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nmz-archiv
nmz 2005/12 | Seite 14
54. Jahrgang | Dez./Jan.
Musikwirtschaft
KulturBarometer – Wetterbesserung in Sicht
Hoffnung und Zuversicht für die „klassische Musikkultur?“
Ende November hat die Deutsche Orchestervereinigung Ergebnisse
aus dem „8. KulturBarometer des Zentrums für Kulturforschung
(ZfKf)“ vorgestellt. Seit 1990 erstellt das Zentrum für
Kulturforschung in repräsentativen Umfragen aktuelle Meinungsbilder
zu grundsätzlichen und spezifischen Themen der kulturellen
Bildung und Kulturpolitik. Das aktuelle KulturBarometer hat die
Deutsche Orchestervereinigung mitfinanziert. Daher konnten in diese
Umfrage zahlreiche Fragestellungen zum aktuellen Konzertleben und
seiner Entwicklung miterhoben werden.
Zu den zentralen Ergebnissen gehört, dass musikalische Darbietungen
von den über 2.000 Befragten am deutlichsten mit ihrem Begriff
von Kunst und Kultur korrelierten. 35 Prozent derjenigen, die Musik
als das kulturelle Medium schlechthin empfinden, sahen dies im Musiktheater
verwirklicht. Allein in den letzten 20 Jahren habe sich der jährliche
Besucheranteil von etwa 25 auf 42 Prozent gesteigert. Allerdings
seien die Zahlen seit den letzten 10 Jahren leicht rückläufig,
was die so genannten klassischen Konzerte angeht, im Pop-Rock-Jazz-Sektor
hingegen gibt es weiterhin Steigerungen. Alarmierend nannte Gerald
Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung,
den zunehmenden Wegfall von Besuchergruppen mittleren Alters und
bei jüngeren Senioren. Mittelbar betroffen seien davon dann
auch die jüngeren Zuhörer. „Die jungen Menschen
kehren mit zunehmendem Alter nicht mehr in die Konzertsäle
zurück“, heißt es dazu in der Kurzanalyse des Zentrums
für Kulturforschung. Generell zeichne sich durch die Gesellschaft
hindurch ein interessanter Effekt ab. Intensivnutzer, also Menschen,
die kontinuierlich Konzerte oder Theater besuchen, werden weniger,
dagegen kommen immer deutlicher so genannte „kulturelle Allesfresser“
ins Spiel, die mehr aus spontanen Erwägungen heraus heute hier,
morgen dorthin gehen. Daher sei eine stärkere Vernetzung unter
den verschiedenen Kulturformen sehr hilfreich, meint Mertens. Diese
Erkenntnis dürfte aber auch eine Erhöhung von Formen moderierter
Konzerte nahelegen. Wenn die Beziehungen zur Musik immer lockerer
werden, ist Aufklärung recht hilfreich. Das klassische kleinbürgerliche
Publikum schwindet und die schulisch bedingte Spaltung der Gesellschaft,
wie auch die Ergebnisse der PISA-Studie ergeben, verstärkt
sich.
Man weiß nicht recht, wie man das Zahlenwerk deuten soll:
Handelt es sich um eine Verschlechterung zum Guten oder doch nur
um eine Verbesserung zum Schlechten? Gerald Mertens geht jedenfalls
positiv an die Zukunft der Orchesterlandschaft heran. Sein Forderungskatalog:
„Opernhäuser und Orchester müssen regelmäßiger
Angebote für die ganze Familie machen. Konzertsäle und
Musiktheater sollten sich um ein attraktiveres Ambiente, zum Beispiel
durch Treffpunkte mit Gastronomie vor und nach der Veranstaltung,
bemühen. Den unverändert bestehenden Berührungsängsten
mit klassischer oder moderner Musik kann man duch neue Konzertformen,
wie zum Beispiel moderierte Konzerte, begegnen. Ein Hauptthema der
nächsten Zeit wird die alters- und zielgruppengemäße
Musikvermittlung sein. Außerdem müssen Kultureinrichtungen
ihre Angebote untereinander stärker vernetzen.“ Mertens
sieht die Aufgaben aber auch verteilt, „die Grundlagen müssen
Bildungs- und Kulturpolitik durch die Einrichtung eines regelmäßigen
Instrumentalunterrichts an den Schulen legen“. Sicher ein
Wunschtraum, nicht nur des Geschäftsführers der Deutschen
Orchestervereinigung.