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Ausgabe 2005/11
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nmz 2005/11 | Seite 46
54. Jahrgang | November
Oper & Konzert

Der Zukunft auf der Spur mit Helmut Lachenmann

Die Internationale Ensemble Modern Akademie bei den „Klangspuren“ in Schwaz

Bereits zum 12. Mal aktivierten die „Klangspuren“ Musikstudenten, Kinder, Lehrlinge und ein kleines, aber aufmerksames und dankbares Publikum aus Einheimischen und einigen Urlaubern mit lebhaftem Interesse an Gesprächen untereinander und mit den beteiligten Komponisten. Wie im vergangenen Jahr machte den Auftakt eine einwöchige „Internationale Ensemble Modern Akademie“ (IEMA).

Neben dem seit 1996 bestehenden Nachwuchsforum der Gesellschaft für Neue Musik (GNM) geben die Mitglieder des seit 25 Jahren bestehenden Spezialensembles für Neue Musik im Rahmen dieser 2003 ins Leben gerufenen Einrichtung ihre langjährigen praktischen Erfahrungen im Umgang mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts an Musikstudenten und junge Hochschulabsolventen weiter. Insgesamt 33 Instrumentalisten und zwei Dirigenten aus 13 Nationen hatten sich einzeln oder als Ensembles erfolgreich für die Teilnahme beworben. Dass allein die Hälfte aus Deutschland stammte, ist der Vergabe von Stipendien für Musiker aus Deutschland (also nicht nur für Deutsche) durch die Kulturstiftung des Bundes und der Kunststiftung NRW zu verdanken. In Einzel- und Gruppenunterricht erarbeiteten Rainer Römer (Schlagzeug), Ueli Wiget (Klavier), Roland Diry (Holzbläser), Michael M. Kasper (Streicher) und Franck Ollu (Blechbläser und Dirigenten) stilistisch unterschiedliche Solo- und Kammermusikwerke unter anderem von Adams, Boulez, Henze, Kurtág, Ligeti, Nancarrow und Sciarrino. Nach György Kurtág im vergangenen Jahr – und Benedict Mason im nächsten – stand diesmal Helmut Lachenmann im Zentrum der Akademie. Bei der Erarbeitung seiner Werke gab der Komponist den künftigen Interpreten Neuer Musik Rat und Antwort auf viele spieltechnische und interpretatorische Fragen. Am Ende der kurzen, intensiven Arbeitswoche standen zwei Teilnehmerkonzerte mit beachtlich hoher Qualität der Aufführungen, etwa von Anton Weberns Quartett op. 22, Luigi Nonos „Polifonica, Monodia, Ritmica“ und Claude Viviers „Paramirabo“, einem wie durch Parabolspiegel gebrochenen Stilmix aus impressionistischen Klangflächen, markigen Clusterschlägen, wilden Schreien, exaltierten Solorezitativen und gepfiffenen schlichten Melodien. Mit interpretatorischen Einzelleistungen ragten der australische Bratschist William Lane mit Sciarrinos „Notturni brillanti“ und die Geigerin Daniela Strasfogel von der UdK Berlin mit Lachenmanns „Toccatina“ heraus . Im Mittelpunkt stand Lachenmanns Ensemblewerk „…Zwei Gefühle…“, dessen Aufführung mit dem Komponisten als Sprecher unter Leitung von Franck Ollu an Intensität und Konzentration leicht aufwog, was an Präzision noch fehlte.

Auch sonst war Lachenmann, der Ende November seinen 70. Geburtstag feiert, ein Programmschwerpunkt gewidmet. Im Gespräch mit Roland Diry schilderte er die von ihm empfundene Notwendigkeit, das vorgefundene traditionelle Instrumentarium und Klangvokabular nicht einfach zu benutzen, sondern neu zu erfinden und zu seinem eigenen zu machen. Was das bedeutet, demonstrierte anschließend das Gitarren-Duo Barbara Romen und Gunter Schneider mit einer beeindruckend klaren Aufführung von „Salut für Caudwell“. Ferner spielte das Ensemble Modern unter Leitung von Brad Lubman „Mouvement (– vor der Erstarrung)“ und Lachenmanns jüngstes Werk, die erst zwei Wochen zuvor beim Lucerne Festival uraufgeführten „Concertini“. Das Stück ist in jeder Hinsicht raumgreifend: in der Aufstellung von fünf um das Publikum herum plazierten Ensemblegruppen mit stereo- und quadrophonen Entsprechungen, zeitlich im Umfang von 700 Takten mit 30 Minuten Dauer, klanglich in extremen Spektren und Kontrasten von leisen Scharrgeräuschen, aufkreischenden Tamtams und massigen Blechbläserakkorden, für die sich die Aula der Sozialwissenschaftlichen Fakultät Innsbruck als zu eng erwies, sowie historisch-biographisch in Rückgriffen auf andere Werke, auf „Mouvement“, „Grido“, „Scheiben“ und „Air“, dessen Knackfrösche in veränderter Gestalt als leere Getränkedosen wiederbegegnen. Lachenmann macht sich mit diesem energiegeladenen Stück erneut auf in sein „selbstentwickeltes Labyrinth“, das er gleichermaßen beschwört wie dekomponiert: „Wünschelrutengang im eigenen verwilderten Garten auf der Suche nach…“

Rainer Nonnenmann

Klangspuren Schwaz, Teil II

Ein Abschlusskonzert mit Standing Ovations und so vielen Bravorufen, dass den Interpreten nichts anderes übrig bleibt, als sich mit einer Zugabe zu bedanken – welcher Veranstalter eines Festivals mit zeitgenössischer Musik würde nicht von einem solchen Erfolg träumen?

Verdient hatte diese Begeisterung der Lettische Radiochor unter der Leitung von Kaspars Putnins, der mit Werken von Helmut Lachenmann, Georg Friedrich Haas, Maija Einfelde, Erike Esenvalds und Andris Dzenitis mit dem Schlusskonzert zugleich einen Höhepunkt der diesjährigen Schwazer „Klangspuren“ setzte. Die feinen Modulationen, die absolut makellose Intonation und die Homogenität des Klanges zusammen mit einem großen Enthusiasmus, mit der die baltischen Sängerinnen und Sänger den unterschiedlichsten Anforderungen der Werke scheinbar mühelos gerecht wurden, räumen dem Ensemble einen Spitzenplatz unter der Elite der internationalen professionellen Chöre ein. Abgerundet wurde der Gesamteindruck durch die sorgfältige Auswahl der Kompositionen, die ein ausdrucksvolles Spektrum zeitgenössischer Vokalklangkunst darboten.

Die poetisch-abstrakte Sprache von Helmut Lachenmanns „Consolation I + II“, zwischen existenzieller Verzweiflung und dem „Trost des Staunen-Könnens gegenüber der Schönheit der Welt“ angesiedelt, ist aus dem flüsternd-eindringlichem Raunen vokaler Klang- und Geräuschflächen gebildet, immer wieder durchsetzt von Aufschreien und Ausrufen. Während das erste Stück den Chorklang mit Schlagzeug-Geräuschen ergänzt, zieht sich Lachenmann im zweiten a-capella Teil wirkungsvoll ganz auf den bloßen, ungeschützten Ausdruck der menschlichen Stimme zurück.

Dem Programmheft konnte man entnehmen, dass der Lettische Radio-Chor der Komponistin Maija Einfelde mit der Auftragskomposition „At the Edge of the Earth“ zu internationaler Anerkennung verholfen hat. Zurecht kann der Chor stolz darauf sein: Einfeldes leuchtendes Klanggebilde ist von eindrücklicher, zeitloser Schönheit und hat mit seiner eigenwilligen, von der Tradition gefärbten Tonsprache einen Platz unter den großen Chorwerken baltischer Komponisten der heutigen Zeit verdient.

Das „Blumenstück“ für 32-stimmigen Chor, Streichquintett und Basstuba ist wohl eines der stimmigsten Werke des österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas und wird hoffentlich trotz der nicht einfach zu realisierenden Besetzung seinen Platz unter den Klassikern der Chormoderne finden. Selten ist wohl einem zeitgenössischen Komponisten die schwierige Gratwanderung so gelungen wie Haas in diesem Stück, „Schönklänge“ ganz und gar von jeglichen Klischeeassoziationen und -wirkungen zu reinigen und behutsam bis in feinste Obertöne poetisch auszuhorchen. Die Schattierungen von Klangreibungen fächert er auf unterschiedliche Arten subtil auf und erreicht so eine grandiose Farbvielfalt.

Von Schönheit anderer Art waren die instrumentalen Werke Terje Rypdals, die Rigas Kammermuziki unter Normunds Sne in der Aula der Sowi Innsbruck aufführte. Mit Escalator, Lux Aeterna, Horizon und Whenever I Seem To Be Far Away wurde das Spektrum seines orchestralen Schaffens aus dreißig Jahren an diesem Abend gezeigt. Rypdals zum Teil sehr eingängige, ruhig fließende Tonsprache ist weniger von Avantgardismus u uals vielmehr von nordischer Weite und Ruhe bestimmt und lebt vom Dialog des Ensembles mit dem Gitarristen. Fast nicht vorstellbar, dass eines Tages ein anderer Solist die wehmütigen Gesänge der E-Gitarre so eindringlich formulieren wird, wie es der Komponist selbst tut.

Weitere Entdeckungen in den letzten Tagen des Festivals gab es noch aus dem Osten Europas: Die junge polnische Komponistin Ewa Trebacz hatte mit „Spinning Zone“ ein Stück geschrieben, dessen klangliche Wucht für den Vortragssaal in der ADLER-Lackfabrik eigentlich schon zu intensiv war. Aber die Schlagwerker The Next Step formten ihren Dialogpart mit den computererzeugten Raumklängen so klar, dass die energiegeladenen Spannungsbögen des Stückes trotz der ungünstigen räumlichen Verhältnisse gut zur Geltung kamen.

Kontrastiert wurde das Stück durch die anschließende Lesung des bekannten polnischen Schriftstellers Andrej Stasiuk im Dialog mit seiner Übersetzerin Renate Schmidgall. Die meditative Ruhe, mit der Stasiuk die „verwunschene Trostlosigkeit“ Osteuropas beschreibt, wirkte wie ein ruhiges, mit Worten komponiertes Musikstück nach den energiereichen Klangräumen der Komposition von Trebacz; die Musikalität seiner Sprache und deren deutscher Übersetzung entfaltete sich vor diesem Hintergrund umso wahrnehmbarer.
Das Ensemble Recherche widmete sich in der Pfarrkirche St. Laurentius in Wattens Werken von Georg Friedrich Haas und seinen Schülern. Die „10 Min. für 2000 Euro“ von Slobodan Kajkut zeigten nicht nur die Vorliebe des in Jugoslawien geborenen Komponisten für provozierende Werktitel, sondern auch seine Fähigkeit, eine östlich-liturgische Gesangsrezitation wirkungsvoll mit in sein Stück einzubauen. Der Solopart war ideal auf den sonoren Bassisten Dejan Trkulja zugeschnitten, der die Rezitationen ohne falsches Pathos eindringlich zelebrierte. Während Christian F. Schillers „un“ ziemlich konzeptlos, und genaugenommen sogar so wirkte, als habe sich der Komponist zum ersten Mal mit den klanglichen Möglichkeiten einer Orgelregistrierung auseinandergesetzt, erreicht Peter Jakober in „für 8 MusikerInnen“ interessante Effekte durch das Arbeiten mit unterschiedlichen, gleichzeitig erklingenden Metren. Klanginseln fließen in dem Stück aneinander vorbei wie Eisschollen auf einem gewundenen Fluss, mal beschleunigend, mal langsamer, dicht gedrängt und dann wieder vereinzelt.

Heike Lies

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