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Ausgabe 2005/12
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nmz 2005/12 | Seite 38
54. Jahrgang | Dez./Jan.
Oper & Konzert

Zweihundert Cellospieler erobern eine Stadt

Stabile Brücken: Junge und alte Cellisten aus aller Welt zu Gast in Kronberg

Die Augenbrauen zusammengezogen, der Gesichtsausdruck hochkonzentriert: So sitzt die Kanadierin Kaori Yamagami im Altarraum der Johanniskirche, um ihrem Cello leidenschaftlich vibrierende Kantilenen oder spritzige Tonleiter-Läufe zu entlocken. Um sie herum geben Techniker letzte Anweisungen, wo Mikrofone platziert, Schein-werfer aufgestellt werden sollen – und sind dabei nicht eben leise. Kaori Yamagami wirft das Rumpeln, Wummern und Zischeln ebenso wenig aus ihrer Celloklangwelt im fernen Irgendwo wie die Tatsache, dass sich nebenan in der Sakristei Natalia Gutman warm spielt, mit ebenfalls rasanten Läufen: letzte Vorbereitungen zu dem Konzert, das die renommierte Cellistin mit dem Nachwuchstalent Kaori Yamagami am Abend geben wird.

Denn bei diesem 7. Cello-Festival in Kronberg, das unter dem Motto „Bridging The Generations“ steht, bauen die Profis Brücken zu den über 200 Nachwuchs-Künstlern, die dieses Mal aus 40 Nationen nach Kronberg angereist sind. Und die Brücken sind so stabil, dass sich einige Profis mit dem ganz besonderen Nachwuchs sogar die Konzertprogramme teilen. Kaori Yamagami genießt dieses Privileg, weil sie in diesem Jahr den Ingrid-zu-Solms-Kulturpreis gewonnen hat, der alle zwei Jahre nur an Cellistinnen vergeben wird. In den Jahren dazwischen haben dafür die Männer das Spielen – beim Landgraf-von-Hessen-Preis.

Sind solche Frauenpreise heute wirklich noch notwendig? Ingrid zu Solms, die seit 1994 mit ihrer Stiftung begabte Medizinerinnen, seit 2001 auch Cellistinnen, Dirigentinnen und Komponistinnen fördert, meint ja: Gerade Frauen, die auf dem besten Wege in die Elite sind, haben sehr zu kämpfen – gegen die Widerstände der Männer ebenso wie gegen die der Frauen, die selbst nicht berufstätig sind und kein Verständnis zeigen für die weiblichen Überflieger. Oft verhindert zudem die Familiengründung den Eintritt in die Künstler-Elite. Das muss auch der Cellist Ralph Kirschbaum einräumen, der für eine Meisterklasse und ein Konzert nach Kronberg gekommen ist. Zwar hält er Cellistinnen heute nicht mehr unbedingt für benachteiligt – zumal der Anteil seiner Studentinnen am Northern College of Music in Manchester, aber auch in den zahlreichen Kursen, die er weltweit gibt, inzwischen 60 Prozent ausmacht. Doch die Babypause hält auch er für einen der Gründe, weshalb die meisten der hochbegabten Cellistinnen es letztlich doch nicht nach ganz oben schaffen.

Neben Kirschbaum und Natalia Gutman sind zum Festival, das der Cellist Raimund Trenkler vor zwölf Jahren zusammen mit der Kronberg-Academy und der Kammermusik-Akademie aus der Taufe gehoben hat, und das seither unter der Schirmherrschaft von Marta Casals Istomin und Mstislaw Rostropowitsch alle zwei Jahre stattfindet, weitere namhafte Cellisten angereist: David Geringas, Heinrich Schiff und Mischa Maisky etwa, die bei einem der insgesamt 16 Konzerte des Festivals in der Alten Oper Frankfurt auftreten, den hochbegabten Nachwuchs wieder an der Seite. So wandert Geringas gemeinsam mit den mehrfach ausgezeichneten jungen Cellisten László Fenyö und Boris Andrianov und dem Beethoven Orchester Bonn durch die tonalen Klanglandschaften, die Krzysztof Penderecki in seinem Concerto grosso für drei Violoncelli und Orchester vor ihnen ausgebreitet hat – und werden dabei von allerlei Schlagwerk wie Stabglocken und Xylophon begleitet. Mischa Maisky tritt in Strauss’ Sinfonischer Dichtung als „Don Quixote“ dann den Kampf gegen die flatterzüngelnd blökende Blechbläser-Schafherde oder gegen die von der Windmaschine angetriebenen Orchester-Windmühlenflügel an.
Der Nachwuchs schaut ihm im Publikum begeistert zu – darunter auch einige der ganz Kleinen, für die in der Kronberger Stadthalle ein paar Tage zuvor ein Kinderkonzert mit neuem Musikmärchen stattfand: Von den Abenteuern, die der kleine Cellist Pauli in der „Verzauberten Bibliothek“ erlebt – eigens fürs Festival geschrieben von dem Autor Leon Ives und unterlegt mit Musikzitaten und Geräuschen, die das Cello-Quintett „Cellissimo“ beisteuert –, erzählt Moderator Michael Schanze, mit fernseh-bewährtem Lächeln in der sanften Märchenonkel-Stimme. Schanze ist froh, dass es nach Prokofieffs „Peter und der Wolf“ und Saint-Saëns „Karneval der Tiere“ endlich mal ein neues Musikmärchen gibt. Seit Jahren setzt er sich dafür ein, Kinder an die klassische Musik heranzuführen – auch in der Initiative des Verbandes deutscher Musikschulen. Denn das „miteinander Musizieren, das Rücksicht nehmen, das Respekt vor jemandem bekommen, das Zuhören“ hält er für lebenswichtig.

Fürs Stadtleben wichtig ist inzwischen das Cello-Festival: 240 Gastfamilien haben sich in diesem Jahr in Kronberg gefunden, um den Cello-Nachwuchs aus der ganzen Welt aufzunehmen. Von den Gästen und den zahlreichen Besuchern, die sich außerdem zu diesem etwas anderen Familientreffen einfinden, profitieren nicht zuletzt Restaurants, Bars und Geschäfte. Auch Ausstellungen laden zum Verweilen ein: In der Stadthalle Kronberg dreht sich auf Japan-Papier ähnlichen großen Fahnen alles ums Leben des Cello-Virtuosen und Komponisten Luigi Boccherini, dessen 200. Todestag in diesem Jahr begangen wird. In der Streitkirche haben währenddessen 14 zeitgenössische Künstler ihre auch erotischen Fantasien zum Thema Cello in Ölbildern festgehalten, während Fotograf Sasha Gusov atmosphärische, schwarz-weiße Momentaufnahmen zeigt von sämtlichen Künstlern, die in Kronberg schon zu Gast waren. In diesem Jahr wird sich Gusovs Künstler-Galerie weiter füllen – mit Bildern vor teils atemberaubender Kulisse, denn einige der zahlreichen Meisterkurse finden hoch über den Dächern Frankfurts statt, in einigen Wolkenkratzern in der Nähe der Alten Oper. Ein weiterer Höhenflug für den Cello-Nachwuchs – im wahrsten Sinne des Wortes.

Ursula Böhmer

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