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nmz-archiv
nmz 2005/10 | Seite 47
54. Jahrgang | Oktober
Rezensionen
Kurz vorgestellt
Hits & Clips
Ich + Ich: „Dienen“
Das Schaudern hält an, das schon angesichts der ersten
Single „Du erinnerst mich“ viele Pophörer, die
auch Söhne Mannheims nicht mögen, befiel. Doch „Dienen“,
der zweite Hit von Ich + Ich, treibt den weichen programmatischen
Gutmensch-Pop mit Zeigefinger-Botschaft so konsequent voran, dass
es fast schon Respekt erzeugt. Musikalisch ist sie unbeirrt auf
Emotionen produziert. Der Sound ist butterweich, die permanente
„Du“-Ansprache des Wechselgesanges zwischen Annette
Humpes (einst Sängerin bei Ideal) gepredigten Einsamkeitsanalysen
und Adel Twalis warnendem Emo-Refrain lässt den Hörer
nicht in Ruhe. Die stärkste Wirkung jedoch erzielt die Fabel
vom einsamen, grantigen Typen mit dem verschlossenen Herzen, die
der Zeichentrick-Clip dazu erzählt. Die klaren ruhigen Linien
der Bilder geben dem didaktischen Geschmalze tatsächlich
Form und Rahmen, in denen Melancholie und Niedlichkeit eine gewisse
Tiefe erhalten.
Wir sind Helden: „Von hier an blind“
Dass bei Wir sind Helden ein Zeichentrickvideo kommt, war angesichts
des Layouts ihres zweiten Albums „Von hier an blind“
klar; dass die Zeichnerin Vanessa Karre ganz O.K. beim „Tim
& Struppi“-Erfinder Hergé abgekupfert hat, auch.
Gewählt wurde als zweite Single sinnigerweise der Titelsong.
Denn zum einen bedurfte der Billigswing der Vorgängersingle
dringend einer Korrektur durch einen klar gebauten Popsong inklusive
attraktiver Tempoverdopplung in Bridge und Refrain. Zum anderen
passt der erstaunlich offene poetische Text von Judith Holofernes
(eine Art Annette Humpe des neuen Berliner Selbstbewusstseins)
zu der lakonischen Wanderschaft der Band, die im Video einem geheimnisvollen
roten Band bis zum Cliffhanger-Schluss folgt. Da kommt wohl noch
mehr, was angesichts der unangestrengten Reife dieses Liedes und
Clips nur recht sein kann.