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nmz-archiv
nmz 2005/11 | Seite 26
54. Jahrgang | November
Deutscher Kulturrat
Steinbrück ante portas
Gefahr durch Subventionsbericht des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft? · Von Gabriele Schulz
Der designierte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat
im Jahr 2003 schon einmal – damals als Ministerpräsident
von Nordrhein-Westfalen und zusammen mit seinem Unionskollegen dem
hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch – für
erheblichen Aufruhr im Kulturbereich gesorgt. Gemeinsam haben sie
im so genannten Koch-Steinbrück-Papier Vorschläge für
den Subventionsabbau unterbreitet. Die Kulturförderung im Inland
und die Auswärtige Kulturpolitik wurden zu den Subventionen
gerechnet. Es war zuerst Kulturstaatsministerin Weiss zu verdanken,
dass bei den Haushaltsverhandlungen des Bundes die Kulturförderung
im Inland aus dem vorgelegten Subventionsbegriff ausgenommen und
als Investition betrachtet wurde. Danach gelang dieses auch für
die Auswärtige Kulturpolitik. Droht nun dasselbe Spiel noch
einmal?
Grundlage für das Koch-Steinbrück-Papier war der Subventionsbegriff
des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, der als besonders
umfassend gilt. Andere Wirtschaftsforschungsinstitute definieren
den Begriff der Subvention längst nicht so .ausufernd wie das
Kieler Institut für Weltwirtschaft. Gefahr kann der Kulturfinanzierung
nun in zweierlei Hinsicht drohen. Zum einen hat der designierte
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück längst angekündigt,
dass das so genannte Koch-Steinbrück-Papier wieder aus der
Tasche gezogen wird, da erst Teile davon umgesetzt wurden. Nun kann
man sich bei der möglichen Umsetzung auf eine breite parlamentarische
Mehrheit von CDU/CSU und SPD stützen sowie eine große
Koalition in der Bundesregierung. Zum zweiten hat das Kieler Institut
für Weltwirtschaft im August dieses Jahres mit dem Subventionsbericht
„Finanzhilfen der Bundesländer in den Jahren 2000-2004:
Eine empirische Analyse“ eine Stellvorlage geliefert.
Festzuhalten ist zunächst, dass Subventionsabbau als Vokabel
positiv besetzt ist. Es hat sich inzwischen die Meinung verfestigt,
Subventionen seien schädlich, halten marode Wirtschaftszweige
am Leben und verhinderten den ehrlichen Wettbewerb. Ein Abbau an
Subventionen scheint die logische Schlussfolgerung daraus zu sein,
die allzu schnell gezogen wird. Doch wie es bei Schnellschüssen
so ist, gehen diese oftmals auch ins Leere. Noch ohne weitere Auseinandersetzung
mit dem Subventionsbegriff fällt bei der Lektüre des oben
genannten Berichtes des Instituts für Weltwirtschaft auf, dass
gerade jene Bundesländer, die als Sinnbild für wirtschaftliche
Prosperität in Deutschland gelten, nämlich Bayern, Baden-Württemberg
und Hessen, besonders viele Subventionen gewähren. Jene Länder
aber, die zu wirtschaftlich schwächelnden gerechnet werden,
wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein, gehören zu denen
mit den geringsten Subventionen. Die Rechnung, dass Subventionen
wirtschaftliche Aktivität verhindern, ist so einfach also nicht.
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft versteht unter Subventionen
Finanzhilfen des Staates, die in das Marktgeschehen eingreifen.
Das Institut greift damit die Theorie der öffentlichen und
der privaten Güter auf. Öffentliche Güter sind solche,
die nicht dem Marktgeschehen unterliegen und von deren Nutzung niemand
ausgeschlossen werden kann. Demgegenüber sind private Güter
solche, die zum einen dem Marktgeschehen unterliegen, das heißt
privatwirtschaftlich erbracht werden oder erbracht werden können
und bei denen ein Ausschluss zum Beispiel über den Preis des
Gutes erfolgt.
Direkt als erstes Beispiel für ein nicht-öffentliches
Gut werden in der genannten Studie die Theater angeführt. Sie
können laut Institutsbericht auch privatwirtschaftlich geführt
werden und es findet ein Ausschlussmechanismus über den Preis
statt. Nicht jeder kann sich eine Theaterkarte leisten, daher ist
es auch kein öffentliches Gut.
In der gesamten Argumentation des Subventionsberichtes werden
immer wieder Beispiele aus dem Kulturbereich angeführt. So
wird klipp und klar formuliert, dass Zuschüsse an Volkshochschulen,
Stadtbibliotheken, Museen und Theater als Subventionen gewertet
werden. Ebenso unmissverständlich wird geschrieben: „Kulturpolitische
Ziele einer Subventionierung solcher Institutionen können keinen
Ausnahmetatbestand begründen.“ Das heißt, die bisherige
Argumentation, dass es sich bei der Förderung von Kultureinrichtungen
um Investitionen handelt, verfängt nicht, sondern wird direkt
im Bericht zurückgewiesen. Ausgenommen von den Anwendung des
Subventionsbegriff im Bildungs- und Kulturbereich werden einerseits
Schulen, Hochschulen und auch Hochschulbibliotheken. Andererseits
die Pflege des kulturellen Erbes wie namentlich genannt die Stiftung
Preußischer Kulturbesitz. Als Grenzfall wird die Jugendhilfe
eingeordnet, da sie einerseits über die Förderung Kosten
verursacht, auf der anderen Seite – so das Beispiel –
durch die Verhinderung von Jugendkriminalität auch Kosten einspart.
Im Gegensatz zu Schule und Hochschule wird die Elementarerziehung
in Kindertagesstätten und Kindergärten unter den Subventionsbegriff
gefasst, da die Zuschüsse der Gemeinden unterschiedlich hoch
sind und Tagesmütter diskriminiert würden. Es wird weiter
aufgeführt, dass Zuschüsse an Kindergärten und an
Kultureinrichtungen einer breiten Bevölkerungsgruppe zu Gute
kommen und sie daher als Subventionen gewertet werden, anders als
sozialpolitische Maßnahme wie ein Asylbewerberheim, welches
nur einer kleinen Bevölkerungsgruppe zugute kommt. Es könnten
noch viele Beispiele einer fragwürdigen Anwendung des Subventionsbegriffs
im Bericht des Kieler Instituts für Weltwirtschaft angeführt
werden, zentral ist die Frage, welche Wirkungen dieser Bericht haben
kann und was ihm entgegengesetzt werden muss.
Wesentlich ist, dass hier einmal mehr Kultur ausschließlich
unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet wird. Es
wird nicht die Frage aufgeworfen, welche Bedeutung Kultur für
eine Gesellschaft hat. Es erscheint geradezu als absurd, dass das,
was eine gute Kultureinrichtung ausmacht, dass sie nämlich
von den Nutzerinnen und Nutzern und von möglichst breiten Bevölkerungsschichten
in Anspruch genommen wird, sich nun als Nachteil erweisen soll.
Gefährlich ist, dass Kultur so prominent und so häufig
in diesem Bericht genannt wird und vor allem, dass kulturpolitische
Argumentationen von vorneherein gar nicht zugelassen werden. Dieses
ist mehr als eine Arroganz gegenüber der Politik, es ist eine
Wertung über gesellschaftliche Wohlfahrt.
Problematisch ist der Bericht vor allem deshalb, weil es sich
eben nicht um einen rein akademischen Diskurs handelt. Es wurde
eingangs bereits ausgeführt, dass sich die Autoren des so genannten
Koch-Steinbrück-Papiers den bereits zuvor bestehenden Subventionsbegriff
des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zu eigen gemacht hatten
und einen radikalen Abbau der Kulturfinanzierung forderten.
So steht zu befürchten, dass einer der Autoren dieses Papiers,
der künftige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, sich
diese Studie zu Nutze macht, um Einsparungen im Kulturbereich durchzusetzen.
Gegenwärtig ist noch vollkommen offen, ob ein möglicher
Kulturstaatsminister oder eine Kulturstaatsministerin die Stärke
haben wird, dem Bundesfinanzminister entgegenzutreten, da noch nicht
einmal bekannt ist, wer dieses Amt künftig bekleiden wird.