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nmz-archiv
nmz 2005/10 | Seite 35
54. Jahrgang | Oktober
Bayerischer Kulturrat
Kunst und Krieg im Fokus
Eine Ausstellung im Stadtmuseum Erlangen
Bis in die Moderne hinein wurden Kriege vor allem aus der Perspektive
der Macht dargestellt. Der Krieg erschien im Glanz heroischer Kämpfe
und ruhmreicher Feldherrn, während seine tödliche Zerstörungskraft
weitgehend ausgeblendet wurde.
Daneben entstanden aber auch Kriegsbilder, die den Krieg „von
unten“, mit Blick auf die Opfer zeigen. Die großen Kriegszyklen
von Jacques Callot, Francisco de Goya und Otto Dix sind Hauptwerke
dieser kritischen Tradition. Jacques Callots im Dreißigjährigen
Krieg erschienene Folge „Les misères et les malheurs
de la guerre“ von 1633 gilt als erste „moderne“
Darstellung vom Krieg und seinen Schrecken. Die figuren- und detailreichen
Radierungen erzählen von einer enthemmten Soldateska, die nicht
nur kämpft, sondern auch plündert, brandschatzt und vergewaltigt.
Durch die harte Bestrafung der marodierenden Söldner wird aber
am Ende die staatliche Ordnung wiederhergestellt. Callots Anklage
richtet sie nicht gegen den Krieg an sich, sondern gegen dessen
verheerende Auswüchse. Francisco de Goya setzt sich in den
„Desastres de la guerra“ mit dem spanischen Unabhängigkeitskrieg
(1808–1814) auseinander (Auswahl von 46 Radierungen). Er schildert
aus einer scheinbaren Augenzeugenschaft heraus die Schrecken des
Volkskrieges in einer Vielzahl schockierender Gewaltszenen, deren
Ort und Zeit unbestimmt bleiben. Durch die dramatische Ausgestaltung
des Geschehens, durch die Nahsicht auf die Täter und Opfer
und die wertenden Bildtitel erreicht die Darstellung ein Höchstmaß
an emotionaler Wirkung. Doch es gibt keine eindeutige Parteinahme,
da die revoltierenden Spanier ähnlich grausam gezeigt werden
wie die französischen Soldaten. Goyas Thema sind auch die vom
Krieg entfesselten, dunklen Triebkräfte der menschlichen Natur.
Otto Dix verarbeitete nach dem 1. Weltkrieg seine Erfahrungen als
Frontsoldat in einer Folge von 50 Radierungen. Das 1924 erschienene
Mappenwerk „Der Krieg“ zeigt die Zerstörungsmacht
moderner Kriegsmaschinerie und den grauenvollen Stellungskampf an
der Westfront in albtraumartigen Bildern. Man sieht zerschossene
Kraterlandschaften, erschöpfte, verwundete und verstümmelte
Soldaten, Leichenfelder und grinsende Skelette. Die Kriegswelt von
Dix kennt nur namenlose Gewalt, Leid, Tod und menschliche Verrohung.
Ergänzend wird erstmals auch der Originalentwurf von Brechts
Kriegsfibel mit über 70 Fotoepigrammen ausgestellt. Thema der
Kriegsfibel ist der 2. Weltkrieg.
Während der Exilzeit sammelte Bertolt Brecht Kriegsfotos aus
Zeitungen, kommentierte sie bildkritisch mit vierzeiligen Versen.
Aus diesen Fotoepigrammen entstand Ende 1944 eine erste Fassung
des Werks, die Veröffentlichung erfolgte 1955. Die Kriegsfibel
will der Nachwelt kritischen Einblick in die Ursachen und Hintergründe
des Krieges geben. Grundlegend ist die Marx’sche These, dass
die wahren Frontlinien nicht zwischen Nationen, sondern zwischen
Klassen verlaufen. In ihrem Ziel, das Lesen von Bildern zu lehren,
ist die Kriegsfibel bis heute aktuell geblieben. Die Zusammenschau
wird durch Großfotos, Bilderläuterungen und Videostationen
didaktisch erschlossen. Der Besucher erhält Einblick in die
Konstruktion von Kriegsbildern – ein Beitrag zur Auseinandersetzung
mit den massenmedialen Kriegsdarstellungen unserer Gegenwart.
Die von Vorträgen und einem Film begleitete Ausstellung (montags
ganztägig und donnerstag-/freitagnachmittags geschlossen) im
Stadtmuseum Erlangen, Martin-Luther-Platz 9, 91054 Erlangen datiert
noch bis 20. November, Info: Tel. 09131/86 23 00 und www.erlangen.de/stadtmuseum.