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nmz-archiv
nmz 2005/12 | Seite 1
54. Jahrgang | Dez./Jan.
Leitartikel
Große Koalition und Kultur – Top oder Flop
Die Vereinbarungen zur Kulturpolitik im Koalitionsvertrag ·
Von Olaf Zimmermann
Was bedeutet die Große Koalition für die Kultur?
Diese Frage wird die neue musikzeitung in den nächsten Monaten
sicher noch öfter beschäftigen. Als Auftakt eine Einschätzung
der aktuellen kulturpolitischen Lage durch den Geschäftsführer
des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann.
Auf den ersten Blick kann man den Eindruck gewinnen, dass die Große
Koalition der Kulturpolitik ein deutliches Gewicht beimisst. Immerhin
zwei Seiten des Koalitionsvertrags sind ausdrücklich dem Thema
Kultur gewidmet und auch an anderen Stellen werden die Rahmenbedingungen
von Kunst und Kultur thematisiert.
Als sehr positiv ist zu bewerten, dass Kultur eine Investition
und keine Subvention ist. An diese Aussage wird zu erinnern sein,
sollte das Koch-Steinbrück-Papier aus dem Jahr 2003 wieder
aus der Schublade gezogen und die Kulturausgaben des Bundes als
abzubauende Subventionen bezeichnet werden.
Ebenso wird an verschiedenen Stellen eindeutig und klar formuliert,
dass die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur verbessert
werden sollen. Besonders oft wird der Bereich des Urheberrechts
genannt und eine Modernisierung desselben angekündigt. Genauso
sollen aber auch die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches
Engagement verbessert werden, eine wesentliche Aussage für
die vielen Laienorganisationen im Musikbereich. Konkret wird in
diesem Zusammenhang eine Reform des Gemeinnützigkeits- und
Spendenrechts angeführt. Ein sehr positives Signal für
die verschiedenen Akteure aus dem Kulturbereich ist weiter, dass
sich die Koalition eindeutig zur Künstlersozialversicherung
bekennt und sie im Dialog mit den Versicherten und den Abgabepflichtigen
weiterentwickeln will. Ebenso wird im Bereich der Steuerpolitik
zugesagt, aus Gründen der sozialen Balance den ermäßigten
Mehrwertsteuersatz erhalten zu wollen. Das heißt für
Kulturgüter, die bereits einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz
haben, wie Bücher oder Noten, wird er wohl erhalten bleiben.
Der Koalitionsvertrag also „top“ für die Kultur?
Dieser erste Eindruck wird leider durch drei andere Vereinbarungen
im Koalitionsvertrag getrübt, die sich im so genannten Anhang
2 zur Föderalismusreform befinden. Zum einen soll die gemeinsame
Bildungsplanung von Bund und Ländern aufgegeben werden. Der
Bund soll sich künftig nur noch an internationalen Bildungsvergleichen
beteiligen dürfen. Konkret bedeutet dies, dass die Bund-Länder-Kommission
für Bildungsplanung und Forschungsförderung künftig
keine Modellverhaben im Bereich der kulturellen Bildung fördern
darf. Das Modellvorhaben „Kulturelle Bildung im Medienzeitalter“
(KUBIM) wird dann das letzte große gemeinsam von Bund und
Ländern getragene Modellvorhaben gewesen sein. Welche Auswirkungen
die Beschneidung des Bundes im Bildungsbereich auf die durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten
künstlerischen Wettbewerbe – so auch die musikalischen
Bundeswettbewerbe – haben wird, kann derzeit noch nicht eingeschätzt
werden. So besteht eine große Diskrepanz zwischen der Bedeutung,
die der Bildungspolitik im allgemeinen Teil des Koalitionsvertrags
beigemessen wird und den konkreten Aussagen im Anhang 2 zur geplanten
Föderalismusreform. Es scheint aber so zu sein, dass zumindest
die Förderung durch Mittel des Kinder- und Jugendplans des
Bundes, durch den verschiedene Träger der musikalischen Kinder-
und Jugendbildung gefördert werden, nicht gefährdet ist.
Der zweite Problembereich des Koalitionsvertrags findet sich ebenfalls
im bereits genannten Anhang 2 des Koalitionsvertrags. Es soll in
Art. 23 Abs. 6 Grundgesetz klargestellt werden, dass in Fragen der
schulischen Bildung, der Kultur und des Rundfunks künftig ein
Ländervertreter die Bundesrepublik Deutschland auf EU-Ebene
vertreten soll. Nun war gerade die Vertretung auf der europäischen
Ebene einer der wesentlichen Gründe, dass im Jahr 1998 von
den Bundeskulturverbänden ein Kulturstaatsminister gefordert
wurde. Die drei bisherigen Kulturstaatsminister haben sich das Recht
genommen, im EU-Kulturministerrat Deutschland zu vertreten. Nun
soll dieses Rad wieder zurückgedreht werden und die Vertretung
an die Länder zurückfallen. Dies bedeutet, dass die Vertretungs-
kompetenzen des neuen Staatsministers Neumann hinsichtlich der europäischen
Ebene beschnitten werden.
Zum dritten soll das Eckpunktepapier zur Systematisierung der Kulturförderung
von Bund und Ländern vom Juni 2003 die Grundlage der künftigen
Kulturförderung des Bundes werden. Für die alten Bundesförderungen
im Kulturbereich – so auch einige Institutionen aus dem Musikbereich
wie etwa dem Deutschen Musikrat – gibt es einen Bestandsschutz.
Neue Bundesförderungen würden der Genehmigung durch die
Länder bedürfen. Um die Genehmigung der Länder zu
erhalten, muss der Bund sicherstellen, dass alle sechzehn Bundesländer
bei vergleichbaren Förderfällen eine Gleichbehandlung
erfahren. Außerdem muss der Bund einheitliche Förderquoten
und einheitliche Sitzlandquoten für einzelne Förderbereiche
festlegen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, beginnt
ein Konsultationsverfahren. Im Rahmen dieses Konsultationsverfahrens
kann dem Bund immer noch eine Förderung durch die Länder
untersagt werden. Bislang ist noch unklar, ob es ausreicht, wenn
ein Land der geplanten Bundesförderung widerspricht, ob es
ein Drittel oder die Mehrheit der Länder sein muss. Diese Regelung
wäre abgesehen vom immensen bürokratischen Aufwand eine
deutliche Beschneidung der autonomen Fördemöglichkeiten
des Bundes.
Ein erstes Resümee: Neben vielen für die Kultur positiven
Aspekten im Koalitionsvertrag, könnten sich die geplanten Änderungen
in der Föderalismusreform sich sehr negativ für den Kulturbereich
auswirken. Hier wird es wichtig sein, im Gesetzgebungsprozess deutlich
die Stimme zu erheben, damit aus der Bundeskulturpolitik kein Flop
wird.