ (a-Moll Nr.
1) und De Bériot (a-Moll op. 104 Nr. 9).
Gut eine Stunde lang arbeiten sich der Meister und seine Schülerin
oder Schüler durch jedes Stück, das zuerst ganz vorgespielt
wird. Dann fängt die harte Arbeit an. Jeder Satz wird Phrase
für Phrase, Note für Note zergliedert und analysiert,
mit Berücksichtigung des historischen Hintergrunds des Werkes,
den Bron kurz schildert. Er hält aber keine langen Vorträge,
vielmehr geht es darum, den Schülern die Ziele des Unterrichts
vorzustellen. Zu denen gehören natürlich unter anderem
eine geeignete Bogenführung und bequemerer Fingersatz. Das
sind aber lediglich Mittel zum Zweck. Das wichtigste Ziel ist bewusstes
Musizieren und die Vermittlung der Intentionen des Komponisten.
Das geschieht durch Entdecken von Emotionszuständen, die in
der jeweiligen Phrase oder dem Satz versteckt sind. Zakhar Bron
zeigt seinen Schülerinnen und Schülern unterschiedliche
Interpretationsmöglichkeiten auf und demonstriert ihnen praktische
Lösungen.
Die richtige Technik, Dynamik oder Akzentsetzung dient zum Beispiel
der Hervorhebung einer inneren melodischen Struktur oder der Erzeugung
von Spannung. So erfahren die jungen Geigerinnen und Geiger, dass
jede Note ihre Bedeutung hat und jede Phrase ein wichtiger Bestandteil
einer größeren musikalischen Konstruktion ist. An den
anscheinend leichten oder gar banalen Stücken lernen sie bewusstes
Sich-Selbst-Zuhören und Selbstkontrolle. Und dass sie im Unterricht
nicht milde sondern wie Erwachsene behandelt und durch das ständige
Wiederholen einer Stelle „gequält“ werden, scheint
sie gar nicht zu stören.
Natürlich ist es schwierig, von Kindern und Jugendlichen eine
emotionale Reife zu erwarten – das weiß Zakhar Bron
auch. Deshalb präsentiert und erklärt er ausführlich
seine Interpretationsvorschläge, die von den Schülerinnen
und Schülern „lediglich“ nachgespielt werden. Sie
lernen aber dabei, ein Musikstück ganzheitlich zu betrachten,
ohne die Technik von der Interpretation zu trennen. Da alle Aufnahmen
mit den Noten der Solopartie versehen sind, können die Zuschauer/-innen
den Verlauf der Stunde gut verfolgen oder auch nur abschnittsweise
ansehen. Die ganze Serie ist auf jeden Fall empfehlenswert, besonders
für Musiklehrer/-innen.
Katarzyna Kwiecien
Zakhar Bron unterrichtet
Unterrichtsvideos sind im AMA Verlag erschienen