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nmz-archiv
nmz 2005/11 | Seite 35
54. Jahrgang | November
Landesmusikräte
Berufsmusiker in Ausbildung und Arbeitswelt
„Tag der Berufsmusik“ und Verleihung der „Silbernen
Stimmgabel“ des Landesmusikrats NRW
…das Nachdenken über Utopien und deren Verlust in einer
Gesellschaft, die sich einem Effizienzstrukturalismus verschrieben
hat, mag anachronistisch anmuten…
Es geht bei den sogenannten Reformen im Rundfunk nicht um Einsparungen,
es geht nicht um ein Zurechtrücken von überproportionalen
Sendezeiten für viel zu kleine Hörergruppen. Es geht um
die Verhinderung der Ansprüche von Hochkultur durch Personen,
deren eigene kulturelle Bedürfnisse sich mit Events sportlicher
Natur blendend abdecken lassen.
Sicherheiten, klare Perspektiven – so denkt die kleinbürgerliche
Gesellschaft sich die ideale Ausgangsposition für den Künstler.
Und so sitzt er dann mit 35 Jahren, seit 10 Jahren im gleichen Orchester,
ist unkündbar und unverrückbar, wird sich nicht bewegen
können in der Zeit seiner größten menschlichen –
und künstlerischen – Kraft. Verdammt dazu, ohne Perspektive
und ohne Utopie in einem sozialen goldenen Käfig zu verdorren.
Manfred Trojahn
Der rapide Wandel der Rahmenbedingungen für Kultur führt
dazu, dass die Möglichkeiten für Berufsmusiker immer schlechter
werden. Orchesterfusionen, Verkleinerungen oder gar Schließungen
sind an der Tagesordnung, freie Ensembles müssen ums Überleben
kämpfen. Für Komponisten wird die Situation durch den
Rückzug der Rundfunkanstalten aus der Neuen Musik immer schwieriger.
Für den Landesmusikrat NRW höchste Zeit, eine Bilanz zu
ziehen und Perspektiven aufzuzeigen.
Der anlässlich seiner jährlichen Mitgliederversammlung
und im Rahmen der Kulturpartnerschaft mit WDR 3 im Kölner Funkhaus
des WDR veranstaltete „Tag der Berufsmusik“ bildete
den Abschluss einer „Musik und Beruf“ betitelten Reihe
von Diskussionsveranstaltungen in Essen, Köln und Düsseldorf.
Das Grundsatzreferat zur Situation von Berufsmusikern hielt der
Düsseldorfer Komponist und Vorsitzende des Deutschen Komponistenverbandes
Manfred Trojahn.
Der Kompositionsprofessor an der Düsseldorfer Robert Schumann
Hochschule formulierte pointiert aus der Sicht des Künstlers
und seines Kunstanspruchs. Er bemängelte die zunehmende Utopieunfähigkeit
nicht nur der Gesellschaft, sondern auch der Verantwortlichen an
den Hochschulen und der Musiker und Musikerinnen selbst. Effizienzorientierung
und Organisationsoptimierung bestimmten den Weg, die Hochschulen
eilten den Moden hinterher und zwängten zum Beispiel die dort
neu etablierten Studieninhalte im Bereich der populären Musik
in durchgeplante Lehrabläufe und Prüfungsvorgänge.
Das Schlimmste aber sei, dass es keine Diskussion mehr über
Inhalte und darüber gebe, wohin der Weg gehe.
Trojahns Plädoyer für den Mut zur Utopie und für
eine neue Orientierung an Werten bot reichlich Diskussionsstoff
für die anschließende, von Werner Wittershein (WDR 3)
moderierte Podiumsdiskussion, an der neben Prof. Manfred Trojahn
der Intendant der Kölner Philharmonie, Louwrens Langevoort,
die Generalmusikdirektorin der Bergischen Symphoniker, Romely Pfund,
und der Rektor der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, Prof.
Raimund Wippermann, teilnahmen. Deutlich wurde aber auch, wo es
den Orchestern und Konzertveranstaltern heute mehr denn je unter
den Nägeln brennt, beim Publikumsnachwuchs: Neue pädagogische
Konzepte und neue – bzw. wiederentdeckte – Formen der
Kontaktaufnahme (z.B. durch den Besuch von Orchestermusikern in
Schulen) sollen das an hochkultureller Musik interessierte Publikum
von morgen gewinnen. Neben den Kunstauftrag ist ein starker Bildungsauftrag
getreten, dem sich inzwischen auch die Musikhochschulen verpflichtet
fühlen.
Die Podiumsdiskussion wurde im Rahmen des „Kulturpolitischen
Forums“ von WDR 3 bereits gesendet. Der Vortrag von Prof.
Trojahn ist im Internetportal des LMR www.lmr-nrw.de zum Download
eingestellt.
Zum Ausklang des „Tags der Berufsmusik“ fand zum zweiten
Mal die Verleihung der „Silbernen Stimmgabel des Landesmusikrates
NRW“ statt, durch die Persönlichkeiten ausgezeichnet
werden, die sich in besonderer Weise um das Musikleben in NRW verdient
gemacht und für die Ziele des Landesmusikrats eingesetzt haben.
Nach der ersten Verleihung an Landtagspräsident Ulrich Schmidt
wurde in diesem Jahr der Intendant des WDR, Fritz Pleitgen, ausgezeichnet.
Die Laudatio hielt Gerhart R. Baum, Bundesinnenminister a.D. und
seit Juli 2005 neuer Vorsitzender des Kulturrats NRW. Ermöglicht
hatte den „Tag der Berufsmusik“ eine finanzielle Unterstützung
des Ministerpräsidenten des Landes NRW.