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Ausgabe 2005/12
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nmz 2005/12 | Seite 25
54. Jahrgang | Dez./Jan.
Verbandspolitik

Pop-affin

Reinhart von Gutzeit zum Wettbewerb „Jugend musiziert“

Das Unternehmen „Jugend musiziert“ wird 43 Jahre alt. Seine Teilnehmer aber bleiben immer jung. Was unternehmen die Macher, damit sie mit dem Wettbewerb am Puls der Zeit bleiben? Die neue musikzeitung sprach mit Reinhart von Gutzeit, dem Vorsitzenden des Hauptausschusses bei „Jugend musiziert“, über Gegenwart und Zukunft des Wettbewerbsklassikers.

neue musikzeitung: Herr von Gutzeit, welche Neuerungen gibt es im 43. Jahr des Wettbewerbs?
Reinhart von Gutzeit: Die wichtigste Neuerung ist die Zulassung der Instrumente, die Udo Dahmen gerne als „pop-affin“ bezeichnet. Im Rahmen einer Pilotphase finden in den Landeswettbewerben Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Berlin und den Deutschen Schulen in Nord-/Osteuropa erstmals Wettbewerbe für die Kategorien E-Gitarre, E-Bass, Vocals, Drums, Keyboard und DJ statt. Das ist für „Jugend musiziert“ ein gewaltiger Schritt.

Reinhart von Gutzeit beim Preisträgerkonzert des Bundeswettbewerbes „Jugend musiziert“ 05. Foto: E. Malter

Bild vergrößernReinhart von Gutzeit beim Preisträgerkonzert des Bundeswettbewerbes „Jugend musiziert“ 05. Foto: E. Malter

nmz: Seit unserem letzten Gespräch in Leipzig (nmz 2001/06, Seite 1) haben die Diskussionen über Jazz und Pop beim Wettbewerb weiter zugenommen. Was wird sich im Bereich Pop tun?
von Gutzeit: Die Unterschiedlichkeit zwischen klassischer Musik (im weitesten Sinne), Pop- und Jazzmusik ist ja nicht nur eine Frage der musikalischen Stilistiken. Es geht auch um andere Instrumentarien, um andere Darbietungsformen, im Bereich der Popmusik um die große Bedeutung außermusikalischer Elemente – es sind ganz und gar andere „Kulturen“. Deshalb haben die Jazzmusiker bewusst nicht den Anschluss an „Jugend musiziert“ gesucht, sondern haben seit 1997 ihren eigenen Wettbewerb „Jugend jazzt“, der mit „Jugend musiziert“ partnerschaftlich verbunden ist.

nmz: Jetzt haben Sie aber den „cultur clash“ gewagt?
von Gutzeit: Wir haben lange und sehr ernsthaft diskutiert, ob Popmusik und „Jugend musiziert“ zueinander passen können. Kann sich der Wettbewerb mit seinen hergebrachten Strukturen dieses Bereiches annehmen oder müsste er sich grundlegend verändern? Besitzen wir die notwendigen Kompetenzen, um uns konstruktiv und produktiv mit der Thematik auseinander zu setzen oder wo und wie können wir uns beraten lassen? Die Entscheidung, den Versuch zu wagen, fiel auf breitester Ebene: im Rahmen einer Zentralkonferenz von „Jugend musiziert“, wo Regionalebene, Landesebene und Bundesebene zusammentreffen.

nmz: Und wie waren dort die Mehrheitsverhältnisse?
von Gutzeit: Es gab eine erstaunlich große Zustimmung zu dem Vorschlag, sich der Popmusik zu öffnen. Entscheidend war dabei die vor allem auf der Regionalebene stark verbreitete Einsicht, dass die Popmusik in den Musikschulen eine so gewichtige Rolle übernommen hat, dass sich dies auch bei „Jugend musiziert“ widerspiegeln sollte. Wir haben uns aber gegenseitig versprochen, die Erfahrungen der Pilotphase ernsthaft und „ergebnisoffen“ auszuwerten, bevor wir die definitive Entscheidung treffen.

nmz: Was unterscheidet „Jugend musiziert“ von Popband-Wettbewerben?
von Gutzeit: Sehr geholfen hat uns der von Udo Dahmen entwickelte Vorschlag, nicht die Bandarbeit in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die einzelnen Instrumente. Dahinter steht die Überzeugung, dass auf diese Weise am meisten für die Qualität des Instrumentalspiels getan werden kann. Bandwettbewerbe, so sagen uns die Fachleute, gibt es in ausreichender Anzahl und Qualität und ein deutschlandweiter Bandwettbewerb würde wohl die organisatorischen Strukturen von „Jugend musiziert“ sprengen.

Die neuen Kategorien stellen tatsächlich die Regional- und Landeswettbewerbe vor sehr große Herausforderungen. Das reicht von der Frage „Woher kommen die qualifizierten Jurorinnen und Juroren?“ über die Bewältigung der logistischen Probleme (Verstärkeranlagen...) bis zu finanziellen Sorgen.

nmz: Sein Image hat der Wettbewerb daher, dass beinahe alle heute an exponierter Stelle wirkenden Musiker einen Preis bei „Jugend musiziert“ oder„Jugend jazzt“ in ihrem Lebenslauf stehen haben. Wird das in Zukunft auch noch so sein?
von Gutzeit: Davon bin ich überzeugt. Hinter Ihrer Frage vermute ich die kritische Einstellung mancher, die von einer Entwertung des ersten Preises beim Bundeswettbewerb sprechen, nachdem er in den letzten Jahren oft vielfach geteilt vergeben wurde. Aber diese Politik war richtig! Es hat keine Verflachung des Anspruchs gegeben, sondern aufs Ganze gesehen eine Leistungssteigerung und unsere Absicht war es, diese hervorragenden Leistungen entsprechend zu würdigen. Dennoch hat sich der Erweiterte Projektbeirat dafür ausgesprochen, einer möglichen inflationären Tendenz sanft entgegen zu steuern und in seiner letzten Sitzung ein neues Punktierungssystem verabschiedet, das sich auf der Bundesebene an diesem Ziel orientiert. Es soll aber erst beim 44. Wettbewerb zur Anwendung kommen.

nmz: Das Thema „Interkultureller Dialog“ wird heute verstärkt auch vom Deutschen Musikrat aufgegriffen. Ist es ausreichend, wenn bisher in zwei Landeswettbewerben das türkische Instrument Baglama teilnimmt?
von Gutzeit: „Jugend musiziert“ hat in Berlin und Nordrhein-Westfalen ein erfolgreiches Experiment mit der türkischen Baglama durchgeführt. Daraus wird eine Bereicherung des ganzen Wettbewerbs entstehen, aber sicher nicht flächendeckend, denn es gibt ganze Bundesländer, wo das Instrument völlig unbekannt ist und kein Bedarf besteht. Das Beispiel ist übertragbar. Ich halte es deshalb für sinnvoll, dass für Baglama und vergleichbare Instrumente und Stilistiken „Insellösungen“ geschaffen werden. Das gilt auch für die Wettbewerbsbedingungen, die bei solchen neuen Wertungen andere sein müssen, als im herkömmlichen Wettbewerb. Natürlich müssen die Regelungen hier genauso wohl durchdacht und stimmig entwickelt werden, wie in den traditionellen Wettbewerbsbereichen. Und alle sollten Verständnis haben, dass wir den Wettbewerb am Ende nicht mit so vielen Spezialitäten und Sonderregelungen befrachten dürfen, dass sein klares Profil, das eine seiner großen Stärken darstellt, allmählich verschwimmt.

nmz: Ein anderes „großes“ Thema sind derzeit die Schlagworte Musikvermittlung und audience development. Was kann und wird „Jugend musiziert“ hierzu beitragen.
von Gutzeit: Ich bekleide in Linz eine Professur für Musikpädagogik/Musikvermittlung. Sie können sich denken, dass es mir ein Herzensanliegen ist, Aspekte der Musikvermittlung auch bei „Jugend musiziert“ ins Spiel zu bringen. Allerdings muss man auch hier pragmatisch bleiben. Oberstes Ziel der Musikvermittlung ist es, mehr Nähe zwischen dem Publikum, den ausübenden Musikern und den dargebotenen Werken herzustellen. Wenn sie an das typische Publikum eines Abschlusskonzertes beim Landes- oder Bundeswettbewerb denken, dann kann das bedeuten, Eulen nach Athen zu tragen. Dieses Publikum ist schon mehr als gewonnen. Und noch ein Grad pragmatischer: Wenn wir bei diesen Konzerten schon die unvermeidlichen politischen Reden unterbringen müssen, ist dreimal zu überlegen, ob man noch Zeit für einen Moderator herschenkt und entsprechend weniger Preisträger die Gelegenheit haben, aufzutreten. Etwas ganz anderes und in meinen Augen ein sehr lohnendes Ziel wäre es, mit den Preisträgerinnen und Preisträgern der Wettbewerbe einen Veranstaltungsreigen zu organisieren, bei dem sie selbst als Musikvermittler in Schulen und anderswo daran mitarbeiten, das zukünftige Publikum zu erschließen. Wenn es uns gelänge, in jedem Bundesland ein kleines Büro zu errichten, das solche Projekte organisiert, könnten wir einen phantastischen Fortschritt erzielen. Das wäre eine elektrisierende Idee; aber ihre Umsetzung kann man nicht einfach den Landesausschüssen von „Jugend musiziert“ oder den Landesmusikräten aufhalsen.

nmz: Ist Wettbewerb alles beim Wettbewerb? Oder hat „Jugend musiziert“ gerade heute, wo ein Abbröckeln der so genannten musischen Bildung zu konstatieren ist, noch andere wichtige Funktionen?
von Gutzeit: „Jugend musiziert“ hat viele unterschiedliche Funktionen. Vom Landeswettbewerb an steht der Leistungsgedanke im Vordergrund – bis hin zur Förderung der Spitzenbegabungen. Auf der Regionalebene ging es niemals nur um den Wettbewerb. Hier steht die Motivation zum engagierten Instrumentalspiel im Mittelpunkt. Auch die Musikschulen haben heute sehr mit der zeitgeistigen „Schnuppermentalität“ zu kämpfen und ohne den Wettbewerb „Jugend musiziert“ gäbe es nicht mehr 20.000 Kinder und Jugendliche, die sich Jahr für Jahr daran machen, ein kleines Repertoire mit Werken aus drei Epochen aufführungsbereit zu erarbeiten.

nmz: „Jugend musiziert“ als eine der wichtigen Keimzellen musischer Bildung in Deutschland?
von Gutzeit: Der Wettbewerb hat durch seine Impulse und durch seine allmählichen Veränderungen dazu beigetragen, manche neue Sichtweise zu etablieren. Er hat das Interesse für Neue Musik gefördert, manche Instrumente aus einer „Randlage“ befreit und Komponisten angeregt, für diese Instrumente zu schreiben; er hat das Interesse vom solistisch orientierten Spiel zur Kammermusik verlagert...

Mit alledem leistet der Wettbewerb viel im Rahmen der musischen Bildung. Das, was darüber hinausgeht, bleibt aber der allgemein bildenden Schule, der Musikschule und der Laienmusik vorbehalten.

nmz: Vielen Dank.

Die Fragen stellte Andreas Kolb.

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