Zur zweiten Auflage des Henri-Marteau-Violinwettbewerbes
Hochherzig fiel der Dank aus: „Es wird mir eine Freude sein,
beitragen zu dürfen, der Stadt Lichtenberg zu weiterem Glanz
und Ansehen zu verhelfen“, schrieb Henri Marteau, 1874 in
Reims geboren und einer der bedeutendsten Geiger seiner Zeit, als
ihm die kleine Gemeinde im nordostbayerischen Frankenwald 1934 die
Ehrenbürgerschaft antrug. Fünf Monate später starb
der Weltberühmte in seiner weitläufigen Villa, die er
1913 im Örtchen bezogen hatte. Seit 1982 dient das Haus Marteau
dem Bezirk Oberfranken als internationale Begegnungsstätte,
der Förderung musikalischer Hochbegabungen gewidmet. Zugleich
sieht sich ein Freundeskreis dem Andenken des Genius verpflichtet.
Beides Ziele, denen auch der Henri-Marteau-Violinwettbewerb –
neben einem weiteren in Augsburg der einzige in Bayern – verschrieben
ist. Um Jugend aus aller Herren Länder, um gute Nachbarschaft
zwischen den Völkern macht er sich verdient, den Namen des
französischen Geigenvirtuosen will er bekannt halten und „Glanz
und Ansehen“ Lichtenbergs als Kulturschauplatz herausstellen.
v.l.n.r.:
Wilfried Schönweiß, Initiator und Organisator,
mit Stefan Tarara und Danae Papamatthäou-Matschke und
Musikdirektor Stefan Fraas
Jenen eher winzigen Punkt auf der Landkarte wünscht sich Wilfried
Schönweiß als Magnetpol junger Geigenkunst. Innerhalb
des veranstaltenden Freundeskreises amtiert Schönweiß
als unermüdlich rühriger, verbindungsreicher „spiritus
rector“ des Wettbewerbs. Zum Schirmherren bat er erfolgreich
den Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, zur Finanzierung
öffnete er öffentliche Hände und gewann private und
privatwirtschaftliche Geldgeber.
37 samt und sonders hoch qualifizierte Geigerinnen und Geiger lockte
die Ausschreibung zur zweiten Auflage Anfang Juni an; Meldungen
waren aus 27 Nationen eingegangen. Mit einem „familiären
Wettbewerb“ durften die bis zu 25 Jahre alten Jungkünstler
rechnen und sich auf Frühsommertage in traumschöner Mittelgebirgslandschaft
freuen. Auf Urlaub nicht: Die künstlerischen und nervlichen
Anforderungen waren, wie bei der Premiere 2002, enorm. In zwei Alterskategorien
traten die Teilnehmer an, und in drei Runden. Zunächst hatten
sie mit Solo- und Konzertwerken etwa von Bach und Paganini, dazu
mit einem Pflichtstück des auch als Komponist hervorgetretenen
Henri Marteau zu bestehen, gegeneinander und vor der von Professor
Günther Weiß angeführten Jury, die sich aus glänzenden
Hochschullehrern und Musikern von globalem Ansehen zusammensetzte
– Experten wie Walter Forchert und Zakhar Bron, Elizabeth
Wallfisch und Wanda Wilkomirska, die sich zur Verfügung stellten,
weil sie, einhelligem Bekenntnis nach, der Veranstaltung internationales
Format zusprechen. Wer es in die zweite Runde schaffte, durfte sich
bei einem vierzigminütigen Rezital mit freiem Programm präsentieren.
Für die Teilnehmer an der Finalrunde endlich waren Konzerte
von Bruch und Tschaikowsky vorgeschrieben.
An der musikliebenden Bevölkerung der hochfränkischen
Kulturregion ging die Konkurrenz keineswegs vorüber. Nicht
nur, dass die Wertungsspiele öffentlich ausgetragen wurden;
zum Wettbewerb gehörte am Eröffnungsabend ein erlesen
musiziertes, aus Raritäten komponiertes Kammerkonzert mit dem
Berliner Somervell-Klarinettenquintett, das dabei eine eigens für
den Anlass geschaffene Komposition des französischen Zeitgenossen
Jean-Michel Damase aus der Taufe hob. Beim Schlusskonzert –
nach einer „Musikalischen Andacht“ in Lichtenberg sowie
kleineren Gastauftritten von Preisträgern in Hof und im vogtländischen
Mißlareuth – stellten dann die Sieger in Bad Steben
ihre Künste vor, begleitet von der Vogtland-Philharmonie Greiz-Reichenbach
unter Stefan Fraas.
Mit Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert imponierte die siebzehnjährige
Griechin Danae Papamatthäou-Matschke wuchtig und ohne Umschweife,
zielgenau und technisch durchtrainiert. Ans erste Konzert des „Teufelsgeigers“
Niccolo Paganini wagte sich sodann ihr deutscher Kollege Stefan
Tarara, vom Publikum im voll besetzten Kurhaussaal geradezu frenetisch
gefeiert für seine Artikulationsvielfalt und rasende Fingerfertigkeit.
Dass es in beiden Darbietungen den Mittelsätzen an Intensität
und Milde mangelte, fiel auf und schien doch entschuldbar: Um angehende
Teufelsgeiger handelt es sich bei beiden Interpreten, um Satansbraten
mit indes nicht nur oberflächlicher Kraft. Auf bald tiefere
Seeleneinsicht lassen sie hoffen, wie sie einem Künstler zukommt,
dem es um „Glanz und Ansehen“ zu tun ist.