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nmz-archiv
nmz 2005/10 | Seite 46
54. Jahrgang | Oktober
Bücher
Ein Streifzug durch wahrlich andere Zeiten
Eine Neuerscheinung zum Thema „Krautrock“ bringt
Licht ins Dunkel
Gerhard Augustin: Der Pate des Krautrock, Bosworth
Edition, Berlin 2005, 398 S., Abb., € 34,95, ISBN 3-86543-050-3
Krautrock. Da schlägt eine ganze Herzgeneration lauter und
schneller. Amon Düül II, Popul Voh, United Artists oder
Kraftwerk werden als Fallbeispiele oft, eigentlich immer genannt.
Nachvollziehbar schien das stets nur für unmittelbar dabei
Gewesene zu sein. Die Magie, von der sie sprachen. Die Kraft, die
in der Luft lag. Die Vision, die transportiert wurde. Der Geist,
der diese Kreativmenschen antrieb. Nun, als nach 1970 Geborener
hat man da so seine Verständnisschwierigkeiten. Besser: hatte
man.
Der Grund: Gerhard Augustin. Erstens Autor, zweitens über
zwei Jahrzehnte lang in der Krautrock-Szene hautnah mit dabei: als
Manager, Produzent und Freund von Bands und Künstlern wie Amon
Düül II, Popul Voh, United Artists, Udo Lindenberg, Katja
Ebstein, Westernhagen, Don McLean, Paul Anka, Shirley Bassey, Ike
und Tina Turner oder Canned Heat. Allein jene Namen bürgen
für Qualität. Und dann der Erfahrungsschatz eines Gerhard
Augustin.
Knapp 30 Jahre Erlebnisse, Hintergrundwissen und Anekdoten fließen
in Gerhard Augustins Erinnerungen ein. Nicht immer stringent oder
chronologisch. Chaotisch bisweilen, mit blitzschnell wechselnden
Zeiten und Gedankensprüngen. Aber Gerhard Augustin findet seinen
schroff-charmanten Weg, weil er seine persönlichen Gefühle
und Emotionen nicht ausschließt und zu den tragenden Säulen
seines Buches macht. Es dauert zwar, bis man warm wird mit Augustin,
aber es lohnt sich, denn nach einer kurzen Einlesezeit reißt
das Loch auf und man wird Teil seiner Geschichten. Tatsächlich
stellt man fest: Das waren andere Zeiten, die Augustin da nachzeichnet.
Und gemeint sind nicht die Anekdoten über Künstler. Den
Geist hinter seinen Erinnerungen zu finden kristallisiert sich als
Hauptaufgabe heraus. Auch Augustins Geist zu fühlen. Schon
deshalb muss man dieses Buch fast lesen: um als junger Mensch Lücken
zu schließen und Nachhilfeunterricht in Sachen „spirit“
zu bekommen. Als erfahrener Mensch ist „Der Pate des Krautrock“
eine schmunzelnde Erinnerung mit anarchischen Tendenzen. Oder doch
falsch verstanden?