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nmz-archiv
nmz 2005/11 | Seite 1
54. Jahrgang | November
Leitartikel
Feuchter Traum
Da kam Leben in die leicht betonlastigen, ansonsten aber lichtdurchfluteten
Räume von Berlins neuer „Akademie der Künste“:
Der Deutsche Musikrat hatte im Rahmen seiner Generalversammlung
zu einem „Tag der Kreativität“ geladen. Foyers
und Treppenhäuser waren zu einem überdimensionalen und
ständig wachsenden „Jahrmarkt der Ideen“ umgestaltet.
Kompetent und sensibel moderiert vernetzten sich die Projekt-Präsentationen
der Mitgliedsverbände zu kleinen und großen Koalitionen
der Fantasie. Zwischen Musikwirtschaft, Musikpädagogik und
engagierten Vertretern der Laienmusik gelang ein „Bündnis
der kulturpolitischen Vernunft“. Es manifestiert sich zunächst
in einer gemeinsamen jährlichen Groß-Veranstaltung (sie
tritt an die Stelle des überkommenen Frankfurter Musikmesse-Konzeptes)
– in einer spartenübergreifenden bundesweiten „Woche
der lebendigen Musik“ – und in einem materiell bestens
ausgestatteten, wissenschaftlich fundierten Foresight-Prozess.
Möglich wurde dieser „Mega-Sprung in der Verbandsentwicklung“
(so Helmut Lachenmann bei seinem Begrüßungs-Statement
zum Thema „Quanten statt Quinten?“) durch ein konsequentes,
professionelles Reform-Management nach der niederschmetternden Insolvenz.
Besonders bewährt hat sich dabei die Verlagerung des Musik-Informationszentrums
(MIZ) in die Berliner Geschäftsstelle des Vereins. Aus der
bis dato unter ansprechender Oberfläche doch etwas statischen
Datenbank und sporadischen Verlautbarungs-Quelle entwickelte sich
so ein vitales Kommunikations-Zentrum. Davon profitierten vor allem
die „Denk-Tanks“ der meist hoch kompetent besetzten
„Bundes-Fachausschüsse“. In transparenten Themen-Parks
konnten sie Ideen, Informationen und Erfahrungen austauschen, ihre
Projekt-Vorschläge konstruktiv und intelligent anreichern.
Kein Wunder, dass der „Tag der Kreativität“ so
trefflich geriet.
Ein innovativer Kultur-Schock: die von der ARD vier Stunden lang
live übertragenen „Acts“ der komplett neu konzipierten
Musikrats-Projekte. „Man muss die dröge Kommerz-Ästhetik
der konventionellen Medien doch nicht übernehmen, man muss
nur eine ehrliche eigene Sprache finden“, philosophierte BuJazzO-Coach
Peter Herbolzheimer in seiner cleveren Moderation. Und das ist allen
verbliebenen fünf Projekt-Einheiten exzellent gelungen. Dank
einer optimal verzahnten, vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen
Projekt-GmbH und Verein. Bei diesem Feuerwerk an Klang-Kreativität
und solide provozierender Kultur-Programmatik hielt es die in einem
Nebenraum tagende Kultusministerkonferenz nicht lange in ihrem Konklave.
Allerdings gerann das Lächeln manches Kultusministers, mancher
Kultusministerin, erkennbar, als ihnen ein spürbar selbstbewusster
Musikratspräsident knapp aber deutlich die perspektivischen
Schäden ihrer von kurzsichtiger Taktik und schlichten Finanz-Überlegungen
gesteuerten Arbeit vorbuchstabierte…
Da schreckte der Berichterstatter aus dem Traum, fand mühsam
und schweißnass in die Realität zurück. Sie bildet
sich angemessen unkritisch auf der nächsten Seite ab.