[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2005/12 | Seite 4,6
54. Jahrgang | Dez./Jan.
Magazin
Bücher öffnen Augen und Ohren neu
Das hat schon Tradition: die große nmz-Buchumfrage unter
Persönlichkeiten des musikalischen Lebens
Wissenschaft und Forschung
Manfred Stahnke (Hg.): Mikrotöne und mehr. Auf György
Ligetis Hamburger Pfaden, von Bockel, Hamburg 2005, 392 Seiten,
€ 48,00 (mit CD)
Als Münchner in Hamburg bereichert mein kompositorisches
Leben und Lehren der Hamburger Kreis um Ligeti, allen voran Manfred
Stahnke, der mit Akribie eine Riesensammlung wichtiger Texte zum
Thema Mikrotonalität zusammengestellt hat. Ein geschmackvoll
gestaltetes Buch ist entstanden mit 20 Beiträgen von Komponisten
– Lehrern wie ehemaligen Studierenden – und Musikwissenschaftlern.
„Eine noch sehr versteckte Klangkunst ans Tageslicht zu
holen und einer Allgemeinheit verständlicher zu machen, ist
das Anliegen dieses Buches. Es wendet sich deshalb nicht nur an
Spezialisten...“, schreibt Stahnke im Vorwort. Empfehlenswert
allen, die dem Mikrokosmos kleinster Intervalle verfallen sind
oder ihm (noch) skeptisch gegenüber stehen. Für jede
Kompositionsklasse ein Muss!
Peter Michael Hamel, Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Tonius Timmermann: Tiefenpsychologisch orientierte Musiktherapie.
Bausteine für eine Lehre, Reichert Verlag, Wiesbaden 2004,
160 Seiten, € 19,90
Pünktlich zu seiner Berufung als Professor für Musiktherapie
an der Hochschule für Musik Augsburg beschreibt Tonius Timmermann
unter anderem die entwicklungspsychologische Dimension, präverbale
Interaktion, verstanden als „lautmalerischer Dialog“,
und die Bedeutung von Musik für Sozialisation und Biografie;
die Beziehungsaspekte, die im Rahmen eines musiktherapeutischen
Prozesses aktualisiert werden können; die „Verdichtung
unbewusster repetitiver Erlebens- und Verhaltensmuster in der
freien Improvisation“, Einzel- und Gruppentherapie und Ausbildungs-
und Forschungsinhalte werden berücksichtigt. Gut geschrieben
und lesenswert!
Peter Michael Hamel, Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Henriette Zehme: Zeitgenössische Musik und ihr Publikum, ConBrio
Verlag, Regensburg 2005, 228 Seiten, € 14,80
Für jede Generation ist Musik etwas anderes, in jeder Generation
ist das Publikum der ach so schwierigen Musik ein anderes. Die
Autorin hat die 13. Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik
(1999) zum Anlass genommen, ihr Publikum mit sozialpsychologischen
und soziologischen Kategorien zu beschreiben, und liefert gleichzeitig
ein Resümee der einschlägigen Untersuchungen seit den
60er-Jahren. Sie strukturiert die Schwierigkeiten, die für
viele die unvertraute Musik bereiten kann und interpretiert das
Interesse an Neuer Musik als Ausdruck des Lebensstils. Ein Buch
für alle, die sich stets von Neuem Gedanken machen, warum
die Musik der Avantgarde die einen begeistert, die anderen hingegen
gar nicht.
Klaus-Ernst Behne, Hochschule für Musik und Theater Hannover
Brian Greene: Der Stoff, aus dem der Kosmos ist, Siedler Verlag,
München 2004, 640 Seiten, € 28,00
Dieses Buch handelt von der Beschaffenheit der Wirklichkeit.
Es regt gleichzeitig dazu an, zu denken: vom Stoff, aus dem die
Musik sein könnte! Verlässt man mit diesem Buch die
immer schwachsinniger werdenden Begriffe wie Tonalität, Tonika,
Dominante, Grundton, Zusammenhang, Logik und versucht, mit den
Begriffen der Physik der Quanten, der vier Naturkräfte, der
Überlagerung und Verschränkung, der Nichtlokalität,
der Stringtheorie(n) die Töne untereinander und die formale
Ausbreitung in der Zeit et cetera neu zu denken, könnte man,
ohne die alten Konfrontationen, für Musik ein neues Reich
der Freiheit erringen und Analyse, Notation, Spiel und so weiter
als wirklichkeitsverringernde Messungen sehen, denen das Gehirn
und das vorausgehende Hören unnachahmbar weit, nämlich
überlagern könnend, überlegen sind.
Nicolaus A. Huber, Komponist
Brian Greene: Das elegante Universum, Berliner Taschenbuchverlag,
Berlin 2002, 511 Seiten, € 12,90
Eine helle Freude für Musiker!
Hans Joachim Hespos, Komponist
Christoph Wagner: Hand und Instrument. Musikphysiologische Grundlagen,
praktische Konsequenzen, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden
2005, 368 Seiten, € 36,00
Unvoreingenommenheit gegenüber wissenschaftlichen Ansätzen:
siehe Heinrich Neuhaus „Man muss den Tunnel von zwei Seiten
graben“.
Karl Heinz Kämmerling, Hochschule für Musik und Theater
Hannover
Jan Assmann: Die Zauberflöte. Oper und Mysterium, Carl Hanser
Verlag, München 2005, 383 Seiten, € 24,90
Für einmal steht im Klappentext die Wahrheit: „Dieses
Buch öffnet Augen und Ohren neu für eine Oper, die wir
längst zu kennen glauben.“
Nike Wagner, Intendantin Kunstfest Weimar
Kultur- und Bildungspolitik
Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, order@fred-prieberg.de,
CD-ROM, 9500 Seiten, € 150,00
Der erste Gedanke: Müssen diese obrigkeitsergebenen Musiker
auf solch einem Kunstsoldatenfriedhof vereinigt werden? Der zweite
Gedanke: Es waren mehr, als uns in Ost und West lieb und vorstellbar
war. Der dritte Gedanke: Dieses Kompendium sollte sich in einem
Analogie-Unternehmen fortschreiben: Handbuch Ostdeutsche Musiker
1945–1990. Viele kehren dabei wieder, andere hoffen, dass
diese CD-ROM dann auch erst so spät erscheint (also circa
2050).
Tilo Medek, Komponist
Wolfgang Schreiber: Große Dirigenten, Piper Verlag, München
2005, 530 Seiten, € 24,90
Wolfgang Schreiber gelingt ein ebenso detaillierter wie fachkundiger
Blick hinter die Kulissen der Opern- und Konzertwerkstatt. Ein
musikalisches Kompendium, auf das die Musikfreunde seit langem
gewartet haben.
Christian Kröber, GEMA-Direktor Lizenzen und Inkasso I
Alfred Brendel: Musik beim Wort genommen. Über Musik, Musiker
und das Metier des Pianisten, Serie Piper, Bd. 8334, Piper Verlag,
München 2004, 278 Seiten, € 9,90
Wahrhaftig!
Karl Heinz Kämmerling, Hochschule für Musik und Theater
Hannover
Blair Tindall: Mozart In The Jungle. Sex, Drugs and Classical Music.
Atlantic Monthly Press, New York 2005, 288 Seiten, € 18,50
Die Oboistin Tindall rechnet mit diesem scheinbaren „Skandalbuch“
hier mit einer an der eigenen Hybris zugrundegehenden klassischen
Musikszene ab, die scheinbar nur noch aus Drogenkonsum und Sexorgien
besteht. Das Buch entpuppt sich dann als eher biedere Ansammlung
von persönlichen Anekdoten, gänzlich fundiert ist aber
die Beschreibung des amerikanischen Orchesterwesens, die jedem
kalte Schauer über den Rücken laufen lässt, der
weiß, dass unsere „Kulturpolitiker“ genau auf
diese Situation zusteuern. Daher, als dringende Warnung, zu empfehlen!
Moritz Eggert, Komponist und Pianist
Sachbücher
Karl Heinrich Ehrenforth: Geschichte der musikalischen Bildung.
Eine Kultur-, Sozial- und Ideengeschichte in 40 Stationen, Schott
International, Mainz 2005, 554 Seiten, € 49,95
Angefangen von außereuropäischen Früh- und Hochkulturen
über die europäische Antike, das Mittelalter und die
Neuzeit bis zu den offenen Perspektiven der Gegenwart leuchtet
Karl heinrich Ehrenforth mit großem Kenntnisreichtum und
souveräner Akzentsetzung die vielfältigen Konzepte und
Wandlungen musikalischer Bildung aus.
Das fesselnd zu lesende Buch ist die vollreife Frucht einer jahrzehntelangen
intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik musikalischer Bildung.
Ulrich Mahlert, UdK Berlin
Ehrenforth legt seine seit Langem angekündigte Geschichte
der musikalischen Bildung vor, die sich (sieht man von den beiden
ersten Stationen einmal ab) auf die Entwicklung der abendländischen
Musik bezieht. Er bekennt sich im Strukturieren und Werten eines
an sich kaum Überschaubaren zu einer durchaus subjektiven
Sichtweise, die in der These gipfelt: „Solange Menschen
im Spiegel der Musik sich selbst und ihre Musik wiedererkennen
wollen, spielt die historische Symbiose von Musik und Religion
immer noch eine mindestens unterschwellige Rolle.“
Damit bietet der Verfasser einen roten Faden an, der zu einem
engagierten Sich-Auseinandersetzen geradezu herausfordert. Wann
kann man schon von einer so substanzreichen musikpädagogischen
Publikation zur Fachgeschichte sagen, dass sie umfänglich
informiert und zugleich provoziert?
Hans Bäßler, Deutscher Musikrat
Zum ersten Mal wird hier gewagt, eine Geschichte der musikalischen
Bildung in einen Zeitrahmen von mehr als 3.000 Jahren zu stellen.
Damit verbindet sich der Anspruch, ein Bild zu zeichnen, das nicht
erst – wie bisher üblich – um 800 oder gar erst
um 1800 beginnt. Musikalische „Weltbilder“ haben ganze
Nationen, Geschichtsepochen und Kulturkreise bis in ihre politische
Gestalt hinein geprägt: Musik hat „gebildet“
im ursprünglichen Sinn des Wortes. Der Leser wird zu 40 Stationen
unserer Kultur- und Bildungsgeschichte geführt – von
der Antike bis zur Gegenwart.
Peter Hanser-Strecker, Schott Musik International
Dieter A. Nanz: Edgard Varèse. Die Orchesterwerke, Lukas
Verlag, Berlin 2003, 550 Seiten, € 36
Das erste Buch, dem es gelingt, die noch immer neue Musik von
Edgard Varèse und deren Entwicklung analytisch zu durchdringen.
Nike Wagner, Intendantin Kunstfest Weimar
Gary Giddins: Weather Bird – Jazz at the Dawn of Its Second
Century, Oxford University Press, New York 2004, 632 Seiten, €
36,75
Eine Aufsatzsammlung (1990–2004), die alle Perioden und
Richtungen des Jazz und viele Nachbargebiete umfasst. Geschrieben
von einem der besten lebenden Kenner des Jazz: hochkomprimiert,
differenziert, witzig. Pflichtlektüre für jeden jungen
Journalisten, der über Jazz schreiben will.
Joe Viera, Jazzmusiker und Dozent
Udo di Fabio: Die Kultur der Freiheit, Beck Verlag, München
2005, 295 Seiten, € 19,90
Ein hochreflektiertes konservatives Manifest zur Kultur und
Gesellschaft der Gegenwart von einem renommierten Verfassungsrichter.
Selbst wenn man Positionen nicht teilt, lohnt es sich, sich mit
ihnen argumentativ zu befassen, da man theoretisch gut gefordert
wird.
Max Fuchs, Vorsitzender Deutscher Kulturrat und Direktor Akademie
Remscheid
Poesie des Alphabets
Hans Joachim Hespos, Komponist
Pädagogik/Schule
Beate Christiane Dethlefs-Forsbach: Fächerübergreifender
Unterricht aus der Sicht des Faches Musik, Schneider Verlag Hohengehren,
Baltmannsweiler 2005, 500 Seiten, € 39,80
Ein schon lange überfälliges Werk: In der systematischen
Untersuchung werden übersichtlich Chancen und Möglichkeiten,
aber auch Probleme und Gefahren des fächerübergreifenden
Unterrichts dargestellt. Der Unterrichtende erfährt somit
eine Bereicherung für seine unterrichtlichen Vorbereitungen.
Viele Beispiele und eine geordnete Zusammenfassung bieten ein
fundiertes Repertoire für einen aktuellen und auch schülerzentrierten
Musikunterricht.
Markus Köhler, Vorsitzender des Verbandes Bayerischer Schulmusiker
Jan Dosch und Tonius Timmermann: Das Buch vom Monochord, Reichert
Verlag, Wiesbaden 2005, 192 Seiten, € 24,90
Umfassendes vom Monochord für Musiker, Pädagogen,
Therapeuten und experimentierfreudige Laien. Beide Autoren haben
das Monochord vor 25 Jahren in Bau- und Spielworkshops im Münchner
Freien Musikzentrum wiederentdeckt und informieren ausführlich
über Geschichte, harmonikalen Bezug und die Anwendung in
heutiger Musiktherapie und Musikpädagogik. Ausführliche
Bauanleitung, Spielvorschläge und eine Skalensammlung. Sehr
anschaulich!
Peter Michael Hamel, Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Biografisches
Michael Schmidt: Capriccio für Siegfried Palm, ConBrio Verlag,
Regensburg 2005, 200 Seiten, € 14,80
Hier liegt eine Kultur- und Musikgeschichte der Gegenwart –
und: eine kleine Geschichte deutscher Vergangenheit, für
viele noch immer: die unbewältigte… – vor. Michael
Schmidt schafft es dem unendlichen Assoziationsfluss Palms eine
erstaunliche Realität und Aktualität zu verschaffen,
indem er – immer wieder themenbezogen – auf den Kern
des Büchleins kommt: die Beschäftigung an, mit und um
Neue Musik. Neue Musik und ihre Entstehungsgeschichten –
hier um das Cello gruppiert. Ein erfrischendes – und ermunterndes
– Buch, das gleichzeitig ein Nachruf auf Siegfried Palm
ist. Viele schöne Geschichten und Anekdoten können schöne
Stunden mit neuer(er) Musik bescheren. Nicht nur als (Weihnachts-)Geschenk
zu empfehlen.
Bernd Wiesemann, Komponist und Pianist
Ulrich Dibelius (Hg.): Karl Amadeus Hartmann. Komponist im Widerstreit,
Bärenreiter Verlag, Kassel 2004, 347 Seiten, € 29,95
Wichtige Sammlung von Aufsätzen zum 100. Geburtstag des
Komponisten Karl Amadeus Hartmann.
Herbert Hillig, Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft,
Forschung und Kunst
Ein exzellentes Standardwerk über Karl A. Hartmann, dessen
Wiederentdeckung gerade im Gange ist. Wichtige Aufsätze,
die Person und Werk von verschiedenen Seiten beleuchten. Besonders
erhellend das Essay des Herausgebers: „Musik als Selbstzeugnis“.
Dieter Schnebel, Komponist
Dieter Borchmeyer: Mozart oder die Entdeckung der Liebe, Insel
Verlag, Frankfurt a.M. 2005, 425 Seiten, € 19,80
Die bislang wichtigste Neuerscheinung zum Mozart-Jahr in Form
einer wissenschaftlichen „Liebes-Geschichte“. Seit
Einstein und Hildesheimer ist nichts Vergleichbares geschrieben
worden.
Peter Ruzicka, Intendant Salzburger Festspiele
Gernot Gruber und Joachim Brügge (Hg.): Das Mozart-Lexikon,
Laaber-Verlag, Laaber 2005, 800 Seiten, € 98
Wer war Karl Zichy-Vásonykeö? Was ist der „Mozart-Effekt“?
Was haben Mozarts Söhne eigentlich gemacht? Auf diese und
andere Fragen rund um Mozarts Leben und Werk gibt das neue Mozart-Lexikon
in 642 Stichwörtern erschöpfende Auskunft. Rechtzeitig
zum Mozart-Jahr kam dieses knapp 1.000-seitige Kompendium bei
Laaber heraus. Das „Non-Plus-Ultra“ für Mozart-Kenner
und -Liebhaber: eine phänomenale Enzyklopädie.
Friedrich Spangemacher, SR 2 KulturRadio
Boris Blacher: Archive zur Musik des 20. Jahrhunderts, Band 7,
Wolke Verlag, Hofheim 2003, 248 Seiten, € 19
Ideen, Träume jener Jungen von einst.
Hans Joachim Hespos, Komponist
Allen, die Opern lieben und sie endlich gerne verstehen möchten,
hat Loriot seinen Kleinen Opernführer gewidmet. Für
die Korrektheit der ausgesuchten und erlesenen Opernhinweise übernimmt
der Empfehlende keine Haftung!
Oliver Scheytt, Kulturdezernent der Stadt Essen