[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2005/12 | Seite 48
54. Jahrgang | Dez./Jan.
Wortlaut
Wortlaut
Biedermann oder Brandstifter
Neuer
Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Foto: Deutscher Bundestag
Neuer Kulturstaatsminister ist der Bremer CDU-Landesvorsitzende
Bernd Neumann, MDB. Mit dem Spezialisten für Medienpolitik
ist das Amt erstmals mit einem Politiker besetzt, der in der Fraktion
verankert ist. Neumann gilt als konservativ und als Mann mit einem
zeifelhaften Verständnis von der Freiheit der Künste.
Am 21. November veröffentlichte Wolfgang Wieland, MDB (Bündnis
90/DIE GRÜNEN) folgenden Text als Meldung seiner Bundestagsfraktion:
„1977 verwandte Bernd Neumann sich als Fraktionsvorsitzender
der CDU in der bremischen Stadtbürgerschaft per se gegen die
Behandlung des Gedichts ‚Die Anfrage‘ von Erich Fried
an einer Bremer Schule. Er brandmarkte das Gedicht pauschal als
‚grundgesetzwidriges Material‘ und brachte einen entsprechen
Antrag in die Bürgerschaft ein. In der folgenden Plenardebatte
am 3. November 1977 warf ihm der spätere Bremer Bürgermeister
Henning Scherf vor, er stehe ‚in der Tradition nationalsozialistischer
Bücherverbrenner‘. Diesen Vorwurf wiederholte der SPD-Abgeordnete
Kunick. Daraufhin Neumann wörtlich: ‚Ja, Herr Kunick,
so etwas würde ich lieber verbrannt sehen, das will ich Ihnen
einmal ganz eindeutig sagen.‘ (Plenarprotokoll der 25. Sitzung
der Bremischen Stadtbürgerschaft, S. 795). Zwei ihm angebotene
Möglichkeiten zur Revidierung ließ er ungenutzt. ‚Ich
habe gar nichts zurückgenommen.‘ Auch wenn der Vorfall
etliche Jahre zurückliegt, kann diese verbale Entgleisung eines
35-jährigen Fraktionsvorsitzenden, an der er zudem ausdrücklich
festhielt, nicht als Jugendsünde abgetan werden. Die Werke
eines von den Nazis verfolgten jüdischen Schriftstellers den
Flammen überlassen zu wollen, offenbart ein derart geschichtsvergessenes
und ignorantes Urteilsunvermögen, dass ihn dies ein für
alle Mal für das angestrebte Amt disqualifiziert: keinen Bücherverbrenner
als Kulturstaatssekretär.“
Wolfgang Wieland
Die Anfrage
Mit Verleumdung und Unterdrückung
und Kommunistenverbot
und Todesschüssen in Notwehr
auf unbewaffnete Linke
gelang es den Herrschenden
eine handvoll empörte Empörer
Ulrike Meinhof
Horst Mahler
und einige mehr
so weit zu treiben
dass sie den Sinn verloren
für das was in dieser Gesellschaft
verwirklichbar ist.
Was weiter geschah
war eigentlich zu erwarten:
Wieder Menschenjagd
Wieder Todesschüsse in Notwehr
die bekannten Justizmethoden
die bekannten Zeitungsartikel
und die Urteile gegen Horst Mahler
und gegen Ulrike Meinhof
Aber Anfrage an die Justiz
betreffend die Länge der Strafen:
Wieviel tausend Juden
muss ein Nazi ermordet haben
um heute verurteilt zu werden
zu so lange Haft?