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nmz-archiv
nmz 2005/10 | Seite 16
54. Jahrgang | Oktober
Forum Musikpädagogik
Bachelor soll nicht weniger als das bessere Diplom sein
Empfehlungen der ALMS und des AEMP zum musikpädagogischen
Bachelor-Studium · Von Michael Dartsch
Die Arbeitsgemeinschaft der Leitenden musikpädagogischer
Studiengänge in Deutschland (ALMS) hat sich sowohl im Plenum
als auch in einer eigens gebildeten Arbeitsgruppe mit dem Thema
der Umwandlung der musikpädagogischen Diplomstudiengänge
in Bachelor/Master-Studiengänge beschäftigt. Sie hat schließlich
Empfehlungen erarbeitet und ihren Sprecher, Prof. Dr. Wolfgang Rüdiger,
beauftragt, diese an die Konferenz der Rektoren der Musikhochschulen
weiterzugeben; das Papier soll zudem eine Orientierungshilfe für
die Reformbemühungen in den einzelnen Instituten darstellen.
Zunächst empfiehlt die ALMS, die anstehenden Umwandlungen
nach einheitlichen Rahmenbedingungen vorzunehmen. Zwar werden sich
wohl Unterschiede zwischen einzelnen Bundesländern und Häusern,
die in den jeweiligen Prioritäten und Gegebenheiten begründet
sein mögen, nicht vermeiden lassen, dennoch aber wäre
in der Umwandlung eine Chance zu einer Angleichung bisher recht
disparater Bedingungen zu sehen.
Die ALMS hat zunächst allgemeine Richtlinien formuliert: Ein
musikpädagogischer Bachelor soll nach vier Jahren Studium vergeben
werden. Ein dreijähriges Studium, wie es früher noch mit
dem Abschluss des Staatlich geprüften Musiklehrers existierte,
sollte ausgeschlossen werden, um Qualitätsverluste zu vermeiden.
Denn – so der zweite Gedanke – das Qualitätsniveau
des musikpädagogischen Bachelors sollte dem des Diploms nicht
nachstehen, man sollte im Gegenteil sogar danach trachten, die alten
Standards zu überbieten.
Kunst und ihre Vermittlung
Es wird gegenwärtig sicher auch vor dem Hintergrund der Situation
auf dem Arbeitsmarkt viel darüber gesprochen und nachgedacht,
pädagogische Anteile auch in die rein künstlerisch orientierten
Studiengänge zu integrieren. Kunst bedeutet immer schon auch
Vermittlung. Auch wer konzertiert, wird sich Gedanken zu machen
haben, was er und wie er es seinem Publikum nahe bringt.
Außerdem wird mancher Absolvent eines rein künstlerischen
Studienganges später dennoch unterrichten. All dies sind ernstzunehmende
Argumente. Sie dürfen jedoch nicht das eigenständige musikpädagogische
Profil verwässern, das – kurz vorweggenommen –
in einer breiten und wissenschaftlich fundierten Beschäftigung
mit Musik, Pädagogik und Theorie sowie dem angestrebten Berufsfeld
besteht. Vor diesem Hintergrund warnt die ALMS davor, einen musikpädagogischen
Bachelor-Studiengang zu konzipieren, der in einem rein künstlerisch
orientierten Studiengang bestünde, welcher lediglich mit einem
reduzierten pädagogischen Angebot angereichert wäre. Ein
solches Studium fiele deutlich hinter die erreichten Standards der
Diplomstudiengänge zurück. Auf ein musikpädagogisches
Bachelor-Studium soll nach den Vorstellungen der ALMS ein Master-Studium
mit weiteren oder vertiefenden Qualifikationen aufgesattelt werden
können. Ein solcher Master wäre dann gegenüber dem
bisherigen Diplom als höherwertig einzustufen und könnte
bei wissenschaftlicher Ausrichtung für eine Promotion qualifizieren.
Damit würde die Lücke geschlossen, die bisher in fehlenden
Aufbaustudien für Musikpädagoginnen und -pädagogen
außerhalb rein künstlerischer Aufbaustudien in Deutschland
besteht. An ein musikpädagogisches Bachelor-Studium könnte
sich ein ebenfalls musikpädagogisch ausgerichtetes Master-Studium
anschließen, allerdings durchaus auch ein rein künstlerisches
oder ein musikwissenschaftlich orientiertes Master-Studium im Bereich
der Musikpädagogik, der Musikwissenschaft oder der Musiktheorie.
Ein musikpädagogisches Master-Studium wäre aber auch nach
einem rein künstlerisch ausgerichteten Bachelor-Studium anzubieten.
Die Kombination eines künstlerischen Bachelors und eines künstlerischen
Masters sollte selbstverständlich ebenfalls erhalten bleiben.
Alle Master-Studiengänge sollten sich über vier Semester
erstrecken, um das Einarbeiten in die neuen Bereiche oder das Vertiefen
auf höherem Niveau tatsächlich zu ermöglichen. Der
Marktsituation entsprechend empfiehlt die ALMS darüber hinaus
die Kombination unterschiedlicher Studiengänge oder unterschiedlicher
Hauptfächer (etwa ein Instrument und Elementare Musikpädagogik).
Stoffgebiete, bei denen es inhaltlich nahe liegt, können,
wie es den Zielvorgaben der Reformen entspricht, miteinander vernetzt
und zu so genannten Modulen verbunden, schließlich auch integrativ
geprüft werden. Eine Grundregel für die Vergabe von Credits
sollte für die ALMS die Berücksichtigung des tatsächlichen
Arbeitsaufwandes sein. Faustregeln wie die Vergabe eines Credits
für eine Semesterwochenstunde Veranstaltung können hier
zu kurz greifen. Außerdem bietet die Berechnung von angemessenen
Credit-Werten die Chance, eine ausgeglichene zeitliche Arbeitsbelastung
über die Semester hinweg anzustreben. Trotzdem sollten den
Studierenden dabei so viele Freiheiten wie möglich eingeräumt
werden. So strebt die ALMS auch die Einrichtung vertiefender oder
ergänzender Wahlfächer an.
Für die jeweiligen Anteile der verschiedenen Bereiche des
Studiums am gesamten Arbeitsaufwand gibt die ALMS konkrete Empfehlungen:
Danach sollten für das Hauptfach circa 120 Credits vergeben
werden, was genau die Hälfte aller Credits des Studiums darstellt.
In jedem der acht Semester wären dies 15 Credits. Da ein Credit
30 Arbeitsstunden entspricht, hieße dies 450 Stunden Üben
und Unterricht im Hauptfach pro halbem Jahr. Veranschlagt man sechs
übefreie Ferienwochen im Jahr, so bedeutet diese Zahl, dass
– in den Semesterferien ebenso wie in der Veranstaltungszeit
– knapp 20 Stunden pro Woche für das Hauptfach zur Verfügung
stünden.
Für die musikwissenschaftlichen und musiktheoretischen Fächer
sieht die ALMS insgesamt circa 30 Credits vor, ebenso für den
pädagogisch-didaktischen Bereich und gleichfalls für weitere
künstlerisch-praktische Fächer wie Zweitinstrument, Orchester,
Kammermusik und so weiter. Circa 30 Credits werden schließlich
auch für den Gesamtkomplex derjenigen Fächer vorgesehen,
der nach der Vorstellung der Rektorenkonferenz der Professionalisierung,
der Schwerpunktbildung, der Durchführung von Projekten und
der Ergänzung des Studienangebotes dienen soll. Die zunächst
unanschauliche Zahl von 30 Credits umfasst 900 Stunden.
Verteilt man diese jeweils auf acht modellhafte Semester von je
15 Wochen, so ergeben sich 7,5 Stunden pro Semesterwoche, die also
für den musikwissenschaftlichen und musiktheoretischen Bereich
zur Verfügung stünden, weitere 7,5 für die musikpädagogischen
Fächer, noch einmal 7,5 für weitere künstlerische
Fächer und schließlich 7,5 Stunden für Professionalisierung,
Projektarbeit, Schwerpunktbildung und Ergänzung. Hierin wäre
jeweils sowohl die Veranstaltungszeit als auch die häusliche
Arbeit enthalten. 7,5 Wochenstunden könnten so etwa ein bis
zwei eineinhalbstündige Veranstaltungen und die dazugehörige
Arbeit zu Hause beinhalten. Die Zahlenvorgaben der ALMS verdeutlichen
insbesondere auch die Gewichtungen und Verhältnisse: Die Hälfte
der Arbeitszeit eines musikpädagogischen Studiums entfällt
dabei auf das Hauptfach, die verbleibende Zeit verteilt sich zu
gleichen Teilen auf den musikwissenschaftlich-musiktheoretischen
Bereich, den pädagogisch-didaktischen Bereich, den Bereich
weiterer künstlerisch-praktischer Fächer und den Komplex
der Professionalisierung, Projektarbeit, Schwerpunktbildung und
Ergänzung. Die Credits, die für die Abschluss-Arbeit vergeben
werden, können variabel aus dem Pool dieser zweiten Hälfte
den genannten Bereichen entnommen werden. Einseitigen Verzerrungen
in Richtung etwa des Hauptfaches, aber auch zu Gunsten anderer Bereiche
soll mit diesen Vorgaben vorgebeugt werden. Den Abschluss der Empfehlungen
bildet die Auflistung konkreter Inhalte, die die ALMS als unabdingbar
beziehungsweise als empfehlenswert für ein musikpädagogisches
Bachelor-Studium ansieht. Im künstlerischen Bereich werden
ein Künstlerisches Hauptfach, Kammermusik, Improvisation, unterrichtspraktisches
Klavierspiel beziehungsweise Zweitinstrument oder Gesang sowie Chor,
Orchester oder Ensemblespiel als verpflichtend angesehen. Dringend
empfohlen werden aber auch Stimmbildung/Sprecherziehung, Jazz und/oder
Populäre Musik sowie Ensembleleitung. Im pädagogischen
Bereich sollen obligatorisch Grundlagen der Pädagogik und Grundfragen
der Musikpädagogik, Entwicklungspsychologie, Pädagogische
Psychologie, Allgemeine Instrumentaldidaktik inklusive Didaktik
des Gruppenunterrichts, Fachdidaktik inklusive Unterrichtspraxis
(hierzu hat die ALMS gesonderte Empfehlungen verfasst) und Berufskunde
(institutionelle, ökonomische und juristische Aspekte) gelehrt
werden. Auch sollte ein mentorenbetreutes Unterrichtspraktikum Pflicht
sein. Dringend empfohlen werden daneben eine Einführung in
die Elementare Musikpädagogik, Musik und Bewegung/Rhythmik,
Körperarbeit/Musikphysiologie, ein Orientierungspraktikum,
Musikvermittlung/Konzertpädagogik, relative Solmisation, Singen
mit Kindern, Klassenunterricht und Klassenmusizieren sowie Musik
und Medien. Zum theoretisch-musikwissenschaftlichen Bereich gehören
Musikgeschichte/Musikwissenschaft, Gehörbildung, Tonsatz und
Analyse. Im Idealfall werden auch Kultur übergreifende Aspekte,
Arrangieren/Elementare Komposition, Aufführungspraxis/Interpretation
sowie die Theorie Populärer Musik und/oder des Jazz berücksichtigt.
Kernbereich EMP
Zeitgleich mit diesen Empfehlungen ist auch ein – ebenfalls
für die Weitergabe an die Rektoren durch die ALMS – bestimmtes
Papier des Arbeitskreises Elementare Musikpädagogik an Ausbildungsinstituten
in Deutschland (AEMP) entstanden. Darin legt der Arbeitskreis zunächst
noch einmal dar, was zum Kernbereich EMP als dem künstlerisch-pädagogischen
Hauptfach eines entsprechenden Studiums gehört: Es ist dies
zuerst einmal die Elementare Musikpraxis beziehungsweise Künstlerische
Gestaltung inklusive Fächern wie Improvisation, Perkussion,
Bewegung, Stimmbildung, Sprecherziehung, Rhythmik, Szenisches Spiel,
unterrichtspraktisches Instrumentalspiel (Lied- und Bewegungsbegleitung).
Zum Zweiten zählt die Didaktik der Elementaren Musikpädagogik
mit den folgenden Inhalten dazu: Methoden, Ziele, entwicklungspsychologische
Grundlagen, theoretische Grundlagen für den Unterricht mit
verschiedenen Zielgruppen, Unterrichtsliteratur. Schließlich
sind vor- und nachbereitete oder mentorierte Lehrproben mit verschiedenen
Zielgruppen (möglicherweise zum Teil auch im Rahmen eines Unterrichtspraktikums)
Bestandteil des Kernbereiches EMP, der nach Auffassung des AEMP
circa 40 Prozent der Credits des gesamten Studiums auf sich vereinen
sollte.
Dies entspricht etwa 15 bis 16 Arbeitsstunden pro Woche. Neben
diesem Bereich sollten die weiteren Pflichtfächer der musikpädagogischen
Studiengänge sowie ein Instrument beziehungsweise Gesang belegt
werden. Auf Letzteres sollten noch einmal 30 Prozent der Credits
entfallen, was knapp 12 Stunden pro Woche, also etwa zwei Stunden
Üben pro Werktag, entspricht. Zusammen mit der Lehrbefähigung
für Elementare Musikpädagogik sollte eine zweite Lehrbefähigung
erworben werden. Dies ist bisher meist eine Lehrbefähigung
für das gewählte Instrument oder Gesang bis zur Mittelstufe,
könnte aber auch eine Lehrbefähigung für das Fach
Musik für eine bestimmte Schulform oder Schulstufe sein. Von
einem Hauptfachstudium EMP ist ein Studium mit dem Wahlfach EMP
zu unterscheiden, das nach Ansicht des AEMP nicht in eine Lehrbefähigung
für Elementare Musikpädagogik münden sollte. Schließlich
sollte bei entsprechender Voraussetzung und Eignung auch ein Master-Studium
mit dem Hauptfach EMP möglich sein.