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nmz-archiv
nmz 2005/11 | Seite 56
54. Jahrgang | November
Oper & Konzert
Einladung für offene Ohren
Die Nachtmusik der Moderne in München
Wer immer noch glaubt, dass Neue Musik vorwiegend dazu geeignet
ist, das Publikum zu vergraulen, sollte einmal eine Veranstaltung
der Nachtmusik der Moderne in der Münchener Pinakothek der
Moderne besuchen. Seit zwei Jahren gibt es diese Konzertreihe nun,
und von Anfang an erfreute sie sich regen Zuspruchs – so rege,
dass regelmäßig Interessenten nach Hause geschickt werden
müssen, weil kein Platz mehr da ist.
Veranstaltet wird die Nachtmusik der Moderne vom Münchener
Kammerorchester gemeinsam mit der Pinakothek der Moderne. Die Idee
dazu stammt von Christoph Poppen, dem Künstlerischen Leiter
des Orchesters: „Ich hatte das große Glück, von
Stephan Braunfels, dem Architekten der Pinakothek, noch vor der
Eröffnung durch das Gebäude geführt zu werden“,
berichtet Poppen. „Im ersten Moment, als ich die wunderbare
Kuppel in der Rotunde sah, dachte ich: Hier muss man einfach Musik
machen. Dann ergab sich die glückliche Fügung, dass das
Münchener Kammerorchester gebeten wurde, bei der offiziellen
Eröffnung der Pinakothek im Sommer 2002 in der Rotunde zu spielen
– wir führten Jörg Widmanns ‚Insel der Sirenen‘
auf. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Professor Reinhold Baumstark
kennen, den Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.
Er hat mir mit Handschlag zugesagt, dass wir in dieser Kuppel musizieren
dürfen. Ich habe dann sofort angefangen, ein Konzept zu entwickeln,
das die speziellen Gegebenheiten eines Museums mit einbezieht.“
Dieses Konzept hat sich in den letzten beiden Saisons bewährt.
Es gibt drei Konzerte pro Saison, von denen zwei einem lebenden
Komponisten gewidmet sind, das dritte einem Klassiker der Moderne.
Beginn ist 22 Uhr, und bereits eine Stunde früher findet im
Ernst-von-Siemens-Auditorium eine von Christoph Poppen geleitete
Einführung statt – idealerweise unter Anwesenheit des
vorgestellten Komponisten.
Die Rotunde der Pinakothek verfügt über eine hervorragende
Akustik, und anfängliche Probleme mit brummenden Klimaanlagen
sind, so Poppen, zu 90 bis 95 Prozent gelöst. Vor der Veranstaltung
und in der Pause bietet sich für das Publikum die Gelegenheit,
die Ausstellungsräume im Erd- und Untergeschoss zu besuchen
und auf diese Weise Musik und Bildende Kunst im Wechsel auf sich
einwirken zu lassen. Und es kommen nicht nur Neue-Musik-Freaks und
Kunstinteressierte zu den Konzerten, sondern jeder, der offene Ohren
und Augen mitbringt. „Das, was das Dach der Pinakothek zusammenhält,
nämlich die verschiedenen Künste, umschließt auch
die Musik und damit die Hörer in einem unglaublich konzentrierenden
Raum“, sagt Reinhold Baumstark.
Am 27. September startete die Nachtmusik der Moderne mit einem
Widmann-Porträt. In den folgenden Veranstaltungen standen Reimann,
Webern, Rihm, Pärt und Scelsi auf dem Programm.