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nmz-archiv
nmz 2005/12 | Seite 46
54. Jahrgang | Dez./Jan.
Noten
Brillante Wirkung, ausgeklügelte Technik
Moderne Gitarren-Klänge – espressivo und improvisando
Dirk Bracklow (geb.1963): 5 Ohrwürmer,
Tonger
Die Stücke sind im romantischen Stil erfunden, im unteren
Schwierigkeitsgrad gehalten, sie wenden sich an Anfänger,
die mit leicht spielbarer Melodie ihr Repertoire à la „Romanze
von Gomes“ erweitern wollen. In technischer Hinsicht werden
Anforderungen an Lagenwechsel, an die klangliche Perfektion des
„Melodiefingers” der rechten Hand gestellt. Etwas
eintönig wirken die ständig begleitenden Leersaiten
in den ersten drei Piecen. Die Ohrwürmer sind leicht einprägsam,
gefällig und werden ihr Publikum finden.
Rafael Catalá: Fantasia (2001),
Doblinger 19190/CD 35902
Gestützt auf die Scordatur der sechsten Saite in „C“,
bietet die Fantasie in drei Teilen reizvolle Klänge, die
immer mehrstimmig gedacht, das Spektrum der Möglichkeiten
der Gitarre in einer modern- romantischen Grundhaltung versuchen
auszuschöpfen.
Der erste Teil, chromatisch, polyphon strenger gehalten, ist sehr
espressiv empfunden und geht zum Höhepunkt in Triolen ausbrechend
in das Motiv des Anfanges zurück. Im „meno mosso”
erscheinen lange melodische Bögen, abwechselnd im Diskant
und Bass, stimmungsvoll unterstützt durch ostinate Sechzehntel
.
Der zweite Teil, melodisch espressiv, wirkt durch die verschiedenen
Einfälle, die meist in Fermaten enden, improvisatorisch.
Die Schlusstriolen deuten schon die Virtuosität des Vivo
an. Hier im dritten Teil lässt sich die spanische Herkunft
des Komponisten nicht verleugnen. Die frappierende brillante Wirkung
basiert auf einer ausgeklügelten Technik, die Bindungen,
Arpeggi, Percussion und melodische Elemente gleichermaßen
nutzt, um einen rasanten Schluss zu erzielen. Ein anspruchsvolles
Stück!
Friedrich Pütz (geb. 1950): Impulse Heft I und II.,
Friedrichpuetz-Edition
Heft I bringt 7 Impulse mit Takteinteilung, jeder Impuls mit
eigener Idee, zum Teil imitatorisch angelegt. Die Spielanweisung
„so schnell wie möglich“ lässt sich bei
unterschiedlicher Schwierigkeit nur mit verschiedenen Tempi verwirklichen.
Als ein Stück betrachtet, bringt es moderne Klänge,
die sich zu einem sinnvollen Ganzen fügen. Es bedarf eines
fortgeschrittenen Schülers, der die moderne Tonsprache schon
kennt.
Heft II mit zehn Impulsen, senza misura, verschiedenen Tempi,
der Anweisung ineinanderklingend-arpeggio zu spielen, erschließt
sich dem Spieler deutlich schwieriger.
Die Stücke wirken wie die Notation computergestützt
hergestellt, denn vom Hören klanglich empfunden, sind Zusammenhänge
schwer herzustellen. Spielt man exakte Notenwerte und Tempi, wirkt
die Musik trocken, am ehesten findet man einen Zugang, wenn über
allem „quasi improvisando” stünde.
Wer Villa-Lobos, Muthspiel, Cooperman und Ähnliches mit
versetzten Griffen, dem Spiel leerer Saiten und in den Lagen gegriffener
Töne mag, findet hier eine eigenständige Komposition
vor, die mit dem Zusatz „molto libero“ versehen, sehr
viel Interpretationsspielraum lässt. Die Miniaturen ergänzen
sich im Ausdruck sinnvoll und sind auf jeden Fall im Zusammenhang
zu spielen.