Dieter Acker repräsentiert par excellence den Kompositionsprofessor,
bei dem Komponieren und Lehren sich wechselseitig bedingen. Damit
steht er zum einen in einer langen Tradition von Kompositionslehrern,
die Musiktheorie, Analyse und Kompositionstechnik in Personalunion
unterrichten und damit Theorie und Praxis integrieren. Zum anderen
steht er ganz in der Gegenwart, wenn er die Grenzen des Vermittelbaren
reflektiert, respektiert und seinen Schülern die Freiheit einräumt,
sich zu entwickeln, wohin ihre Begabung sie führt. Parallel
zu der Lehrtätigkeit ist ein umfangreiches kompositorisches
Werk entstanden.
Der Berufswunsch Komponist bedeutet auch zu Beginn des dritten
Jahrtausends innerhalb einer höchst arbeitsteilig organisierten
Gesellschaft noch immer ein erhebliches Risiko der Lebensplanung.
Entsprechend besorgt, wenn nicht gar entsetzt reagieren Eltern,
sobald ihnen dergleichen eröffnet wird. Dieter Acker, am 3.
November 1940 in Hermannstadt (Siebenbürgen) geboren, hatte
in dieser Hinsicht Glück. Zu Hause war man einverstanden, als
er sich mit 16 Jahren dazu entschloss. Vielleicht war die musikgesättigte
Atmosphäre seines Elternhauses der Grund für dieses Verständnis.
In der protestantischen Pfarrer- und Lehrerfamilie gehörte
Musik seit Generationen zum Lebensvollzug im Alltag und war nicht
nur ein Ornament festlicher Tage. Vor allem aber der gediegene Unterricht
(Klavier, Orgel, Musiktheorie) bei dem Reger- und Straube-Schüler
Franz Xaver Dressler, der als Kantor, Organist und Leiter des Bach-Chores
in Hermannstadt tätig war, festigte den Entschluss, Musiker
und nicht etwa Maler oder Grafiker (was zeitweilig auch zur Debatte
stand) zu werden.
Politische Schikanen gegenüber dem Angehörigen der deutschsprachigen
Minderheit in Rumänien und zugleich Nachkommen einer Ahnenreihe
von Pastoren hätten aber beinahe das Studium an der Hochschule
in Klausenburg (Cluj) verhindert. Seine außergewöhnliche
Begabung setzte sich jedoch durch, und er wurde bereits während
des Studiums, aber auch danach von seinem Lehrer Sigismund Toduta
als Assistent eingesetzt. In diese Zeit fällt auch sein erster
internationaler Erfolg mit dem Kompositionspreis des „Prager
Frühling 1966“ für sein erstes Streichquartett.
Dieser Preis war der Beginn einer langen Reihe von weiteren Ehrungen,
die ihm jedoch nicht mehr hinter dem Eisernen Vorhang zuteil werden
sollten. Restriktionen und Gängelungen in Ceausescus Rumänien
waren unerträglich geworden, und 1969 gelang es Acker und seiner
Frau, sich nach Westdeutschland abzusetzen.
Auch damit war er ein erhebliches Risiko eingegangen, da er kaum
wissen konnte, wie die Arbeitssituation für Komponisten im
Westen war. Es war eine politisch unruhige Zeit, und die unübersichtliche
Vielfalt der sich befehdenden Strömungen in der Neuen-Musik-Szene
war für den wissbegierigen Einwanderer aus dem Osten besonders
lehrreich, denn er konnte aus allen Experimenten jener Zeit auch
lernen, welche Wege er sicher nicht beschreiten würde. Dazu
trat die Unsicherheit über das Schicksal der beiden Kinder,
die bei Verwandten geblieben waren. Ein Jahr später gelang
es schließlich, für beide eine Ausreisegenehmigung zu
erhalten, und die Familie war wieder vereint.
Dann ging es aber relativ schnell. Nach ersten Stationen als Musiklehrer
am Wuppertaler Dörpfeld-Gymnasium und als Dozent am Robert-Schumann-Konservatorium
sowie an der Evangelischen Landeskirchenmusikschule in Düsseldorf
kam Acker 1972 an die Hochschule für Musik in München,
wo er 1976 in der Nachfolge von Harald Genzmer eine Professur für
Komposition erhielt. Im Laufe seiner nunmehr 34-jährigen Tätigkeit
an unserem Haus prägte er unzählige junge Musiker, von
denen einige bereits als Hochschullehrer tätig sind und Erfolge
als junge Komponisten aufweisen können. 1985 wurde er als erster
deutscher Kompositionslehrer und Gastprofessor an die Musikhochschule
in Peking eingeladen. Auch als Juror ist er immer wieder bei internationalen
Kompositionswettbewerben tätig. Nach dem politischen Umbruch
von 1989 rehabilitierte Rumänien den bis dahin auf schwarze
Listen gesetzten und zur persona non grata erklärten „Landesverräter“.
Die Klausenburger Hochschule verlieh ihm im Jahre 2000 den Doktor
honoris causa.
Was aber das Risiko des eingeschlagenen Lebensweges aufs schönste
rechtfertigt, ist zweierlei: die Schülerschaft, die den unermüdlichen
Einsatz – selbst unter dem Schicksalsschlag einer schweren
Erkrankung – bewundert und dafür dankbar ist, und natürlich:
das Werk. Dieter Acker hat ein umfangreiches Korpus von Kompositionen
geschaffen, fein durchgestaltet bis in das kleinste Detail und individuell
geformt aus der je eigenen Notwendigkeit des Auftrages, des Instrumentariums,
des Konzepts. Entstanden ist dabei ein Werk, in dem sich alle Gattungen
und Besetzungen finden, das sich Moden verweigert und trotzdem oder
gerade deswegen ganz in der Gegenwart steht. Seine Musik ist niemals
gegen das Instrument geschrieben, aber allezeit bereit, dessen Grenzen
auszuloten im Dienste des Ausdrucks. Sie ist von höchster Intensität
auch in den ruhigen Passagen, ausgesprochen gestisch, niemals nur
„tönende bewegte Form“, von raumschaffender Melodik,
voll verwirrender Farben der vielstimmig geschichteten Klänge
und ihrer Verdichtung bis zum Geräusch, häufig an der
Grenze zur Atonalität, ohne dass – wie fern auch immer
– ein tonales Zentrum ganz aus den Augen verloren würde,
dabei des schwelgerischen Wohllauts ebenso fähig wie schärfster
Dissonanz.
Viele der rund 200 Kompositionen werden von namhaften Interpreten
in europäischen Ländern und darüber hinaus aufgeführt.
Zahlreiche Aufnahmen aus Tonträgern sowie gedruckte Ausgaben
seiner Werke kommen hinzu. Eine kleine, aber feine Auswahl von Kammermusikwerken
liegt in der CD Nr. 43 der Reihe der Hochschule für Musik und
Theater München unter dem Titel „Musik aus drei Jahrzehnten“*
vor. Trotz seiner prekären gesundheitlichen Situation ist Dieter
Acker voll von Energie und von Plänen, deren Verwirklichung
ihm zu seinem 65. Geburtstag von ganzem Herzen gewünscht sei.
Stephan Schmitt
* Fioretten I für Flöte solo (1972), Nachtstücke
(Duo für Flöte und Altflöte 1978), Trio für
Flöte, Viola und Harfe (1987), Zwischen Tag und Traum (Trio
für Flöte, Altflöte und Klavier 1988), Sonate für
Posaune und Klavier (1997), Sonate für Trompete und Orgel
(1999), Sonate für Cembalo (2001).