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Ausgabe 2006/02
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nmz 2006/02 | Seite 42
55. Jahrgang | Februar
Oper & Konzert

Das Mechanische überwinden, „Wege in unsere Zeit“ suchen

Wanderer zwischen den Disziplinen: Friedrich Cerha zum 80. Geburtstag

„Was machst Du da! Du schreibst ja mein Stück!“ Eine der schönsten Cerha-Anekdoten ist prominent verbürgt. Das Erstaunen wird György Ligeti zugeschrieben, als dieser Ende der 50er-Jahre auf Cerhas Klavier die Skizzen zu dessen „Fasce“ entdeckte, in denen er seine gerade im Entstehen begriffenen „Apparitions“ wiedererkannte.

Die beiden Jubilare vor genau zehn Jahren: György Kurtág (li.) und Friedrich Cerha. Foto: Charlotte Oswald

Bild vergrößernDie beiden Jubilare vor genau zehn Jahren: György Kurtág (li.) und Friedrich Cerha. Foto: Charlotte Oswald

Die Begebenheit lässt etwas vom Sensorium eines Komponisten durchscheinen, der aus Darmstädter Serialismus-Aporien kreative Funken schlägt. Später bekennt Ligeti, dass er und Cerha tatsächlich zeitgleich, wenngleich unabhängig voneinander, mit der „Konzeption eines musikalischen Kontinuums“ auf die „Pulverisierung des musikalischen Geschehens“ reagiert hätten. In einem Moment der Nivellierung von Harmonik, Melodik, Rhythmik wies die Klangflächenkomposition neue Wege, von Cerha in den „Fasce“, den „Mouvements“, dem „Spiegel“-Zyklus radikal ausformuliert. Andererseits war und ist es nicht seine Art, sich darauf auszuruhen. Als seine „Baal“-Oper bei den Salzburger Festspielen 1981 uraufgeführt wird, wundert sich Ligeti denn auch erneut, insofern nun die Klangflächenästhetik scheinbar quer steht zu einer an Brecht orientierten Literaturoper.

Immer wieder ist Cerha für Überraschungen gut. Zuletzt noch vor zwei Jahren, als im voll besetzten großen Saal des Wiener Konzerthauses sein die Tradition emphatisch zitierendes „Requiem“ für Soli, Chor und großes Orchester zur Uraufführung kommt. (nmz 4/04) Rechtens wäre sich insofern eine Cerha-Analyse zu wünschen, die über Kontinuitäten und Diskontinuitäten in einem sechs Jahrzehnte umspannenden Werkschaffen aufklären hilft. Gefordert ist die Bereitschaft, das Disparate auszuhalten, ohne dem Bedürfnis nachzugeben, das eine auf Kosten des anderen herauszupräparieren. Selbst ein dreitägiges Cerha-Symposium, im Frühjahr 2004 im Umfeld der „Requiem“-Uraufführung arrangiert, hatte die „unspektakulären“ neoklassizistischen Anfänge des Komponisten glattweg „übersehen“.

Das eigentümlich Motorische, das Nicht-Ausrechenbare dieser facettenreichen Künstlernatur betrifft freilich nicht allein den Komponisten. Ursprünglich Violinist, ist Cerha von Anfang an auch dirigentisch, pädagogisch sowie editorisch tätig mit dem prominentesten Beispiel der Vollendung von Bergs „Lulu“-Oper. Alles in allem ist damit eine Mischung kreiert, die jeden Betrachter auf die Probe stellt, insofern in Cerha ein fröhlicher Wanderer zwischen den Disziplinen begegnet. So besteht für ihn auch kein Legitimationsproblem, wenn er als bekennender Avantgardist 1959 „die reihe“ gründet, um in seiner Geburtsstadt die Zweite Wiener Schule bekannt zu machen und fast zeitgleich, unterstützt von seiner Ehefrau, der Cembalistin Gertraud Cerha, einer Leonhardt-Schülerin, ein Alte-Musik-Ensemble aus der Taufe hebt. Erhalten gebliebene Mitschnitte der „Camerata Frescobaldiana“ offenbaren einen Violinisten Cerha mit silbrigem Ton und elastischer Phrasierungskunst. Als Zeitzeuge mehrerer Umbrüche und Neuanfänge, findet er in der Musik einer anderen Umbruchszeit, der des 17. Jahrhunderts, die Individualiät des Ausdrucks, die ihm als unverzichtbar gilt: das Mechanische überwinden, zugleich „Wege in unsere Zeit“ suchen wie der Titel einer von Cerha kuratierten Wiener Konzertreihe lautete.

Ironie des Schicksals indes, dass sein die Tradition nicht ausblendendes Verständnis von Programmierung, heute als „didaktisch“ außer Kurs geraten ist – um den Preis einer viel bejammerten, freilich insofern durchaus selbst verschuldeten öffentlichen Einsamkeit der Neuen Musik, womit das Stichwort für eine weniger bekannte Cerha-Schlussanekdote gefallen ist.

Damals, nach dem Krieg, als er aus Hitlers Wehrmacht desertiert war, um zwischen den Fronten, auf den Höhen des Thüringer Waldes heimwärts zu wandern, wäre er um ein Haar der Faszination einer ganz anderen Einsamkeit erlegen. Zivilisationsunlustig geworden, wollte er lieber Bergführer und Hüttenwirt in den österreichischen Alpen sein. Gelegenheit, dafür zu danken, dass er dieses Vorhaben zur Freude vieler Cerha-Freunde revidiert hat, eröffnet sich am 17. Februar. Dann wird Friedrich Cerha 80 Jahre alt. Von der neuen musikzeitung die herzlichsten Glückwünsche!

Georg Beck

Radiotipp
„Jahrlang ins Ungewisse hinab“ – Der Komponist Friedrich Cerha, Deutschlandfunk, Atelier neuer Musik, Samstag, 11. Februar, 22.05 bis 22.50 Uhr

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